So sollen Senioren in Erinnerungen schwelgen

Dorita Zurmühl möchte einen Stammtisch für Menschen ab 80 Jahren gründen und alte Erinnerungen wieder auffrischen.
Soest – In der Stadt gibt es sie wie Sand am Meer. Ein Treffen im Brauhaus Christ hier, eins im Solista dort. Ob für Kultur, die Soester Wirtschaft oder Liebhaber von Papageien. Fast für jede Sparte gibt es einen Stammtisch. Bald soll noch einer dazu kommen, denn Dorita Zurmühl möchte eine Altersgruppe um sich herum versammeln, die teilweise nicht mehr gut zu Fuß ist oder Hilfe im Alltag braucht.
„Ein Soester Stammtisch für 80 plus soll es werden“, erzählt die 90-Jährige von ihren Plänen. Bei diesem Gedanken hellt sich ihr Gesicht auf und das Lächeln wird breit. Dabei ist der Grund für diesen Stammtisch süß und bitter zugleich. „Die Idee hatte ich, als am Ulrichertor der Wall aufgemacht wurde und die Bauarbeiter verdutzt waren, dass sich darunter noch Bunker-Räume befinden. Hätten sie mal die alte Generation gefragt. Die weiß das.“
Die alten Zeiten gehen verloren
Und dann erzählt Zurmühl lebhaft und aufgeweckt von den ganz alten Zeiten. Die Räume wurden damals als Keller genutzt, schön kühl sei es da gewesen. Aber ihre Generation stirbt aus, die Erinnerungen an die alten Zeiten gehen verloren oder sind verschollen. Dorita Zurmühl möchte sie mit einem Stammtisch wieder hervorholen.
Alle sind eingeladen, allen voran Soester Kriegskinder, Nachkriegskinder, Trümmerfrauen und Menschen, die die Stadt wieder aufgebaut haben. „Nicht alle von ihnen haben Kinder oder Enkelkinder. Möglicherweise sind sie einsam“, vermutet Zurmühl. Aus diesem Grund sollen sich die Älteren vom Fernseher lösen, rausgehen, sich beim Stammtisch mit Gleichgesinnten über die Vergangenheit unterhalten und Erinnerungen auffrischen. Sie sollen an das Pudding-Abitur und Kinderspiele im Weltkrieg zurückdenken. „Wenn eine Bombe eingeschlagen ist, haben wir als Kinder danach Splitter gesammelt und dann verglichen, wer den dicksten Splitter hat“, sagt Zurmühl und ist selbst erstaunt, wie viel sie noch von den alten Zeiten weiß, die mehr als 70 Jahre zurückliegen. Vieles sei hängen geblieben und werde im Kopf immer präsent sein.
Wissen mit anderen teilen
Dieses Wissen mit anderen zu teilen und verschüttete Erinnerungen wieder wachzurütteln, „das ist der Kern dieses Stammtischs“, sagt Zurmühl voller Überzeugung und hofft im neuen Jahr auf Menschen über 80 Jahre, die sich zu ihr gesellen.
Jeden ersten und letzten Mittwoch im Monat soll es den Stammtisch im Pilgrimhaus in der guten Stube geben.
Stammtisch im ehemaligen Andernach
Für die älteren Semester dürfte das Hotel und Restaurant auch unter dem Namen Andernach am Jakobitor bekannt sein. Die gute Stube ist problemlos sowohl mit dem Rollstuhl als auch mit Rollator und Krückstock zu erreichen. So haben alle Älteren die Möglichkeit, am Stammtisch teilzunehmen.
Es handelt sich hierbei nicht um einen Verein, sodass auch keine Gebühren anfallen. „Ich habe bereits Mundpropaganda gemacht. Und viele sagten, dass dieser Stammtisch eine gute Idee ist. Ich freue mich auf jeden, der kommt“, sagt Zurmühl.