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Spieß am Telefon umgedreht: Soesterin entlarvt Telefonbetrügerin

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Von: Daniel Schröder

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Ein Senior aus Altena ist auf ein Telefonbetrüger hereingefallen.
Eine Telefonbetrügerin hatte es auf eine Soesterin abgesehen. © Arno Burgi

Eine Soesterin sollte Opfer einer Telefonbetrügerin werden. Doch das vermeintliche Opfer drehte den Spieß um.


Soest – Als die Soesterin Anna B. am Dienstag den Telefonhörer ans Ohr hält, begegnet ihr eine leise Frauenstimme. Die Unbekannte gibt vor, die Tochter der Soesterin zu sein. „Mir geht es so schlecht, es ist etwas Furchtbares passiert“, sagt die vermeintliche Tochter. Sie habe eine Radfahrerin umgefahren, sitze nun bei der Polizei und komme nur auf Kaution frei. Für die Freilassung solle Anna B. Goldmünzen und Goldbarren zum Amtsgericht bringen.

Die Soesterin vermutet schnell, dass da nicht wirklich ihre Tochter am Telefon ist und dreht den Spieß um: „Heike, bist du es?“, fragt sie. Den angeblichen Namen der Tochter hat sie frei erfunden. Ein ähnliches Telefonat mit unterdrückter Nummer hatte Anna B. bereits vor rund einem Monat. Jetzt will sie es der Betrügerin zeigen: Während sie das Telefonat mit „Heike“ in die Länge zieht, die Betrügerin mit persönlichen Fragen, die diese natürlich nicht beantworten kann, aus der Reserve lockt, verständigt der Mann von B. die Polizei.

Telefonbetrug: Polizei empfiehlt Anzeige

Nachdem auf der Wach-Nummer in Soest niemand ans Telefon geht, wählt er den Notruf und fragt, ob das Telefonat nicht zurückverfolgt werden könne. Doch ad hoc kann der Polizist in der Leitstelle ihm nicht helfen und empfiehlt, eine Anzeige zu erstatten.

Telefonbetrug: Betrügerin weicht den Fragen der Soesterin aus

Währenddessen weicht die Betrügerin den ihr gestellten Fragen immer wieder aus: „Wo bist du?“, will Anna B. wissen. „Ich bin hier. Ich brauche Münzen und Goldbarren.“ Im Gespräch mit unserer Redaktion berichtet B.: „Es wirkte, als hätte die Anruferin ihre Geschichte aus einem Drehbuch abgelesen. Es waren immer die gleichen Sätze.“ Teilweise sei das Gespräch verstummt, die Soesterin glaubt, dass die Betrügerin noch mindestens ein zweites Betrugs-Telefonat auf einer anderen Leitung geführt haben könnte.

Telefonbetrug: „Ich hole dich da raus“

Nachdem ihr Mann signalisiert, dass die Polizei das Gespräch nicht zurückverfolgen kann, sagt die Soesterin ihrer Gesprächspartnerin: „Ich komme jetzt zur Polizei und hole dich da raus.“ Danach ist das Gespräch beendet, online erstattet B. Anzeige. Sie schätzt die Anruferin aufgrund ihrer Stimme auf maximal 40 Jahre.

Sie will alle Menschen, die Anrufe von unbekannten Nummern oder Personen erhalten, zur Vorsichtig sensibilisieren. „In den ersten drei, vier Sekunden hat der Anruf wirklich authentisch gewirkt.“ Doch die gezielten Fragen, auf die keine Antworten kamen, hätten das Misstrauen schnell verstärkt.

Telefonbetrug: Polizei rät, kurzen Prozess zu machen

Polizeisprecher Wolfgang Lückenkemper rät, in solchen Fällen sofort kurzen Prozess zu machen: „Hinhalten bringt nichts.“ Solche Telefonate könnten nicht einfach so rückverfolgt werden. Das klappe so nur im Tatort. Die Telefonbetrüger würden in ausländischen Callcentern sitzen. Jeden Tag gebe es derartige Fälle im Kreis Soest.

Wer einen solch verdächtigen Anruf erhalte, solle sofort wieder auflegen und die echten Angehörigen oder die Polizei über den Notruf 110 kontaktieren. Doch gerade Senioren würden oftmals entgegnen, dass dieses plötzliche Auflegen doch unhöflich sei. Eines dürfte allerdings klar sein: Auf Dinge wie Höflichkeit legen Betrüger wohl keinen großen Wert.

So verlort eine Rentnerin ihre gesamtem Ersparnisse

Eine Über-80-Jährige erhielt am Dienstagnachmittag einen erschreckenden Anruf: Am anderen Ende der Leitung weinte eine junge Frau. Sie gab sich als Enkelin aus: „Oma, hilf mir bitte!“ Diesen Hilferuf konnte die Seniorin nicht ignorieren. Der Telefonhörer wurde von der vermeintlichen Enkelin an einen angeblichen Staatsanwalt weitergereicht. „Der erklärte der Seniorin, dass ihre Enkelin nach einem tödlichen Verkehrsunfall geflüchtet sei und nun in Untersuchungshaft sitzen würde“, berichtete Polizeisprecher Wolfgang Lückenkemper. Nur mit einer Kaution von 46 000 Euro könne die Seniorin ihre Enkeltochter freikaufen. Die Seniorin gab dem angeblichen Staatsanwalt gegenüber an, 24 000 Euro in einem Schließfach zu haben. „Dann holen Sie jetzt gleich das Geld. Ich werde die Summe mit einem Richter besprechen. Legen Sie auf keinen Fall den Telefonhörer in der Zeit auf.“

Die Seniorin ging zu ihrem Bankschließfach und holte das Geld. Danach meldete sie sich wieder am Telefon, der Anruf war in der Zwischenzeit nicht unterbrochen worden. „Ihr wurde mitgeteilt, dass gleich ein Bote vorbeikomme. Dieser habe zwar keinen Ausweis dabei, doch wäre alles in Ordnung“, schilderte Lückenkemper den weiteren Verlauf.

Kurz darauf klingelte es an der Haustür, die Frau übergab die 24 000 Euro an den unbekannten Mann. Er habe dunkle Haut und dunkle Haare gehabt, sei etwa 25 Jahre alt und 1,50 Meter groß gewesen. Er trug eine Kappe, ein orangenes T-Shirt, eine dunkle Hose und einen blauen medizinischen Mundschutz. Erst nachdem das Geld abgeholt war, wurde das Telefonat nach mehr als anderthalb Stunden beendet. Die Seniorin, die zum Opfer wurde, rief daraufhin ihre Tochter an und der Schwindel flog auf.

„Die Täter legen meist Wert darauf, dass das Gespräch zwischendurch nicht beendet wird. So stellen Sie sicher, dass ihr Opfer nicht bei anderen Verwandten anruft und der Betrug so auffällt“, so Lückenkemper. Die Bitte der Polizei lautet: „Sprechen Sie mit älteren Mitmenschen, Nachbarn und Verwandten über solche Fälle. Die Täter sind skrupellos und bringen ihre Opfer in so emotionale Situationen, dass diese fast nicht anders können.“

*(Name von der Redaktion geändert)

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