Wieder einmal zeigte sich, dass Krisen auch viel Kreativität frei setzen. Soester Reitsportfreunde wussten die Gunst der Stunde zu nutzen und genossen ihren Ausflug hoch zu Ross durch die Stadt. Auch die Landwirte der Umgebung griffen mit Freuden wieder auf den auf den 1-PS-Hafermotor zurück. Mit Pferd und Kutsche waren sie den Bürgern, die sich auf Schuster Rappen bewegten, an Geschwindigkeit deutlich überlegen. Ein Soester Handwerker, der seinen Rohrreinigungsdienst aufrechterhielt, bewies Gemeinsinn: Obwohl im Besitz einer Ausnahmegenehmigung, setzte er sich nicht in sein Kraftfahrzeug, sondern belud den Bollerwagen, um den Kundendienst zu versehen.
Sieger des Sonntages seien eindeutig die Kirchen gewesen, schrieb der Berichterstatter in der Montagausgabe des Lokalblattes. Die Gottesdienste seien besser als sonst besucht gewesen – „zumal viele auch dazu das Fahrrad nahmen“. Manch anderer habe es sich vor dem Fernseher gemütlich gemacht, obwohl das Programm „des Pantoffelkinos nicht gerade überwältigend war“. Die Gaststätten meldeten „normale Frequentierung“. Das Fazit des Autors lautete: „Bleibt abzuwarten, ob die nächsten freien Sonntage ebenso reibungslos verlaufen. Das hängt nicht zuletzt vom Himmel ab, der gestern Nachmittag rechtzeitig die ersten Schneeschauer dieses Winters niedergehen ließ und damit ohnehin jeden Drang ins Freie erstickte.“
Stau, Umleitung, rote Welle, das alles konnte man sich sparen. Die Autos mussten zuhause bleiben. Für den ein oder anderen eine Gelegenheit, über die Fortbewegung zu Fuß nachzudenken und mit gutem Schuhwerk versehen unterwegs zu sein. Andere fürchteten das Allerschlimmste, wenn so gut wie keiner ein motorbetriebenes Fahrzeug lenken darf.
Ein Blick ins Archiv zeigt es: Der Liter Diesel kostete Ende November 1973 um die 1,06 Mark – mit dauerhafter Tendenz nach oben. Die Preise sollen so beständig um Pfennige gestiegen sein, dass die Anzeige an den Zapfsäulen leer blieb oder nur Zahlenfragmente aufwies. Mit dem Energiesicherungsgesetz waren Autofahrer angehalten, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Auf Autobahnen galt eine Höchstgeschwindigkeit von 100 Stundenkilometern, auf Landstraßen durfte die Tachonadel nicht mehr als „80“ anzeigen. Die Regierung mit Kanzler Willy Brandt hoffte, dass es mit diesen befristeten Maßnahmen und rationierten Zuteilungen an Tankstellen gelingt, mit dem Kraftstoff Maß zu halten. Die Leute merkten: „Wir haben ein Problem!“