Soester kaufen weniger Bio-Produkte

Mehr Sonderangebote, weniger Bio. Die Kaufzurückhaltung bei Verbrauchern ist in Soest spürbar geworden; besonders in der Bio-Branche gehen weniger Produkte übers Band. Die Auswirkungen für Landwirte und die Reaktionen verschiedener Lebensmittelmärkte im Überblick.
Soest – Trockenheit, Lieferengpässe, Personalmangel – und natürlich die steigenden Kosten für Energie und Dünger. Die Liste ist lang, weswegen Lebensmittel in den Regalen der Supermärkte dieses Jahr teurer geworden sind. Die steigenden Preise haben das Einkaufsverhalten vieler Menschen in Soest verändert; besonders in der Bio-Branche macht sich das bemerkbar.
Sinkende Umsätze bei Bio-Produkten: Soester „Lebensgarten“
Der Soester „Lebensgarten“ verzeichnete im Jahr 2022 einen Rückgang der Umsätze von ungefähr zehn Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019. Das berichtet Hendrik Sauermann, einer der Geschäftsführer des Soester „Lebensgartens“. Die Corona-Jahre 2020 und 2021 seien ihm zufolge nicht repräsentativ gewesen, weil es in diesem Zeitraum eine enorm gestiegene Nachfrage nach Bio-Produkten gab, die im Jahr 2022 in Gänze einbrach. Gründe für das sich rasch ändernde Kaufverhalten seiner Kunden sieht Sauermann zum einen bei den gestiegenen Energiepreisen. Andererseits sei die Unsicherheit der gegenwärtigen weltpolitischen Lage ein weiterer Auslöser für diese Entwicklung.
Sinkende Umsätze bei Bio-Produkten: „Kunden schauen zunehmend auf den Preis“
„Blicken wir auf die Märkte, so stellen wir fest, dass mit der Verteuerung vieler Lebensbereiche die Menschen beim Einkauf von Nahrungsmitteln zunehmend auf den Preis schauen“, ist sich auch Josef Lehmenkühler, Vorsitzender des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Soest, über die Veränderung des Kaufverhaltens der Verbraucher im Klaren. Höherpreisige Produkte würden kaum noch Absatz finden, ob Fleisch mit höheren Tierwohlstandards, Bio-Produkte oder sehr arbeitsintensive Erzeugnisse, so der Landwirt.
Sinkende Umsätze bei Bio-Produkten: Edeka und Rewe
Je teurer die Lebensmittel, desto mehr kaufen die Kunden beim Discounter oder „greifen vermehrt zu Sonderangeboten, aber weniger zu Bio-Produkten“, schildert Karsten Nüsken, Geschäftsführer von Edeka Nüsken, ebenfalls das Verbraucherverhalten seiner Kunden. Rewe Dortmund teilt diesbezüglich auf Anfrage mit: „Wir verzeichnen einen leichten Rückgang, auch bei Bio-Artikeln. Das Narrativ, dass jetzt massenweise Verbraucher keine Bio-Produkte mehr kaufen, stimmt aber so nicht. Sie sind einfach preissensibler geworden.“
Sinkende Umsätze bei Bio-Produkten: „Das ist für uns Landwirte ein Riesenproblem“
Diese Entwicklung hat außerdem Auswirkungen auf die Produzenten von Bio-Produkten im Lebensmittelbereich. Habe im letzten Jahr der Lebensmitteleinzelhandel noch sehr werbewirksam sein Bekenntnis zum Tierwohl kundgetan, werde in diesem Jahr die Werbung mit Sparpreisen dominieren, nimmt Lehmenkühler wahr. „Das ist für uns Landwirte ein Riesenproblem“, sagt er. „Wenn wir beispielsweise in den Umbau von Ställen investiert haben, sind wir gebunden, die Investition muss sich ja irgendwann tragen“, erklärt er die Lage vieler Bauern im Kreis Soest.
Sinkende Umsätze bei Bio-Produkten: Deutschlandweite Situation
Auch auf Bundesebene sind die Folgen der Inflation deutlich spürbar: Die gesamte Branche für Bio-Lebensmittel steuert 2022 auf das erste Umsatzminus in ihrer Geschichte zu. „Der deutsche Öko-Markt schrumpfte 2022 zum ersten Mal in seiner Geschichte“, heißt es in einem Marktbericht des Deutschen Bauernverbands zum Jahreswechsel.

Sinkende Umsätze bei Bio-Produkten: Folgen der Krisen für die Landwirtschaft
Dem Vorsitzenden des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes, Josef Lehmenkühler, zufolge habe die Verknappung und Verteuerung der Energie die Landwirtschaft nicht nur direkt, sondern auch auf Umwegen getroffen. Dünger sei im Frühjahr beispielsweise um ein Mehrfaches teurer als in der Vergangenheit gewesen. Hinzu seien Lieferengpässe und Wartezeiten in vielen Zulieferbereichen und im europäischen Vergleich hohe Löhne gekommen. „Alles zusammen führte zu Teuerungsraten bei Lebensmitteln“, erklärt Lehmenkühler. Auch die Trockenheit spielte eine Rolle. Die Folgen waren nicht nur für Landwirte, auch für Förster und Spaziergänger am Möhnesee im Zuge starker Windböen spürbar. Zahlreiche Buchen wurden entwurzelt; auch weil sie anfälliger geworden sind.
JAHRESRÜCKBLICK 2022: Meinung der Landwirte im Kreis Soest
Für die heimische Landwirtschaft habe das Jahr 2022 – wie für viele andere Wirtschaftsbereiche auch – große Unsicherheiten mit sich gebracht, sagt der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Kreisverbandes Soest, Josef Lehmenkühler. Das nun beendete Jahr sei besonders von zwei Faktoren geprägt gewesen, in erster Linie von den Auswirkungen des Krieges, der vieles zur Mangelware mit hochschnellenden Preisen habe werden lassen und weiter von der extrem trockenen Witterung im Sommer, berichtet der Landwirt.