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Syrischer Apotheker schenkt sein Impf-Honorar der Soester Tafel

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Von: Holger Strumann

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Soester Tafel König Alhasan
Einst Kunde der Soester Tafel, heute Spender: Der aus Syrien geflüchtete Apotheker Rabia Alhasan (rechts) übergab Tafel-Chef Michael König sein Honorar aus dem Impfzentrum. © Strumann

Als Rabia Alhasan davon hörte, Apotheker mögen „freiwillig“ in den Impfzentren aushelfen und dort die Spritzen aufziehen, hat er sich sofort gemeldet. Doch als ihm ein Stundenlohn von 70 Euro ausgehändigt werden sollte, stutzte der aus Syrien stammende Flüchtling.

Soest – Was heißt denn hier freiwillig?!, fragte sich Alhasan. Jetzt hat er sein Honorar der Soester Tafel gespendet.

Seit sieben Jahren lebt der approbierte Apotheker mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Soest. Er fühlt sich rundum wohl, und er denkt noch heute mit Schrecken daran, was vor dieser Zeit einmal war. Auf jeden Fall sei hier in Deutschland das meiste einfach nur glatt und glücklich für seine Familie gelaufen: Grund genug, der Gesellschaft etwas „zurückzugeben und nicht zu nehmen“.

Alhasan ist überzeugt, viele andere Flüchtlinge dächten genauso. Deshalb wünscht er sich, seine Geste sei stellvertretend für die Dankbarkeit vieler, die einst aus Sorge um ihr Leben aus der Heimat flüchteten und nun in Deutschland in Frieden und Freiheit leben – und obendrein noch in ihrem erlernten Beruf weiterarbeiten können.

Tafel half seiner Familie

Das mit der 600-Euro-Spende (weitere sollen folgen, wenn er wieder im Impfzentrum aushilft), kommt nicht von ungefähr. „Als wir acht Monate nach unserer Ankunft in Soest zunächst in der Flüchtlingsunterkunft an der Waldstraße lebten, habe wir die Tafel kennengelernt.“ Schließlich reichte damals die schmale Sozialhilfe kaum, um der Familie auch mal Obst und Gemüse zu spendieren.

Michael König von der Soester Tafel hat Rabia Alhasan auch in dessen Eigenschaft als Chef der Sozialberatungsstelle kennengelernt. Um möglichst rasch Deutsch zu lernen, hat sich der Apotheker nach einem deutsch-arabischen Sprachkurs erkundigt. Den fand er nicht in Soest, wohl aber in Dortmund. Also zwackte er für das Monatsticket der Bahn 200 Euro von der Sozialhilfe ab und paukte in Dortmund. Weil 200 Euro zu der Zeit ein mittleres Vermögen für die Familie darstellten, laminierte er seinen Fahrschein. Und hatte das Pech, auf einen höchst peniblen Schaffner zu treffen. So ein Ticket in Folie sei nicht gültig, mithin Alhasan also ein Schwarzfahrer.

Jede Spende tut gut

In seiner Not wandte der Syrer sich an König, der zog den Fall schnell mit der Bahn klar, seither ist der Kontakt zwischen den beiden immer enger geworden. Weil Alhasan längst weiß, welch gute Taten die seit mehr als 20 Jahren aktive Soester Tafel leistet, fiel sie ihm spontan bei der Suche nach einem Abnehmer für sein Impfhonorar ein. König: „In der Tat, wir können jede Spende gut gebrauchen, um auch morgen noch Leuten mit wenig Geld mit unseren Lebensmittelausgaben unter die Arme zu greifen.“

Als König das erzählt, bildet sich gerade draußen vor der Tafel wieder eine längere Schlange, in der die kaum Betuchten für Obst, Gemüse und Nudeln anstehen. Im Innenhof, nur durch eine Zeltplane gegen den Regen geschützt, geben die Helfer an der frischen Luft und somit sehr coronagerecht die Lebensmittel aus.

Heute arbeitet Rabia Alhasan in der Apotheke am Hansaplatz. Dafür hat er gleichsam im Schnelldurchgang seine deutsche Apotheker-Zulassung erworben und ein Jahr als Praktikant gearbeitet, um nachzuweisen, wie gut er das Medikamenten-Metier beherrscht. In Syrien hatte schon sein Vater eine Apotheke geführt und später einen Großhandel aufgebaut.

Das alles hätte dort für ein gutes, langes Leben gereicht, wenn nicht das Land und seine Heimatstadt Rakka dem Bürgerkrieg anheimgefallen wären: „Morgens habe ich noch wie gewohnt meine Apotheke aufgeschlossen und die Medikamente in die Regale gelegt.“ Am Mittag waren die Krieger der Al-Nusra-Front und des Islamischem Staats bereits eingefallen und hatten die Apotheke in Schutt und Asche gelegt und zur Jagd auf Menschen wie Rabia Alhasan geblasen.

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