Soester Mittelalterfreunde luden zum Pfingstlager

Soest - Norbert von Ospel ist der Fähnleinschreiber. Schwarz die Kappe, schwarz der Talar, so steht er unterm Zeltdach im Freiluft-Scriptorium. Den Federkiel senkt er in selbst angemischte Eisengallus-Tinte. „Galläpfel und Metall, verblasst ein wenig mit der Zeit und wird bräunlich-rötlich“, erklärt der Schreibgelehrte, horcht, was eine Frau ihm zu berichten hat und kratzt weiter übers Pergament.
Der brave Cornelius macht jetzt beim Schmied die Lehre und überhaupt eine gar prächtige Figur? Gut, die Nachwelt soll es erfahren, was hier im Lager sich so tut.
Wir schreiben das Jahr 1444, jedenfalls so ungefähr: Die Soester Mittelalterfreunde haben ihr Pfingstlager aufgeschlagen. Küche, Schmieden, Met-Taverne, dazu mehr als 30 Zelte zum Wohnen und Schlafen. Es ist was los im Soester Norden auf der Wiese am Vereinsheim der Einigkeit-Schützen.
Drei Tage lang entführt der Zeitsprung in die Jahre der Soester Fehde. Die Klopperei mit den Kölnern am Wall ist alle zwei Jahre ein schönes Spektakel, die nachgespielte Fehde lockt Gäste in die Stadt; dieses Jahr ist es wieder so weit, und die Mittelalterfreunde sind mittendrin. Muss er sich wieder auf was gefasst machen, der Kölner...
Etwa auf Uli Post und Jürgen Weber, zwei Kerle aus der Handrohr- und Kanonierstruppe. Wenn die ihren Luntenberger öffnen, wird’s ungemütlich: Ruckzuck ist die mobile Artillerie mit Pulver und Kugeln geladen. „Das haute den stärksten Ritter aus dem Sattel“, gluckst Jürgen Weber. So um 1300 oder auch schon etwas früher seien diese Waffen dokumentiert, die Soester Handrohrkanoniere mit ihrem Wissen und Geschick eine Seltenheit: „Weil die meisten sich mit den großen Kanonen befassen, so ab den Preußen...“.
Die Meisten sind friedliche Zivilisten
Genug vom Schlachtgetümmel, denn die meisten Mittelalterfreunde sind Zivilisten, das unterstreicht der Vorsitzende Markus Dolch: Handwerker, Kaufleute, friedliche Soester eben. Und wie die so lebten, das stellen die Mittelalterfreunde nach. 200 Mitglieder hat der Verein derzeit, erzählt Dolch weiter – längst nicht nur Soester. Wie etwa der Fähnleinschreiber: Magister Norbert kommt aus dem Oberbergischen und hat einen Narren an den Soestern gefressen: „Macht Spaß“, sagt er. „Hier wird das Mittelalter neu entdeckt. Das ist was anderes, als nur zu lesen oder Vorträge zu hören.“
„Prosit“, klingt es lauthals über die Wiese: „Met-Werner“ hat eingeschenkt. Ein paar Schritte weiter klopfen Karin Thiele, Ingrid Ehlers und Karin Reichart das Schweinefleisch weich: Wenigstens 80 Mäuler wollen gestopft sein. Steakpfanne wird es geben, erzählen die drei. Und Spätzle mit eingezogenem Kappes, dazu als Nachtisch Rhabarber mit Erdbeerkompott und Hirse. Kartoffeln, Tomaten, Paprika? „Gab’s damals nicht, gibt’s deshalb auch heute nicht.“ Sagt Wolfgang Ehlers, im erweiterten Vorstand für das Lagerleben zuständig.
Schön in passender Gewandung möchte nicht nur Ehlers die Soester sehen: „Woanders funktioniert das, dass eine ganze Stadt sich mittelalterlich kleidet.“ Sind die Soester zu zurückhaltend? „Vielleicht wissen sie nicht an passende Gewänder zu kommen“, vermutet Ehlers und hat gleich einen Tipp: „Die Kleiderschneiderei im Eselstall. Ruth Reismann hilft bestimmt.“ Ob’s bezahlbar sei? Ehlers: „Klar doch. Gewiss.“
„Prosit!“ schallt es über die Wiese. Met-Werner hat schon wieder eingeschenkt.