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Würden Sie auf Gelbe Tonne umstellen?

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Würden Sie von gelben Säcken auf die gelbe Tonne umsteigen?
Würden Sie von gelben Säcken auf die gelbe Tonne umsteigen? © Peter Dahm

Die anhaltend ablehnende Haltung der Entsorgungswirtschaft Soest (ESG) zur Umstellung auf die gelbe Tonne nahm die Werler SPD zum Anlass, das Thema auf die Tagesordnung des Betriebsausschusses zu bringen. Wir haben uns umgehört, was von dem Thema gehalten wird.

Soest/Werl – Die anhaltend ablehnende Haltung der Entsorgungswirtschaft Soest (ESG) zur Umstellung auf die gelbe Tonne nahm die Werler SPD zum Anlass, das Thema auf die Tagesordnung des Betriebsausschusses zu bringen. Die Sozialdemokraten beantragen auch die Umstellung auf die Tonne ab 2024: der frühest mögliche Zeitpunkt dafür. Dennoch laufen Gespräche zwischen der ESG und den Städten und Gemeinden zum Thema zum zweck der Meinungsbildung.

Die Diskussion zeigt das Für und Wider, auch wenn eine Umstellung derzeit gar nicht möglich wäre. Sie zeigt aber auch, dass es zum Thema Müll, Entsorgung und Recycling viel zu sagen gibt: Produzieren wir zu viel Müll und Plastik?

„System des Recyclings muss sich ändern“, Nikolaus Windsheimer, Entsorgungswirtschaft Soest

Zum jetzigen Zeitpunkt fehlen die Voraussetzungen, um diese Frage abschließend beantworten zu können. Zunächst ist es eine Entscheidung der dualen Systeme, in welcher Form Leichtverpackungen (LVP) aus Kunststoffen, Verbundstoffen und Metallen gesammelt werden. Kommunen haben lediglich die Möglichkeit, gewisse Rahmenvorgaben hinsichtlich einer möglichst effektiven und umweltverträglichen Erfassung zu machen.

Genau daran scheiden sich die Geister. Für die Abfallwirtschaft im Kreis Soest stellt sich schon die Frage, ob eine getrennte Erfassung von gemischten Leichtverpackungen an sich umweltverträglich ist, wenn zwar mit hohem Aufwand und unter Einsatz modernster Technik viel aussortiert wird, aber im Ergebnis wird nur ein geringer Anteil sinnvoll recycelt. Die überwiegende Menge wird auf langen Transportwegen in Verbrennungsanlagen fern ab entsorgt, anstatt diese nicht recycling-fähigen Abfälle von vorneherein ohne Umwege energetisch zu nutzen.

Die Getrenntsammlung in einer zusätzlichen Tonne verursacht erhebliche Mehr-Belastungen für die Umwelt. Diese sind nur zu rechtfertigen, wenn die Umwelt anschließend durch echtes Recycling entlastet wird. Das wird z.B. eindeutig erreicht bei der Papiertonne und bei der Biotonne.

Hier gibt es einen funktionierenden Wertstoffkreislauf, der die zusätzliche Tonne auf den Grundstücken rechtfertigt. Ganz anders sieht es leider derzeit bei dem Inhalt der gelben Säcke aus.

Voraussetzung für eine fest an allen Grundstücken etablierte Tonne wäre, dass die Verpackungen aus verschiedensten Materialien, Verbunden und störenden Verunreinigungen in den kommenden Jahren grundlegend in Richtung sortenrein recyclingfähiger Verpackungen umgestellt werden. Erste Ansätze dazu gibt es bei Herstellern und Handelsketten. Erst in den kommenden Jahren wird sich zeigen, ob die Umstellung gelingt oder ob nicht ganz andere Lösungen für die Förderung des Recyclings erforderlich sind, wie zum Beispiel der Ausbau von Pfandsystemen.

Bis zum nächsten Zeitpunkt (Ende 2023), an dem Kreis und Kommunen die Gelegenheit haben, gemeinsame Rahmenvorgaben zur eventuellen Systemänderung zu erlassen, kann und sollte daher die weitere Entwicklung abgewartet werden.

„Menge an Verpackungsmüll ist das Problem“, Jörg Schad Klimatreff Werl

Die angestoßene Diskussion „Gelber Sack“ oder „Gelbe Tonne“ ist für uns, dem Klimatreff Werl, ein willkommener Anlass, Stellung zu beziehen: Die Diskussion geht am Kern der Sache völlig vorbei – der viel zu großen Menge an Verpackungsmüll. Die Diskussion um die Müllvermeidung muss das Ziel sein!

Deutschlandweit reden wir über ca. 220 kg Verpackungsabfall pro Kopf und Jahr. Alleine für Werl heißt das ca. 7000 Tonnen Verpackungsmüll pro Jahr!

Mit dem grünen Punkt (DSD)/Gelber Sack, eingeführt 1990, sollte sich der Verpackungsmüll in Deutschland reduzieren, das ist in mehr als 30 Jahren leider nicht geschehen. Das Recycling fällt deutlich geringer als geplant – und das trotz unseres persönlichen Engagements bei der Mülltrennung.

Verpackungsmüll vermeiden, aber wie?

Es gibt diverse Möglichkeiten, Verpackungsmüll schon beim Einkaufen zu vermeiden bzw. zu reduzieren: Kauf von Lebensmitteln an der Bedientheke oder örtlichen Fachbetrieb, Kauf von Getränken in Mehrwegverpackungen, Obst/Gemüse auf dem Markt, beim Selbstvermarkter oder als nicht abgepackte Ware im SB-Markt bis hin zum Einkauf im Unverpacktladen. Es ist etwas in Bewegung gegen den Verpackungsmüll, sogar im Handel. Wir müssen dem Handel nur sagen, was wir als verantwortungsvolle Kundinnen und Kunden wollen – weniger Verpackung.

Die Vermeidung von unnötigen Verpackungen bringt uns dem Ziel, schnellstmöglich klimaneutral zu werden, näher als die Diskussion über: „Gelber Sack“ oder „Gelbe Tonne“!

„Die Diskussion um den gelben Sack contra gelbe Tonne greift zu kurz!“, Thomas Schulte und Uwe Jansen, Die Grünen Werl

Gelbe Säcke, die bei Sturm auf der Straße rumfliegen oder mangels ausreichender Stabilität ihren Inhalt in der Gegend verteilen, sind zu Recht ein Ärgernis. Wenn man aber über eine Alternative zu den Säcken nachdenkt, sollte man wenigstens die Wertstofftonne wie in Hamm oder Berlin in Erwägung ziehen, mit der auch Wertstoffe aus Kunststoff oder Metall erfasst werden und dann aber bitte nicht verbrennen, sondern recyceln!

Das Grundproblem bleibt: Wir machen zu viel Verpackungsmüll! Die EU hat Trinkhalme, Einweg-Geschirr, Behälter aus Styropor bereits verboten. Nach dem Bundestag hat am 6. November 2020 auch der Bundesrat zugestimmt. Einwegprodukte aus Kunststoff werden europaweit verboten, ab dem 3. Juli 2021 ist die Herstellung von Einwegplastik EU-weit nicht mehr erlaubt. Das Gebot der Stunde heißt Müllvermeidung. Möglichkeiten gibt es genug, sei es über den Geschirrverleih der Grünen, dem Vorbildladen Theo Tütenlos, konsequentes Verbot von Einweggeschirr bei Stadtfesten, Second Hand Kauf im Caritaskaufhaus, oder lassen Sie den Müll doch einfach gleich im Laden.

„Gelbe Tonnen sind eindeutig im Vorteil“, Kai Schwendrat, KWS Soest eG

Die KWS eG würde die Einführung von gelben Tonnen als Ersatz für die bislang verwendeten gelben Säcke begrüßen.

Nach unserer Meinung bieten die gelben Tonnen insbesondere aus Hygienegründen, aus Sicht des Umweltschutzes, hinsichtlich des Komforts und nicht zuletzt wegen des optischen Eindrucks wesentliche Vorteile gegenüber den gelben Säcken. So würde die Zwischenlagerung der Säcke in den Wohnungen oder Kellern entfallen, der Müll würde bei (z.B. durch Tiere) beschädigten Säcken und starkem Wind nicht mehr in der Gegend verteilt werden, die regelmäßige Besorgung von Nachschub an Plastiksäcken würde fortfallen und die Tonnen würden am Abfuhrtag eine deutlich bessere Ansicht darstellen als Berge von Plastiksäcken.

In der Schaffung der für die Aufstellung der Tonnen benötigten Flächen sehen wir kein wesentliches Problem. Hier sind wir sicher, dass wir für alle unserer Liegenschaften vernünftige Lösungen finden würden.

Kai Schwendrat ist Vorstandsmitglied der Kreis-Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft Soest eG

„Säcke sollten öfter abgeholt werden“, Peter Morgenbrodt, Inhaber „Pier 20“

Als Betreiber eines Café-Restaurants am Möhnesee haben wir ein großes Aufkommen an gelben Säcken. Tonnen für diesen Abfall könnten schon helfen, allerdings müssten diese in unserem Fall auch besonders groß sein, da pro Monat rund 200 Säcke anfallen.

Uns würde es viel mehr helfen, wenn die Säcke nicht monatlich, sondern 14-tägig oder gar wöchentlich abgeholt würden. In den Sommermonaten sind die Säcke eine Brutstätte für Ungeziefer.

„Pier 20“ ist eine Gaststätte am Möhnesee

„Für weitere Tonnen würde der Platz fehlen“, Thorsten Schlieckmann, Hausverwalter Kipp Immobilien

Nur in den wenigsten Mehrfamilienhäuser gibt es derzeit zentrale Sammel- oder Lagerstellen für die gelben Säcke der Bewohner. Diese müssen daher von den Bewohnern – bis zur Abholung – in den eigenen Räumlichkeiten (Wohnungen, Abstellräume oder Keller) aufbewahrt werden.

Eine zentrale Lagerstelle macht insofern durchaus Sinn, denn nicht jeder Bewohner hat dafür ausreichend Platz in seiner Wohnung, vor allem dann, wenn viel recyclingfähiges Material im Haushalt anfällt. Umgekehrt verfügen aber viele Mehrfamilienhäuser nicht mehr über ausreichende Stellflächen für weitere Mülltonnen, zumal bereits der Papiermüll in den letzten Jahren extrem zugenommen hat, und insofern immer mehr Papiertonnen angeschafft werden mussten.

Wenn jetzt noch eine oder mehrere gelbe Mülltonnen aufgestellt würden, fehlt hierfür der Platz. Diese Frage müsste also erst einmal geklärt werden.

„Wechsel zur Tonne würde ich begrüßen“, Ralf Brock, Betreiber Campingplatz

Ja, ich würde einen Wechsel zur gelben Tonne begrüßen.

Auf unserem Campingplatz fallen in der Hauptsaison eine große Menge an gelben Säcken an. Wenn sie zum Abholen rausgelegt werden, ist das auch kein besonders schönes Bild. Die ausgelegten Säcke werden oft von hungrigen Vögeln kaputt gerissen und deshalb verstreut sich der Müll auf der Straße. Dies würde bei den stabilen Tonnen nicht passieren.

Ralf Brock betreibt den ADAC-Campingplatz am Möhnesee

Das sagen die Anzeiger-Leser

Martina Dörfler aus Werl findet die Gelben Säcke besser als die Tonnen. „Die Säcke kann ich so im Keller arrangieren, dass sie wenig Platz wegnehmen.“ Außerdem hätten viele in ihren Mülleimerhäuschen gar keinen Platz mehr für eine weitere Tonne. Ein Hauptgrund für den Sack ist für Dörfler aber auch die Kontrolle über die eigene Müllmenge. „So sehe ich genau, wie viel anfällt. Das kann auch ein Ansporn sein, Müll zu vermeiden.“ Weiteres Argument gegen die Tonne: Die Produktion der Müllgefäße sei mit hohen Investitionen verbunden und koste viel Energie.

Gertrud Krautwurst (81) aus Werl spricht sich auch für den Gelben Sack aus. Sie brauche nicht noch eine große Tonne vor der Tür. Die Säcke könne sie gut im Keller lagern. Krautwurst befürchtet zudem, dass viele Bürger bei einer Tonne ihren Müll nicht mehr richtig sortieren würden. Dem Problem, dass Tiere die Säcke zerreißen, könne man dadurch begegnen, dass die Säcke nicht schon zwei Tage vor dem Abholtermin nach draußen gestellt werden.

Die Frage der Woche

Die „Frage der Woche“ greift ein aktuelles lokales Thema auf und richtet sich an Experten oder anderweitig Betroffene sowie lokale Entscheidungsträger, zum Beispiel Fraktionsvorsitzende oder Unternehmer. Die „Frage der Woche“ erscheint in der Regel donnerstags.

Sie können sich beteiligen: Welches Thema würden Sie gern diskutiert sehen? Was brennt Ihnen auf den Nägeln? Schreiben Sie uns eine Mail an stadtredaktion@soester-anzeiger.de, Stichwort: Frage der Woche

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