„Lehrer sagte, aus mir wird nichts“: Soesterin macht sich in der Altstadt selbstständig

Eine Soesterin (27) macht sich in der Altstadt selbstständig. Sie hofft, dass weitere Geschäftsleute in Soest nachziehen.
Soest – Vom Drei-Euro-Nebenjob zur Selbstständigkeit mit eigenem Studio: Das ist die Kurzversion, die den Lebenslauf von Buse Degirmencioglu zusammenfasst. Die 27-jährige Soesterin hat an der Salzgasse in der Soester Altstadt nun ihr „House of beauty“, übersetzt: „Haus der Schönheit“, namens „La Ela“ eröffnet. Dort bietet sie neben Kosmetikbehandlungen auch das Stechen von Piercings und kleiner Fineline-Tattoos und den Verkauf von (Braut-)Schmuck an.
Dass sie nun den Schritt in die Selbstständigkeit wagt, macht sie selbst ein wenig ungläubig, aber auch stolz: „Mein Lehrer sagte damals, dass aus mir nichts wird“, erinnert sich die energiegeladene junge Frau und kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Vielleicht sei ihr die eigenständige Arbeit auch ein bisschen in die DNA implementiert worden. Vater Erol war damals in der Türkei bereits selbstständig und machte damit weiter, als er 1980 nach Soest kam.
Soesterin macht sich selbstständig: „Ich arbeite, seit ich 13 bin“
Und auch für Tochter Buse, die Mitte der 1990er-Jahre auf die Welt kam, gehörte Arbeit schon früh zum Leben dazu: „Ich arbeite, seit ich 13 bin. Damals habe ich mit Zeitung-Verteilen angefangen. Wenn ich so darüber nachdenke, gab es seitdem nicht eine Woche, in der ich nur Zuhause gesessen habe, ohne etwas zu tun.“ Nicht nur, dass sie früh gelernt hat, was Arbeit ist, helfe ihr heute. Auch Demut spiele eine große Rolle: „Wir fünf Geschwister kommen aus armen Verhältnissen, wir kennen Zeiten, in der wir nur wenig zu Essen hatten.“ Dadurch lernte Buse Degirmencioglu, wie Sparen geht.
Mit 19 wurde sie schwanger, habe in der Zeit nicht gewusst, „wohin mit mir“. So begann sie, anderen für drei Euro die Augenbrauen nach türkischer Art zu zupfen. Wenig später half sie damit bei einem Friseur aus und bekam Übung im Waxing und Augenbrauen-Färben. „Von dem Geld habe ich eine Schulung gemacht, in der ich gelernt habe, Wimpern-Lifting und Wimpern-Verlängerungen durchzuführen.“ Wieder reinvestierte sie ihren Verdienst in Schulungen – seitdem gehören auch Permanent-Make-Up und Zahnaufhellung zu ihrem Repertoire. So ging es weiter: Es folgten eine Piercing-Schulung und eine Tattoo-Schulung als Reaktion auf das Tätigkeitsverbot im Corona-Lockdown. „Zuhause sitzen war nunmal keine Option.“ Irgendwann wuchs der Gedanke, dass die Nebentätigkeit zum Hauptberuf werden soll – im eigenen Studio.
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Soesterin macht sich selbstständig und nimmt all ihr Erspartes in die Hand
Doch dafür fehlten noch die passenden vier Wände. „Es war nicht das Richtige dabei“, berichtet die junge Geschäftsfrau. Dann plötzlich stieß sie auf eine Online-Anzeige, in der das Studio an der Salzgasse zur Miete angeboten wurde. Alles Ersparte wurde abermals in die Hand genommen. Das war vor nicht einmal vier Wochen. „Nach einem Anruf ging alles ruckzuck. Ich kann es noch nicht so wirklich realisieren.“
In kurzer Zeit renovierten die Degirmencioglus das Ladenlokal in Eigenregie. „Wir haben fast alles erneuert“, schildert Buse. Dabei konnte sie auf die volle Unterstützung ihrer Familie zählen: Ihr Mann Burak, ihre vier Brüder und der Vater packten tatkräftig an.
Soesterin macht sich selbstständig: „Ich hoffe, dass noch mehr Menschen den Mut bekommen“
Buse Degirmencioglu ist optimistisch, sieht eine Marktlücke, die sie in Soest nun füllen konnte. „Ich hoffe, dass noch mehr Menschen den Mut bekommen, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, um das Angebot in der Stadt breiter aufzustellen. Das Extrablatt ist beispielsweise ein guter Anfang: Hier sitzen die Menschen abends und bringen Leben in die Stadt. Soest könnte noch viel mehr bieten, sodass vor allem junge Leute nicht in die nächste Großstadt fahren müssten.“
Fragt man die Geschäftsfrau nach ihrem größten Wunsch, ist die Antwort klar: „Mein Papa hat ein Traumauto – wenn ich ihm ermöglichen könnte, da eines Tages drin zu sitzen. Das Wichtigste ist, dass die Familie glücklich ist.“
Es tut sich etwas in der Soester Altstadt. Vor etwa einem Monat öffnete an anderer Stelle im Stadtzentrum ein weiteres Geschäft.