Soester Kampf gegen die Rabenvögel: Die Krähen liegen nach Punkten vorn

Was hilft, den Konflikt zwischen Mensch und Krähe zu befrieden, wenn es die Vergrämung nicht schafft? Der Nabu hat dafür ein Konzept geschrieben.
Soest – In diesem Jahr war der Wettlauf schnell beendet – und es gab einen eindeutigen Sieger: Weil mindestens eine von ihnen bereits ein Ei in ihr Nest gelegt hatte, müssen die Soester Krähen in diesem Jahr nicht mehr fürchten, dass der Mensch ihre Behausung (zer-)stört: Mit Beginn der Brutzeit musste die Stadt ihre Vergrämungsmaßnahmen unverzüglich einstellen. Mit einem K.o. in der ersten Runde ging der Kampf Mensch gegen Vogel zuvor in Soest noch nicht aus. Nach Punkten allerdings liegen die Tiere lange schon vorn: Aller Vergrämung zum Trotz sind sie noch da.
Immerhin wird der zwangsläufige Verzicht auf die Entfernung von Nestern eine recht eindeutige Antwort auf die Frage liefern, wie effektiv die Maßnahmen wirklich sind. Bisher ließ sich feststellen, dass es gelingen kann, ein Brutpaar im Einzelfall davon abzuhalten, in einem bestimmten Baum zu brüten. Die Zahl der Brutpaare insgesamt allerdings ist lange immer nur gestiegen, zuletzt stagnierte sie auf hohem Niveau bei rund 1700. Schon 2018 hat der begleitende Ornithologe in Zweifel gezogen, dass das Entfernen der Nester Dreck und Lärm nennenswert reduziert. „Es könnte sogar sein, dass infolge des Fehlens territorialer Brutvögel die Bäume erst recht als bevorzugte Ruheplätze [...] genutzt werden“, schrieb er damals in seinem Abschlussbericht.
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Krähen brüten in der Soester Innenstadt: Genehmigung auf wackeligen Füßen
Die „hohe hygienische Relevanz“ aber ist das Hauptargument, das die Stadt anführt, um überhaupt vergrämen zu dürfen. In diesem Jahr hat die Untere Naturschutzbehörde (Kreis Soest) das für drei Standorte – entlang der neu gestalteten Radwege am Ring – abgelehnt. Insgesamt steht die Vergrämung auf wackeligen Füßen. So hat die Bezirksregierung erklärt, dass sich „zukünftige Genehmigungen an den dokumentierten Ergebnissen der genehmigten Vergrämung und den Ergebnissen der zahlreichen vorherigen Versuche orientieren müssen“. Ob die Maßnahmen „zwingend“ seien, hänge mit davon ab, „ob sie wirken“.
Solange eine friedliche Koexistenz von Stadtbewohnern und Krähen unrealistisch erscheint oder sich am Schutzstatus der Vögel etwas ändert, ist die Frage nach Alternativen zur Vergrämung wesentlich. Karl Rusche ist Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Rabenvogelschutz beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Der Sassendorfer ist nicht etwa der Ansicht, dass die Krähen in der Innenstadt gut aufgehoben wären. Auch er sagt: Stadtvögel sind diese Tiere nicht. Im Gegenteil sei das urbane Leben für die Vögel in vielfacher Hinsicht eine Zumutung, Licht zum Beispiel bedeute eine Menge Stress, alle Instinkte schlügen Alarm, wenn es nachts nicht wie vorgesehen dunkel sei.
„Lebensgrundlage der Saatkrähen auf dem Land zerstört“
„Saatkrähen sind urprünglich Vögel der freien Feldflur“, schreiben Rusche und seine Mitstreiter in einem „Konzept für eine Aufhebung von Konflikten mit innerstädtischen Saatkrähenkolonien“, sie seien in städtische Umgebungen gezogen, weil durch Fällung von Brutgehölzen, legale und illegale Bejagung und Intensivierung der Landwirtschaft ihre Lebensgrundlagen auf dem Land vernichtet wurden. Die Lösung laut Nabu: Eine langfristig angelegte Umsiedlung. Sie könne aber nur gelingen, wenn alle Akteure – Politik, Behörden, Bürger, Landwirte, Jägerschaft, Medien – an einem Strang ziehen. Den Saatkrähen müsste eine Alternative geboten werden. Dafür müsste sich die Stadt Nutzungsrechte für (mehrere) Flächen im Umland sichern. Ein Brutplatz könnte zum Beispiel so aussehen: Ein Hektar Fläche mit Baumbestand, drum herum acht Hektar für die Anlage von Weiden oder Graslandschaft. „Störungen dieser Standorte sind auf ein absolutes Minimum zu reduzieren.“
Auf Soest ist das Konzept bisher nicht zugeschnitten, ein Angebot hat die Stadt bislang ausgeschlagen – was die Bezirksregierung bereits „bedauert“ hat, halte sie doch die gemeinsame Erarbeitung eines Konzeptes mit der Stadt Soest für begrüßenswert und prinzipiell auch finanziell förderfähig. Auf Nachfrage erklärt Stadtsprecher Thorsten Bottin, die Verwaltung werde „nun die Gespräche mit der BAG beginnen“. Einen langen Atem würden die Anwohner von Brutkolonien aber brauchen. Der Nabu geht für Alternativflächen, die noch nicht den entsprechenden Baumbestand haben, von einem Zeitraum von 30 Jahren aus.