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Soester Arzt spricht Klartext: „Es wird zu einer Durchseuchung kommen“

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Von: Daniel Schröder

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In Innenräumen sollen die Hygiene-Regeln laut Dr. Ebbinghaus weiter beachtet werden. (Symbolfoto)
In Innenräumen sollen die Hygiene-Regeln laut Dr. Ebbinghaus weiter beachtet werden. (Symbolfoto) © Philipp von Ditfurth/dpa

Die Ablehnung der Impfpflicht durch die Politik sei „eine richtige Entscheidung“ gewesen, sagt Dr. Heinz Ebbinghaus, Sprecher der Ärzte im Kreis Soest.

Kreis Soest – Es müsse ein Bewusstsein dafür herrschen, dass die Impfung „nicht unbedingt vor einer Ansteckung schützt“, sondern „meistens vor schweren Verläufen“. Durch eine Impfpflicht könne der Virus-Ausbreitung also wenig entgegengesetzt werden. „Die Politik muss nun erklären, dass wir langfristig mit dem Virus leben müssen – ähnlich wie mit der Grippe. Es werden jedes Jahr Menschen daran erkranken und manche vielleicht auch sterben. Das Impfen schützt vor schweren Verläufen!“ Trotz der abgesägten Impfpflicht sieht Ebbinghaus eine moralische Verpflichtung.

Dr. Uwe Reinhold, stellvertretender ärztlicher Direktor des Klinikums Stadt Soest, betont: „Wichtig ist, dass sich auch ohne eine gesetzliche Verpflichtung die Menschen impfen bzw. boostern. Gerade weil die Hygiene-Maßnahmen stark gelockert wurden, darf die Aufrechterhaltung des Impfschutzes keinesfalls aus den Augen verloren werden.“ Es sei „bedauerlich, dass die noch nicht erstgeimpften Bürger sich nur schwer umstimmen lassen“. Hauptsächlich würden Zweit- und Boosterimpfungen „und leider kaum Erstimpfungen“ verabreicht. Im April wurden im Klinikum bisher 14 Corona-Patienten stationär versorgt – einer von ihnen intensivmedizinisch. Zwei waren ungeimpft, drei hatten einen unklaren Impfstatus. „Schwere Verläufe sind bei geimpften Patienten die große Ausnahme. Long-Covid sehen wir durchaus auch, hier sind nach unserer Erfahrung vor allem jüngere Menschen betroffen.“

Dr. Heiner Hof, der Oberarzt der Klinik für Lungenheilkunde sowie leitender Hygienearzt des Marienkrankenhauses, das zusammen mit dem Werler Mariannen-Hospital zum Hospitalverbund gehört, sagt: „Wir sehen in der Impfung einen wichtigen Schritt zu Bewältigung der Pandemie. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat das Marienkrankenhaus drei Monate lang durchgehend eine große Impf-Aktion im Bus angeboten und hierbei weit über 2.000 Bürger geimpft.“

Hof weiter: „Im Marienkrankenhaus haben wir im April mittlerweile 47 COVID-Patientinnen und -Patienten behandelt. Über 90 Prozent davon sind geimpft und erleben einen leichteren Verlauf der Erkrankung. Aber Omikron kann durchaus schwere Verläufe auslösen, diese sehen wir dann vorwiegend bei den Nicht-Geimpften. Insgesamt haben wir auf der Intensivstation im April zwei Patienten behandelt. Grundsätzlich ist von den COVID-Erkrankungen die ältere Generation stärker betroffen. Hier liegen natürlicherweise häufig weitere Erkrankungen vor. Daher ist in der Generation die Impfung umso wichtiger. Wir machen mittlerweile gute Erfahrungen mit den neuen Medikamenten, die gegen COVID-19 eingesetzt werden können. Hier gilt es individuell sehr genau zu schauen, was der Patient benötigt bzw. wie sein Status ist. Aber Dank des richtigen Einsatzes der Medikamente kann es zu wirklich signifikanten Verbesserungen des Zustandes kommen.“

Impfstelle des Kreises: Aktuell noch 150 bis 250 Impfungen pro Woche

In der Impfstelle des Kreises gibt es aktuell 150 bis 250 Impfungen pro Woche. Insgesamt verabreiche die Koordinierende Covid-Impfeinheit mit den mobilen Impfaktionen zusammen im Kreisgebiet wöchentlich rund 600 Impfungen, berichtet Kreis-Sprecherin Birgit Kalle. Wegen der mangelnden Nachfrage ist die Impfstelle nur noch einmal pro Woche geöffnet. „Sofern die Nachfrage weiter nachlässt, ist auch ein Standby-Betrieb denkbar.“ Erhalten bleibt die Impfstelle aber mindestens bis zum 31. Dezember.

Heinz Ebbinghaus lobt die Zusammenarbeit der niedergelassenen Ärzte und des Kreises: „Die Hausärzte würden die Impfungen auch allein schaffen. Aber jeder, der geimpft wird, egal durch wen, ist ein wichtiger Schritt nach vorne.“

Coronavirus: „Für diejenigen, die keine Symptome haben, macht eine zehntägige Isolation wenig Sinn

Laut Ebbinghaus sei „die Zeit nun reif, dass sich die Quarantäne- und Testverordnung ändern muss“. „Es wird zu einer Durchseuchung kommen. Doch für diejenigen, die keine Symptome haben, macht eine zehntägige Isolation wenig Sinn. Die Lockerungen sind gut und wichtig.“ In Innenräumen mache die Maske weiter Sinn. „Das Virus verbreitet sich über die Luft – man kann sich die Hände geben. Im Idealfall trägt man drinnen eine FFP2-Maske und hält Abstand – in Innenräumen gilt: Distanz schafft Nähe.“

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