Ihre jetzige Heimat liegt mehr als 13 000 Kilometer südlich und ist die Hauptstadt von Südafrika. Aber warum gerade Kapstadt? „Mein Papa ist in Südafrika aufgewachsen. Und als ich sieben war, sind wir dort hin geflogen“, erzählt Lea. Seit diesem Tag sind neun Jahre vergangen. Sie geht dort an die Deutsche Schule Kapstadt (DSK), spricht sowohl in der Familie, als auch in der Schule Deutsch. Außerdem spricht sie Englisch, ein bisschen Französisch und Afrikans. „Diese Sprache ist ein bisschen wie Holländisch und einfacher als Französisch“, erklärt sie.
Während ihrer Zeit in Kapstadt wuchs ihr Wunsch, für eine längere Zeit nach Deutschland zu kommen. Sie wollte ihre Verwandtschaft besser kennenlernen, kulturelle Unterschiede erleben und die Schulsysteme vergleichen. Diesen Wunsch erfüllte Marion Hense ihrer ältesten Enkelin gerne. „Ich bin sehr stolz auf sie. Lea ist so ein nettes Mädchen“, sagt Hense, die ihre Tochter, ihren Schwiegersohn und die drei Enkeltöchter nur alle zwei Jahre für eine kurze Zeit zu Gesicht bekommt.
Fünf Monate verbringt Lea seit August bei ihrer Oma und in der Soester Börde. In dieser langen Zeit besucht sie die zehnte Klasse des Archigymnasiums, macht Ausflüge mit ihren Mitschülern, darunter auch eine lange Wanderung bis zum Landheim.
Aber das Leben in einem anderen Land ist nicht immer einfach. „Natürlich vermisse ich auch Kapstadt und meine Familie. Aber ich bin froh, dass ich bereits so viel kennenlernen durfte“, erzählt Lea und schätzt die Möglichkeit, in ihrem jungen Alter einmal woanders zur Schule zu gehen und viel erleben zu können. Sie vermisse die Berge in Kapstadt, das Meer und den Strand. Allerdings sieht sie dort unendliche Felder wie in Deutschland eher selten.
Die Entscheidung, mit 15 einen Austausch zu machen, fiel sowohl bei Lea, als auch bei ihren Eltern bewusst. Er sollte noch vor dem Abitur stattfinden, „bevor der ganze Stress losgeht. Ich wollte neue Erfahrungen sammeln, bevor es zu spät ist und es wegen dem Abitur, dem Studium oder der Arbeit nicht mehr klappt.“
Als Lea in Deutschland ankam, habe sie sich darauf eingestellt, dass die Menschen eher grummelig seien. Doch sie räumt schnell mit den allgemein bekannten Vorurteilen auf, denn „alle waren sehr willkommend und freundlich, sowohl in der Schule, als auch privat. Das war ganz toll.“ In der Schule fand sie schnell Freunde und auch die erste Überraschung ließ nicht lange auf sich warten: In der Schule kann jeder tragen, was er oder sie möchte.
An ihrer Schule in Kapstadt ist lediglich das Tragen von Marineblau und einem weißen Poloshirt erlaubt. Lediglich die Schuhe dürfen schwarz, weiß oder marineblau sein. Die Schulkleidung, die in Deutschland undenkbar ist, ist in Kapstadt alltäglich.
Sie hat fast alles gekauft, was ihr gefallen hat. ‘Oma! ich kann Grün tragen! Und Rot!’, hat sie gerufen. Es war verrückt!
Der Fakt, dass sie in Deutschland zur Schule laufen kann? In Kapstadt undenkbar. „Dort ist die Kriminalitätsrate leider sehr hoch, ebenso wie die Armut“, erklärt Lea, kennt Wasserknappheit und Strommangel nur zu gut. Was sie jedoch nicht so gut kennt, sind die kälteren Temperaturen in Deutschland. „Anfang Herbst ist sie mit vier Pullovern auf dem Flohmarkt rumgelaufen“, erinnert sich Oma Hense an das Zwiebelprinzip ihrer Enkelin.
In Kapstadt herrscht zu dieser Zeit eher ein mediterranes Klima, kälter als sechs Grad wird es dort nicht. Zwar stehe ein Kamin im Haus, eine Heizung aber gebe es nicht, sagt Lea. Schnee hat sie ebenfalls seit neun Jahren nicht mehr gesehen. „Ich habe mich aber richtig gefreut, als ich an einem Morgen das Fenster aufgemacht habe und die Wiese weiß war. Da haben die Augen richtig geleuchtet“, berichtet Lea.
Natürlich hat auch Oma Marion noch jede Menge Pläne mit ihrer Enkelin. „Die kalte Jahreszeit motiviert die Menschen wieder, auch am Abend etwas zu unternehmen.“ So soll es noch zum Jazzmas-Konzert und vielen anderen Kulturveranstaltungen gehen. Die Nordsee, der Kahle Asten und das Sauerland dagegen sind bereits abgehakt.
„Man hat einfach nicht die Zeit, alles reinzupacken“, bedauert Hense. Den Weihnachtsmarkt hat Lea auch schon genauestens unter die Lupe genommen, aber eine Sache fehlt ihr dort noch. „Ich habe noch keinen Glühwein getrunken. Das hole ich noch nach, bevor es nach Hause geht“, verspricht sie mit einem Lächeln.
Am 20. Dezember geht es zurück nach Kapstadt und Lea wird nicht nur einen Koffer voller gekaufter Kleidung und Souvenirs mitnehmen, sondern auch viele unvergessliche Erinnerungen und Eindrücke. „Ich hätte diesen Austausch wahrscheinlich nie gemacht, wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich wieder nach Kapstadt zurückkehre, denn das ist meine Heimat dort. Doch jetzt habe ich ein viel besseres Bild von der Welt, weil ich auch mal etwas anderes kennengelernt habe.“
Und was hat ihr bisher am besten an Soest gefallen? Die Antwort kommt prompt: „Die Allerheiligenkirmes. Das hat die Stadt in etwas ganz Besonderes verwandelt“, sagt Lea. Und die Allerheiligenkirmes war mindestens genauso besonders wie ihr Aufenthalt in Soest.