Die Gründe dafür seien immer wieder die gleichen: Niemand könne derzeit mit Sicherheit sagen, wie teuer tatsächlich ein Neubau wird oder wann er fertig wird, und gleichzeitig stiegen die Zinsen für Finanzierungen deutlich an. „Wenn Kunden dann noch einmal rechnen und feststellen, dass die ursprüngliche Kalkulation nicht mehr gilt und die tatsächlichen monatlichen Belastungen sie überfordern, ist es mehr als verständlich, wenn sie einen Rückzieher machen“, so Warsany.
Im Zuge dieser Entwicklung rücke auch bei der Beratung der Kunden immer mehr in den Fokus, dass die mit einem Hausbau verbundenen Belastungen realistischerweise auch langfristig getragen werden könnten.
Ins Grübeln kämen aber auch zunehmend private Investoren, die im Bau oder dem Erwerb einer Immobilie nicht länger eine attraktive Anlageform sähen – und ihr Geld lieber bei der Bank ließen, unter anderem in der Hoffnung auf steigende Zinsen. „Nur wer bewährte Netzwerke hat, zum Beispiel Generalunternehmer, auf die er sich verlassen kann, wagt es derzeit noch, angesichts der vielen Risiken bei Materialkosten und Materialbeschaffung sein Geld in ein Bauprojekt zu stecken“, ist die Einschätzung von Kai Warsany.
Von der Entwicklung betroffen sind auch Bestandsgebäude: Zwar sei, so Warsany, das Interesse an ihnen nach wie vor groß, unter anderem, weil die Kosten in diesem Fall besser planbar seien als bei einem Neubau, allerdings schreckten auch hier viele Interessenten angesichts der Zinsentwicklung vor einem Kauf zurück – was sich auch bereits bei den Verkaufspreisen für Häuser zeige.
Auch bei der NRW.Urban, die die Baugrundstücke im neuen Wohngebiet Soest-Nord vermarktet, ist zu spüren, dass potenzielle Hausbauer oder -käufer immer öfter vor einer Investition zurückschrecken, deren Höhe sie noch gar nicht genau abschätzen können. Die Vermarktung des ersten Bauabschnittes mit rund 200 Grundstücken ist weitgehend abgeschlossen, die ersten Häuser sind dort bereits bezogen – für den zweiten Abschnitt lief die Frist für die Anmeldung eines Kaufinteresses im Sommer ab.
Kirsten Liene, die die Vermarktung federführend betreut, zieht eine Zwischenbilanz: „Dass Reservierungen für Baugrundstücke zurückgenommen werden, ist nicht ungewöhnlich und kommt auch im Soester Norden vor. Nicht immer wird das von den Interessenten begründet. Es ist aber richtig, dass das in einigen Fällen mit finanziellen Problemen begründet wird“, erklärt sie – und verweist darauf, dass die Vermarktung für den ersten Bauabschnitt noch vor der Kostenexplosion auf dem Bausektor begonnen habe.
Bislang sei das Interesse an einer Reservierung für eins der insgesamt 130 Baugrundstücke im Abschnitt 2 ähnlich groß wie das für den ersten Abschnitt – ob aus den bislang rund 30 unverbindlichen Reservierungen aber auch tatsächlich Käufe würden, sei noch nicht abzusehen.
Alles andere als positiv wirkt sich die gravierende Kostensteigerung beim Bauen natürlich auch dort aus, wo Menschen mit sehr geringen Einkommen möglichst preisgünstigen Wohnraum brauchen – denn neu zu bauen, ist für renditeorientierte Investoren so gut wie unmöglich. Und mit den Zwängen des Marktes muss auch der staatlich geförderte Wohnungsbau klar kommen.
In Soest wurde dafür eigentlich die WohnBau Soest (WBS) als Gemeinschaftsunternehmen von Stadt und Stadtwerken gegründet. Die bisherige Bilanz liest sich allerdings eher bescheiden: Auf dem Gelände der ehemaligen Adamkaserne werden zwei Gebäude mit insgesamt 18 preisgünstigen Wohnungen gebaut. Weitere Projekte, so erklärte Stadtwerke-Chef Andre Dreißen erst vor einigen Tagen in einem Anzeiger-Interview, seien derzeit nicht geplant.