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Folgen des Streiks in Soest: „Verdammt, was machen wir jetzt?“

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Von: Daniel Schröder

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Alexander Traut aus Soest und ein Leidensgenosse warten am Montagmorgen am Soester Bahnhof auf die RB 89. Sie werden enttäuscht.
Alexander Traut aus Soest und ein Leidensgenosse warten am Montagmorgen am Soester Bahnhof auf die RB 89. Sie werden enttäuscht. © Daniel Schröder

Der deutschlandweite Streik legt am Montag auch den ÖPNV im Kreis Soest lahm. Am Soester Bahnhof treffen wir trotzdem hoffnungsvolle Menschen. Sie werden enttäuscht.

Soest - Montagmorgen, 6.38 Uhr, Haarweg: Ein einzelner Bus ist unterwegs, einer von ganz wenigen an diesem Morgen, die von einem Privatunternehmen gefahren werden. Wer mit ihm auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule ist, kann jedoch nicht darauf zählen, dass auch der Rückweg garantiert ist. Die Mitarbeiter der Regionalverkehr Ruhr-Lippe GmbH (RLG) streiken.

6.50 Uhr, Paderborner Landstraße in Höhe des Stadtparks: Die Polizei hat eine Messstation aufgebaut, kontrolliert die Geschwindigkeit. Wegen stillstehender Busse sind auf den Straßen spürbar mehr Autos unterwegs als sonst. Gegen 10 Uhr berichtet Polizeisprecherin Diana Kettelhake, dass sich das jedoch nicht in der „Blitz-Bilanz“ niederschlägt: „Die Kollegen haben in mehreren Bereichen in Soest und Lippetal Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt. An allen Stellen gab es jedoch nicht mehr Verstöße als sonst. Von den Streik-Auswirkungen merken wir in der Hinsicht nichts.“

In der Eurobahn war die Situation eskaliert.
Am Soester Bahnhof stehen zwar Eurobahn-Waggons. Doch unmissverständlich teilt die Aufschrift mit: „Nicht einsteigen“. © Daniel Schröder

Neben den RLG-Mitarbeitern, die von der Gewerkschaft Verdi zum Streik aufgerufen worden waren, legen an diesem Montag auch die Mitglieder der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), darunter die Mitarbeiter der Eurobahn, ihre Arbeit nieder. So herrscht wortwörtlicher Stillstand am Soester Bahnhof. Ein paar Eurobahn-Waggons stehen auf den südlichen Gleisen. Die LED-Schrift macht jedoch unmissverständlich klar, dass sie nicht darauf warten, mit Fahrgästen gefüllt zu werden - „nicht einsteigen“.

Streik in Soest - wann soll der Zug kommen? „Also quasi.. jetzt.. vor acht Minuten.“

Trotz der frühzeitigen Streik-Ankündigung am Freitag gibt es hoffnungsvolle Menschen, die auf ihren Zug warten. 7.04 Uhr, Gleis 4 am Soester Bahnhof: Alexander Traut aus Soest wartet auf die RB 89, die ihn zur Arbeit nach Hamm bringen soll. Auf die Frage, wann sein Zug denn planmäßig kommen soll, sagt er: „Um 56.. also quasi.. jetzt.. vor acht Minuten.“ Er habe zwar im Vorfeld vom Streik gewusst, sei aber guter Dinge gewesen, dass die Züge trotzdem fahren. „Bislang lief das morgens immer glatt.“ Jedoch wächst in ihm langsam die Gewissheit, dass er an diesem Montagmorgen besser nicht auf den Zug gesetzt hätte. „Ich stehe schon seit einer Stunde hier.“

Gerade, als er den Satz beendet, springt die Anzeige für die RB 89 um: 8.56 Uhr. Auf dem Bahnsteig hat Traut einen Leidensgenossen kennengelernt, auch er muss nach Hamm, telefoniert hektisch. „Er hofft, dass seine Schwester uns nach Hamm bringen kann“, erklärt Alexander Traut. Doch die Schwester hat keine Zeit. „Mir reicht es, wir nehmen jetzt ein Taxi“, sagt der andere entschlossen.

Kann den Gestrandeten am Montagmorgen nicht helfen: Taxifahrer Klaus Kareths Fahrplan ist bereits ausgebucht.
Kann den Gestrandeten am Montagmorgen nicht helfen: Taxifahrer Klaus Kareths Fahrplan ist bereits ausgebucht. © Daniel Schröder

Beide gehen durch die Bahnhofshalle, hier treffen sie auf vier ebenso ratlose Gesichter, die gerade die Fahrpläne studieren. Auf dem Vorplatz steuern sie das Taxi von Klaus Kareth an. Ob er sie zur Arbeit bringen könne, fragen die beiden Gestrandeten den Fahrer. Doch der winkt ab. Eine Dialysefahrt steht an. „Wir sind an normalen Tagen schon gut ausgelastet und von morgens bis abends unterwegs. Eine spontane Fahrt nach Hamm passt leider nicht hinein“, erklärt der Taxifahrer.

Taxisuche während des Streiks: „Versuchen Sie es in ein oder zwei Stunden nochmal“

Alexander Trauts „Kollege“ greift zum Handy, versucht, ein Taxi zu bestellen. Die Antwort bringt abermals Ernüchterung: „Wir haben im Moment keine freien Fahrzeuge zur Verfügung. Versuchen Sie es in ein oder zwei Stunden nochmal.“ Jetzt herrscht endgültige Ratlosigkeit: „Verdammt, was machen wir jetzt?“

Streik: „Mitarbeiter werden gute Gründe haben“

Für Alexander Traut ist die Sache klar. Er ruft um 7.15 Uhr seinen Chef an. Berichtet wenige Augenblicke später: „Der hat gut reagiert. Er sagt, es sei nunmal höhere Gewalt, wir sehen uns dann morgen.“ Traut habe Verständnis für den Streik: „Natürlich ist das für mich jetzt nicht so cool. Aber wenn sich so viele Mitarbeiter am Streik beteiligen, werden sie dafür gute Gründe haben.“

Streik im ÖPNV: „Die haben die größte Verantwortung und bekommen am wenigsten“

Das kann Dennis Flürenbrock nur bestätigen. Er ist Betriebsratsvorsitzender bei der RLG, streikt gemeinsam mit seinen Kollegen aus der Verwaltung, der Werkstatt und den Fahrern am Standort in Soest, direkt neben dem Bahnhof. Die Gewerkschaft und ihre Mitarbeiter fordern unter anderem einen 10,5 Prozent höheren Lohn, mindestens aber 500 Euro monatlich bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Er betont: „Wichtig ist vor allem, dass die unteren Lohngruppen profitieren. Da geht es um die Mitarbeiter, die im Bus vorne links sitzen. Die haben die größte Verantwortung und bekommen am wenigsten.“

Streiken: Die RLG-Mitarbeiter.
Streiken: Die RLG-Mitarbeiter. © Daniel Schröder

Von einer höheren Entlohnung würde am Ende der ganze Betrieb profitieren, unterstreicht Flürenbrock: „So würde der Beruf attraktiver, so würden wir neue Mitarbeiter bekommen. Viele sagen jetzt: ‚Für das Geld fange ich nicht an.‘ Und das, während gleichzeitig natürlich immer wieder Kollegen in Rente gehen.“

Streik-Auswirkungen auf die Schulen: „Einige Schüler sind nicht gekommen“

Potenzielle Berufseinsteiger besuchen am Montagmorgen die Schulen in Soest. Andreas Heihoff, Leiter des Conrad-von-Soest-Gymnasiums und Sprecher der Schulleiter der weiterführenden Schulen in Soest, schildert gegen 9 Uhr: „Wir haben eine verstärkte Pkw-Aktivität vor dem Schulgelände wahrgenommen.“ Viele Autos rollen kurz vor Unterrichtsbeginn gegen 7.40 Uhr auch am Archi vor. Aus einigen steigen vier Schüler auf einmal aus. Offenbar wurden im Vorfeld Fahrgemeinschaften gebildet.

Trotzdem berichtet Heihoff: „Zwar ist ein Großteil der Schüler da, doch einige Schüler sind nicht gekommen. Sie hatten einfach keine Chance.“

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