Zu diesen etwa 500 Menschen, die bei Privatleuten und inzwischen auch in den städtischen Unterkünften wohnen, kommen 2300 Plätze in der Zentralen Unterbringungs-Einrichtung (ZUE) des Landes am Hiddingser Weg. Sie ist bekanntlich eine Schwerpunkteinrichtung für ukrainische Flüchtlinge, die hier zwei bis vier Wochen bleiben und dann, nach dem „Königsteiner Schlüssel“, auf Städte und Gemeinden in ganz NRW verteilt werden. Die Verantwortung für diese Flüchtlinge trägt das Land, die Stadt muss sich „nur“ um die Unterkunft, die Sozialleistungen, Schul- und Kindergartenplätze für diejenigen kümmern, die darüber hinaus in Soest angekommen sind. Die ZUE spielt für die Stadt trotzdem eine Rolle, denn sobald eine strukturierte Zuweisung von Flüchtlingen an die nordrhein-westfälischen Kommunen erfolgt, wird für Soest die Hälfte der dort untergebrachten Flüchtlinge berücksichtigt. Mal angenommen, eine Million Ukrainer suchten Schutz in Deutschland, so müsste NRW etwa 22 Prozent aufnehmen, rechnet Ruthemeyer vor. Der Anteil, der nach dem Königsteiner Schlüssel auf Soest entfiele, wäre dann bereits übererfüllt.
„Soest ist nun schon ein besonderer Hotspot in Relation zur Einwohnerzahl.“ Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise nach 2015 lebten in Soest (außerhalb der ZUE) gleichzeitig 368 Flüchtlinge. Niemand weiß, wie sich die jetzige Lage weiter entwickeln wird. Für die Stadt heißt das, auf die gegenwärtige Situation zu reagieren und gleichzeitig vorbereitet zu sein auf weitere Entwicklungen. Vorrangig wird Wohnraum benötigt, und zwar möglichst Wohnraum, der länger als für ein paar Wochen zur Verfügung steht – das will der Bürgermeister verstanden wissen als einen Aufruf an alle, die Platz zur Verfügung stellen können. Die Anmietung könnte über die Stadt erfolgen, stellt Ruthemeyer in Aussicht. „Es gibt individuelle Lösungen“, ergänzt der Abteilungsleiter Soziales, Meinhard Esser.
Ruthemeyer lässt nicht unerwähnt, dass sich noch klären muss, ob die Flüchtlinge einen Status nach dem Flüchtlingsgesetz oder dem Sozialgesetzbuch II erhalten. Er vertraue aber darauf, sagt der Bürgermeister, dass Bund und Land zu ihrer Aussage stehen werden, die Kommunen bei der Finanzierung nicht im Regen stehen zu lassen. Dass sich vieles nur lösen lasse, wenn „wir auch Dinge denken, die wir uns bis jetzt nicht vorstellen können“, das will Ruthemeyer in vielerlei Hinsicht verstanden wissen. So steht die Stadt vor der Herausforderung, Kindergartenplätze zu schaffen, obwohl die Einrichtungen „proppevoll“ sind, wie Meinhard Esser erinnert. Auch Schulklassen könnten bald deutlich mehr Schüler fassen müssen. Und angesichts der schweren Energiekrise, die mit dem Ukraine-Krieg einhergeht, werde sicher auch bei Erneuerbaren Energien neu gedacht werden müssen. „Es ist auch meine Aufgabe, die Bürger darauf aufmerksam zu machen, dass wir in einer Situation sind, die wir bisher noch nicht kannten“, sagt Ruthemeyer, „Putin macht uns zu einem Teil des Krieges. Das wird unser Leben verändern.“ Allein über die Dimensionen könne man sich noch nicht im Klaren sein.