Anfang Juli hatte sich der Chirurg von den Kollegen am Klinikum verabschiedet. Nach vielen Wochen der Schulungen und Vorbereitung auf seinen 14-monatigen Aufenthalt im ewigen Eis ging es mit Zug und Flugzeugen über Bremen, Oslo, Prag, den Tschad und Kapstadt zu „Neumayer III“ – der Forschungsstation des Alfred-Wegener-Institutes (AWI) in der Atka-Bucht.
Die letzte Etappe hatten die insgesamt 17 Neuankömmlinge erst vor einigen Tagen per Spezialflugzeug zurückgelegt, nachdem sie mit einer großen Boeing von Südafrika kommend zunächst an der norwegischen Troll-Station gelandet waren. „Ein sehr besonderes Erlebnis, mit so einer großen Maschine auf schierem Eis zu landen“, bekam Peter Frölich einen beeindruckenden Vorgeschmack auf seinen neuen Wohnort und Arbeitsplatz.
Der Empfang für den Soester Arzt und seine Begleiter durch die aktuell 31 Personen starke Besatzung der Neumayer III, die sie ablösen, fiel – Weihnachten hin oder her – auf den ersten Blick frostig aus. Das lag allerdings einzig und allein daran, dass mit allen Mitteln verhindert werden sollte, die seit Monaten in der Station isolierten Männer und Frauen mit Covid oder anderen ansteckenden Viren zu infizieren.
„Trotz intensiver Tests und strikter Quarantäne auf dem Weg von Europa in die Antarktis müssen wir hier vorsichtig sein, konsequent Masken tragen und für die ersten Tage jeglichen Kontakt zwischen den beiden Gruppen vermeiden“, erklärt Peter Frölich, der als einziger Mediziner die Forschungsstation in den nächsten Monaten auch leiten wird.
Ein Coronaausbruch könnte für die Bewohner nicht nur schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben, ganz sicher würde das auch zu einer Unterbrechung vieler Forschungsprojekte führen – und damit zu einem immensen finanziellen Schaden.
Schon lange vor Corona galt bereits ein striktes Verbot für das Mitbringen von Pflanzen – die beiden Weihnachtsbäume, die in diesen Tagen zur „festlichen Stimmung“ in der Station beitragen sollen, sind daher aus virologisch unbedenklichem Plastik. Das hat immerhin den Vorteil, dass sie den Rest des Jahres im Depot verbringen können und ihnen so weite Wege erspart bleiben.
Sehr kurz sind zwangsläufig auch die Wege der Bewohner in der nur rund 60 Meter langen Station, die auf im Eis verankerten Stelzen stehend auch den kräftigsten Schneestürmen trotzt und ihren Bewohnern durchaus bescheidenen Komfort bietet: Unter anderem gibt es neben den für die Forschungsprojekte reservierten Bereichen und 15 Schlafräumen verschiedene Sportmöglichkeiten, Dusch- und Waschräume, eine Kantine – und sogar eine kleine Sauna.
An Heiligabend wird die aber voraussichtlich kalt bleiben, stattdessen soll bei einem Festtagsmenü, einschlägiger Musik und – genau – den bereits erwähnten Kunststofftannen zumindest ansatzweise weihnachtliche Stimmung aufkommen.
Benannt nach dem Geophysiker Georg von Neumayer wurde die Forschungsstation des Alfred-Wegener-Institutes (AWI) als Nachfolger der beiden Vorgängerstationen in der Antarktis am 20. Februar 2009 in Betrieb genommen. Sie steht auf dem Ekström-Schelfeis. Die Plattform der Station ruht auf 16 Stelzen sechs Meter über dem Eis, auf ihr sind auf zwei Ebenen modulare Elemente verbaut.
Auf üppige Dekoration wird Peter Frölich dabei allerdings ebenso verzichten müssen wie auf andere Mitbringsel aus der Heimat. Die wenigen, die gestattet waren, sind derzeit noch in einer Kiste mit persönlichen Gegenständen auf der „Polarstern“ unterwegs – irgendwo zwischen Kapstadt und der Neumayer III.
Erst um die Jahreswende herum wird das Versorgungsschiff mit jeder Menge Ausrüstung für die Station – und der Kiste für Peter Frölich – an ihrem Ziel erwartet.
Schon an Heiligabend auspacken kann er aber zwei Geschenke, die ihm Tochter Sophie mit gegeben hatte und für die er in seinem leichten Gepäck für die ersten Tage im ewigen Eis Platz geschaffen hatte. Über die wird sich Peter Frölich besonders freuen. Das ist ebenso sicher wie seine weiße Weihnacht.