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„Altstadt größte Herausforderung“: Heizungsbauer über Wärmewende in Soest

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Von: Wissam Scheel

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Mit Heizungen kennt er sich aus: Tobias Martzock ist Installateur- und Heizungsbauermeister in Soest. Er sieht die Machbarkeit der Wärmewende für eine erfolgreiche Energiewende bis 2045 kritisch.
Mit Heizungen kennt er sich aus: Tobias Martzock ist Installateur- und Heizungsbauermeister in Soest. Er sieht die Machbarkeit der Wärmewende für eine erfolgreiche Energiewende bis 2045 kritisch. © Hillebrand

Installateur- und Heizungsbauermeister Tobias Martzock spricht über die Machbarkeit der Wärmewende in Soest im Interview mit Wissam Scheel.

Soest – Das Ziel ist die Klimaneutralität aller Wohn- und Nichtwohngebäude in ganz Deutschland bis 2045. Ab 1. Januar 2024 soll deshalb jede neu eingebaute Heizung in allen Wohn- und Nichtwohngebäuden zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien gespeist werden. Die Wärmepumpe gilt dabei als der Weg zu dieser geplanten Wärmewende.Tobias Martzock ist Installateur- und Heizungsbauermeister in Soest. Im Interview mit Wissam Scheel sprach er über die Herausforderungen, vor denen seine Branche in Soest steht, wie er die Pläne der Bundesregierung für die Kreisstadt einordnet und ob überhaupt und, wenn ja, wann sich eine Wärmepumpe rentiert.

Kann es Ihrer Einschätzung nach gelingen, dass jedes Wohn- und Nichtwohngebäude in Soest bis 2045 klimaneutral ist?

Das ist eine schwierige Aufgabe für alle Beteiligten – zumindest bis 2045. Es wird sehr aufwendig werden, das in der vorgegebenen Zeit zu schaffen. Dabei sehe ich hier in Soest die Altstadt als größte Herausforderung an. Neben dem reinen Umstieg von fossiler auf erneuerbare Energie spielt bekanntlich insbesondere die Wärmedämmung der Häuser eine wichtige Rolle, um Wärmepumpen überhaupt wirtschaftlich betreiben zu können. Innerhalb der Wälle haben wir einen hohen Bestand an Fachwerk- und Ziegelhäusern. Diese ausreichend zu dämmen, das ist schwierig – auch weil sie teilweise unter Denkmalschutz stehen. Außerdem werden sich in naher Zukunft im Zuge der steigenden Nachfrage dann die Lieferprobleme und der Fachkräftemangel verschärfen.

Wie ordnen Sie die Pläne der Bundesregierung unter diesen Umständen ein?

Der Ansatz ist eigentlich gut, die Umsetzung aber unüberlegt. Die Hauptaspekte wie der Fachkräftemangel, die Lieferproblematik und die mangelnde Investitionsbereitschaft oder -möglichkeit der Hausbesitzer wurde unzureichend bedacht. Der gesamte Rattenschwanz, der sich allein durch diesen Wunsch nach Klimaneutralität dranhängt, der ist möglicherweise größer, als die Regierung zunächst annahm. Ich sehe die Machbarkeit daher kritisch.

Sie haben die Investitionsbereitschaft von Hausbesitzern angesprochen. Wie stark werden Wärmepumpen bei Ihnen aktuell nachgefragt?

Vergangenes Jahr hatten wir sehr viele Anfragen zu Wärmepumpen. Das ebbte wegen der politischen Unklarheiten immer mehr ab. Viele derjenigen, die zunächst eine Wärmepumpe bestellt hatten, sind jetzt abgesprungen und wollen doch eine Öl- oder Gasheizung einbauen.

Welche Gründe vermuten Sie, stecken hinter dieser Entscheidung?

Es sind die Gesamtkosten – mit allem drum und dran. Neben den Kosten der Wärmepumpe an sich kommen Installations- und oft Isolierungskosten obendrauf. Hinzukommt häufig meine Empfehlung, zusätzlich Photovoltaikanlagen zu betreiben.

Wieso empfehlen Sie zusätzlich Photovoltaikanlagen?

Strom wird zukünftig wegen des Ausstiegs aus der Kernkraft und der Kohlekraft knapp und teuer sein. Die Wärmepumpe braucht viel davon. Wärmepumpen sind also nicht per se klimaschonend, sondern können sogar eine Umweltbelastung sein, nämlich dann, wenn sie mit Strom aus fossilen Brennstoffen betrieben werden. Es ist deshalb wichtig, eine umweltfreundliche Energiequelle für den Betrieb zu wählen. Deshalb empfehle ich meinen Kunden meist zusätzlich Photovoltaikanlagen auf dem Dach – auch um eine möglichst klimafreundliche Versorgung sicherzustellen. Das ist natürlich oft mit Investitionskosten verbunden, die viele nicht realisieren wollen oder können.

Wie viel kostet der Einbau einer funktionstüchtigen Wärmepumpe?

Allgemein kann man das nicht genau sagen. Zwischen 20 000 und 40 000 Euro müssen aber in jedem Fall eingeplant werden. Der genaue Preis hängt aber letztendlich von verschiedenen Faktoren ab, wie der Art der Wärmepumpe, der Größe des Hauses, der Art der Installation und den örtlichen Gegebenheiten. Im Allgemeinen sind die Einbaukosten bei Neubauten tendenziell niedriger als bei bestehenden Gebäuden, weil es einfacher ist, das System während der Bauphase zu installieren. Da wären wir wieder bei der Problematik der vielen Altbauten in Soests Innenstadt, bei denen die Installation aufwendig und damit einhergehend teurer ist.

Wann rechnet sich der Einbau einer Wärmepumpe?

Das hängt natürlich von vielen Faktoren ab. Schätzungsweise rechnet sich der Einbau einer Wärmepumpe aber ungefähr nach 30 bis 40 Jahren. Zum Vergleich: Bei einer herkömmlichen Gasheizung beträgt diese Amortisationszeit 15 bis 20 Jahre. Eine Investition würde sich in den meisten Fällen für viele Eigentümer also erst für die nächste Generation lohnen – klar, dass das dann häufig nicht gemacht wird. Aber eine wichtige Rolle spielt auch der Vergleich mit den Betriebskosten der bisherigen Heizung. Wenn von einer ineffizienten Öl- oder Gasheizung auf eine Wärmepumpe umgestiegen wird, können langfristig erhebliche Einsparungen bei den Heizkosten erzielt werden. Bei so einem Beispiel ist die Amortisationszeit natürlich geringer.

Was würden Sie jetzt zum Beispiel einem Besitzer einer älteren Ölheizung empfehlen, der nicht viel Geld investieren kann?

Falls eine umfangreiche Wärmedämmung des Hauses nicht möglich ist, empfehle ich den Umstieg auf eine moderne Gas- oder Pelletheizung. Die sind effizienter und gelten weiterhin als Übergangslösung zur Wärmewende, wohingegen Öl auch mittelfristig keine Zukunft hat.

Welche Risiken bestehen bei der Nutzung einer Wärmepumpe noch?

Lärm ist beispielsweise ein Aspekt, der in der Berichterstattung zu dem Thema häufig keine Erwähnung findet. Einige Wärmepumpen können laut und möglicherweise störend für die Nachbarschaft sein. Da spreche ich aus eigener Erfahrung. Außerdem verbraucht eine Wärmepumpe am meisten Strom, wenn sie bei sehr kalten Außentemperaturen arbeitet. Dann muss sie mehr Energie aufwenden, um die gleiche Wärmemenge zu erzeugen. Wenn die Wärmepumpe für die Raumheizung und Warmwasserbereitung genutzt wird, kann der Stromverbrauch in den Wintermonaten enorm hoch sein. Das ist nicht nur ein großer Strompreisfaktor, sondern auch eine hohe Belastung für das Stromnetz, wenn in Zukunft alle mit einer Wärmepumpe heizen sollen.

Gibt es eine Schwelle, ab welcher Außentemperatur Wärmepumpen nicht mehr effizient nutzbar sind?

Ja. Die genaue Temperatur hängt von der Art der Wärmepumpe der jeweiligen Hersteller ab. Eine Luft-Wasser-Wärmepumpe beispielsweise verliert bei sehr niedrigen Außentemperaturen, typischerweise unter -15 bis -20 Grad, Effizienz. Dann kommt das elektrische Heizungssystem als Backup-System zum Einsatz, das bekanntlich viel Strom verbraucht.

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