Wir haben es geschafft, in den beiden vergangenen Jahren trotz Corona, und dann in diesem Jahr auch trotz der Aufnahme von über 500 Menschen aus der Ukraine, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. Das war aber nur möglich, weil sich die heimische Wirtschaft als sehr robust erwiesen hat und wir als ganze Stadt über ein hohes Gewerbesteueraufkommen davon profitieren. Ein wichtiges Projekt war auch die Fusion der beiden Sparkassen zur Sparkasse Hellweg-Lippe, die jetzt beschlossen wurde. Sowohl für die Bürger als auch für die Unternehmen in der Stadt und im Kreis. Für die Zukunft der Stadt sehr wichtig ist auch die Ausweisung neuer Gewerbeflächen.
Sie könnten da sicher noch eine Weile fortfahren?
Das kann ich tatsächlich, weil bei den vielen großen Problemen in der Welt schnell in Vergessenheit gerät, was hier vor Ort alles geschaffen worden ist und auch noch wird und was das Leben für alle Menschen in der Stadt ein Stückchen besser macht. So ist Soest ein attraktiver Schulstandort, unter anderem mit einer durchsanierten Sekundarschule. Alle Schulen werden im Rahmen des Medienentwicklungsplans nach und nach auch mit modernster Digitaltechnik ausgestattet. Auch das Angebot an Kitaplätzen kann sich sehen lassen. Bei allen Bauvorhaben müssen wir als Stadt aber, genau wie private Investoren, sehen, was die Entwicklung der Baukosten noch möglich macht in der Zukunft.
Nach den teilweise sehr scharfen und persönlich verletzenden Auseinandersetzungen im Rat und in den Ausschüssen vor der letzten Wahl macht es jetzt eher den Eindruck, als wenn die Debatten einigermaßen geräuschlos geführt würden. Täuscht dieser Eindruck oder gibt es tatsächlich einen breiten Konsens bei den wichtigsten Themen?
Ich sehe sowohl diesen breiten Konsens als auch einen unverkennbaren Realismus. Es wird weniger um einzelne Formulierungen gestritten und stattdessen mehr um praktische Lösungen miteinander gerungen.
Wenn ich da als Beispiel das Thema Klimaschutz nehme, war der Begriff „Klimanotstand“ etwas, was ich als nicht hilfreich zur Lösung konkreter Probleme gesehen habe. Der Klimapakt ist jetzt ein Rahmen, der eine Vielzahl von Maßnahmen zusammenfasst, die nach und nach abgearbeitet werden. Da ist jetzt ein klarer Weg erkennbar, auf dem es sicher den einen zu langsam und den anderen zu schnell voran geht – aber es geht voran. Die Folgen des Ukrainekrieges mit den Auswirkungen auf unsere Energieversorgung zeigen überdeutlich, dass wir sehr vieles richtig gemacht haben.
Beim Thema Klimaschutz beansprucht Soest eine Führungsrolle – im Alltag aber ist davon noch nicht viel spürbar: Wo sehen Sie die Stadt aktuell auf dem langen Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2030 – und wie belastbar wird der Klimapakt sein, wenn die Menschen eigentlich ganz andere Sorgen haben?
Ich glaube, allen in der Stadt ist klar, dass ein ehrgeiziges Ziele wie die Klimaneutralität bis zum Ende dieses Jahrzehnts nur mit starken Partnern erreicht werden kann. Wir stoßen an Grenzen, wenn es um die unbedingt nötigen qualifizierten Fachleute geht, die es mit umsetzen müssen, zum Beispiel die Handwerker. Konzeptionell sind wir auf einem sehr guten Weg, Rahmenbedingungen können wir aber nur begrenzt ändern. Wir tun das, was wir tun können und haben im ersten Jahr nach dem Beschluss des Masterplans Klimapakt schon viele Projekte angeschoben, deren Umsetzung nun läuft.
Was für den Klimaschutz gilt, das gilt auch für das Thema Digitalisierung: Viele Städte und Gemeinden im Land blicken mit großem Interesse auf die Digitale Modellkommune und smarte City Soest – was können sie da an Erkenntnissen gewinnen?
Sie können zum Beispiel sehen, dass das Team um Jörg Radandt (Chief Digital Officer, Anmerkung der Redaktion) eine hervorragende Arbeit leistet, und zwar nicht nur für Soest, sondern auch für die Region, für die wir insgesamt rund 10 Millionen Euro Fördergeld für Projekte geholt haben. Das Stadtlabor hatte durch die Coronapandemie Probleme, tatsächlich für die Bürger greifbar zu werden, aber eine ganze Reihe von Projekten ist bereits auf den Weg gebracht worden. Darunter auch solche, die Dienstleistungen des Rathauses betreffen wie die elektronische Kita-Karte. Einiges ist bereits in den Alltag vieler Menschen integriert, ist aber vor dem Hintergrund Digitale Modellkommune entwickelt und umgesetzt worden. Und vieles mehr ist noch in der Pipeline.
Natürlich erwarten die Bürger von ihrer Verwaltung, dass der digitale Fortschritt in spürbaren Verbesserungen der Dienstleistungen sichtbar wird. Tatsächlich aber gibt es viele Klagen, zum Beispiel über lange Wartezeiten für persönliche Termine im Bürgerbüro. Wie kann das besser werden – nach Corona, aber mittendrin in einem Fachkräftemangel, der auch vor öffentlichen Verwaltungen keinen Halt macht?
Als Verwaltung einer 50 000-Einwohner-Stadt sind wir anerkanntermaßen innovativ und leistungsfähig. Das geht nur mit einem hervorragenden Team, für das ich sehr dankbar bin. Die Online-Terminvergabe im Bürgerbüro war eine Reaktion auf die völlig unakzeptablen langen Schlangen vor der Tür nach dem Ende des Corona-Lockdowns in 2020. Deshalb haben wir das Verfahren umgestellt. Das hat ein bisschen holprig begonnen, aber das sollte jetzt besser klappen. Wer mit einem Termin kommt, muss nicht mehr lange warten, und wer mit Online-Medien nicht klar kommt, kann auch persönlich kommen und einen Termin vereinbaren. Klar ist aber, dass wir Dienstleistungen derzeit noch parallel vorhalten müssen, also klassisch analog und digital, da sind wir an Vorgaben gebunden, die möglicherweise nicht alle Erwartungen erfüllen.
Die dramatisch steigenden Energiepreise müssen auch die öffentlichen Verwaltungen bezahlen. Wie wird sich das auf den Haushalt der Stadt auswirken?
Für den Haushalt 2023 fehlen noch wichtige Eckdaten, die werden erst Mitte August kommen. Vorher sind seriöse Aussagen darüber nicht möglich. Welche Effekte genau Inflation und Energiepreise auslösen werden, ist in der genauen Höhe ebenfalls ein Blick in die Glaskugel.
Wir geben derzeit rund 1,9 Millionen Euro für Strom und Gas aus im Jahr. Wenn sich diese Kosten verdoppeln oder verdreifachen, wird das natürlich spürbare Folgen für den Soester Haushalt haben. Um so mehr, als ja auch die Gefahr besteht, dass die Konjunktur negativ beeinflusst werden wird und uns damit Einnahmen fehlen könnten.
Was ich sagen kann ist, dass wir für den Haushalt 2022 noch in der Spur sind. Niemand weiß derzeit aber, was bis Ende des Jahres noch passieren wird.
Im Jahr 2025 stehen Kommunalwahlen an. In dem Jahr werden Sie Ihren 65. Geburtstag feiern und dann 26 Jahre ihres Lebens als Soester Bürgermeister gearbeitet haben. Da liegt die Frage nahe, wie Ihre Lebensplanung für die Zeit nach der laufenden Wahlperiode aussieht und ob die Aussicht auf den Ruhestand nicht eine unwiderstehliche Faszination entwickelt?
Sie können mir glauben, dass ich mir im Moment noch keine Gedanken über einen möglichen Ruhestand mache. Dafür stecke ich viel zu tief drin in der täglichen Arbeit, die mich fordert, die mir aber auch nach wie vor viel Freude macht. Ich werde mir 2024 intensiver Gedanken darüber machen, wie es für mich persönlich weitergehen soll. Mir tut es gut zu wissen, dass ich mir nichts mehr beweisen muss. Und ich bekomme von vielen Seiten gespiegelt, dass genau das auch von Vorteil für die Arbeit als Bürgermeister dieser wunderbaren Stadt ist. Die Erfahrung von mehr als 20 Jahren in diesem Amt und die Netzwerke, auch in Bund und Land, die in dieser Zeit aufgebaut wurden – das wird sowohl in der Bürgerschaft als auch im Rat geschätzt. Und das ist für mich zunächst einmal Ansporn, in der zweiten Hälfte dieser Wahlperiode noch viel zu erreichen und umzusetzen.