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Soest: Verkehrsverbot am Sonntag - so war es, als die Autos stillstanden

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Von: Heyke Köppelmann

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Blick ins Archiv: Bericht in unserer Zeitung am Montag, 26. November 1973.
Blick ins Archiv: Bericht in unserer Zeitung am Montag, 26. November 1973. © Köppelmann

Autofreie Sonntage und leere Straßen in Soest – ein altes Thema ist wieder aktuell. Ein Rückblick: So war es damals.

Soest – Tempolimit, aufs Fahrrad steigen, Verzicht üben, den Wagen mal wieder einen Tag lang in der Garage lassen: Das alles sind Vorschläge, den Sprit-Verbrauch zu drosseln. Die Energiedebatte nimmt Fahrt auf, da sich mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine die Frage nach der Versorgungssicherheit stellt. Nie war der Sprit so teuer wie heute. Es geht auch um den Klimaschutz, weil der Verkehr Tonnen von Kohlendioxid in die Luft pustet. Autofreie Sonntage und leere Straßen – ein altes Thema ist wieder aktuell.

Viele Leser erinnern sich noch an die Ölkrise in den 70er-Jahren, als die Scheichs den Hahn zudrehten. Damals verwandelte sich das ganze Land in eine große Fußgängerzone, das erste Mal am 25. November 1973 und dann an den folgenden Adventssonntagen. Vielerorts eroberten Rad- und Rollschuhfahrer die ansonsten gähnend leeren Straßen. Der Soester Anzeiger berichtete damals: „Auch ohne Automobil wussten sich steuerlose Soester zu helfen“.

Leserforum: Ihre Meinung ist gefragt!

Was halten Sie von einem Fahrverbot an Sonntagen? Erinnern Sie sich noch daran, wie es war, als vernarrte Autofahrer den Zündschlüssel schweren Herzens am Brett hängen lassen mussten? Ausnahmen galten nur für Busfahrer, Rettungskräfte, Ärzte, Diplomaten, Milchlaster-Fahrer und ähnlich wichtige Personen.

Können Sie sich ein Leben ohne Auto vorstellen? Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, auf das Kraftfahrzeug zu verzichten? Schreiben Sie uns. Wir freuen uns über jeden Beitrag, gern per Mail an: stadtredaktion@soester-anzeiger.de; oder an die Postadresse Soester Anzeiger, Schloitweg 19-21, Soest.

Gespenstisch verlassen lagen die Gassen und Trassen der Kreisstadt da. Im Großen und Ganzen nahmen die Bürger die magische Ruhe gelassen und mit viel Disziplin. Sie ließen das Auto stehen, meisterten die neue Situation mit Humor und bereiteten der Schutzpolizei keinen Kummer, wie es in dem Artikel weiter heißt.

Keine einzige Kontroll-Stichprobe des Verkehrsdienstes habe Anlass zur Beanstandung geboten. Der damalige Bürgermeister Walter Klemann stellte fest: „Wie still diese Stadt sein muss, will man sie richtig würdigen.“

Autofreier Sonntag in Soest: Mit der Kutsche in die Stadt

Wieder einmal zeigte sich, dass Krisen auch viel Kreativität frei setzen. Soester Reitsportfreunde wussten die Gunst der Stunde zu nutzen und genossen ihren Ausflug hoch zu Ross durch die Stadt. Auch die Landwirte der Umgebung griffen mit Freuden wieder auf den auf den 1-PS-Hafermotor zurück. Mit Pferd und Kutsche waren sie den Bürgern, die sich auf Schuster Rappen bewegten, an Geschwindigkeit deutlich überlegen. Ein Soester Handwerker, der seinen Rohrreinigungsdienst aufrechterhielt, bewies Gemeinsinn: Obwohl im Besitz einer Ausnahmegenehmigung, setzte er sich nicht in sein Kraftfahrzeug, sondern belud den Bollerwagen, um den Kundendienst zu versehen.

Sieger des Sonntages seien eindeutig die Kirchen gewesen, schrieb der Berichterstatter in der Montagausgabe des Lokalblattes. Die Gottesdienste seien besser als sonst besucht gewesen – „zumal viele auch dazu das Fahrrad nahmen“. Manch anderer habe es sich vor dem Fernseher gemütlich gemacht, obwohl das Programm „des Pantoffelkinos nicht gerade überwältigend war“. Die Gaststätten meldeten „normale Frequentierung“. Das Fazit des Autors lautete: „Bleibt abzuwarten, ob die nächsten freien Sonntage ebenso reibungslos verlaufen. Das hängt nicht zuletzt vom Himmel ab, der gestern Nachmittag rechtzeitig die ersten Schneeschauer dieses Winters niedergehen ließ und damit ohnehin jeden Drang ins Freie erstickte.“

Stau, Umleitung, rote Welle, das alles konnte man sich sparen. Die Autos mussten zuhause bleiben. Für den ein oder anderen eine Gelegenheit, über die Fortbewegung zu Fuß nachzudenken und mit gutem Schuhwerk versehen unterwegs zu sein. Andere fürchteten das Allerschlimmste, wenn so gut wie keiner ein motorbetriebenes Fahrzeug lenken darf.

Ein Liter Diesel für nur 1,06 Mark

Ein Blick ins Archiv zeigt es: Der Liter Diesel kostete Ende November 1973 um die 1,06 Mark – mit dauerhafter Tendenz nach oben. Die Preise sollen so beständig um Pfennige gestiegen sein, dass die Anzeige an den Zapfsäulen leer blieb oder nur Zahlenfragmente aufwies. Mit dem Energiesicherungsgesetz waren Autofahrer angehalten, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Auf Autobahnen galt eine Höchstgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometern, auf Landstraßen durfte die Tachonadel nicht mehr als „80“ anzeigen. Die Regierung mit Kanzler Willy Brandt hoffte, dass es mit diesen befristeten Maßnahmen und rationierten Zuteilungen an Tankstellen gelingt, mit dem Kraftstoff Maß zu halten. Die Leute merkten: „Wir haben ein Problem!“

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