Ministerium gibt grünes Licht, doch: Soester Schulleiter lehnen späten Beginn ab

Wie schön wäre es für Schüler, morgens eine Stunde länger im Bett bleiben zu können und ausgeruhter zu sein. Klingt nach einer Fantasie, die vielleicht bald keine mehr ist. Denn die Schulen in Nordrhein-Westfalen dürfen laut NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) den Unterrichtsbeginn in Eigenregie auf bis neun Uhr verschieben.
Soest – Voraussetzung für den späteren Schulstart ist die Zustimmung der Schulkonferenz. Dies sei, so Schulleiter Markus Friebe, bei der Konferenz der Christian-Rohlfs-Realschule bisher kein Thema gewesen. „Theoretisch ist es möglich, doch spielen viele Faktoren dabei eine Rolle. Es kommt dem Biorhythmus einiger Schüler entgegen, die dann sicherlich besser lernen. Doch müsste das Leben der Familien dahingehend umgestaltet werden.“
Es ist eine systemische Herausforderung
Zudem hätten sich viele Eltern bewusst für den Halbtagsbetrieb der Realschule entschieden – mit verspätetem Schulbeginn blieben die Kinder dann aber doch länger in der Schule. Auch die Taktung der Schulbusse müsste anders gestaltet werden. „Es ist eine systemische Herausforderung, die viele Facetten hat“, sagt Friebe weiter. „Die Entscheidung kann man nicht auf Knopfdruck treffen. Es gibt bei dem Thema vieles zu bedenken.“
Das sehen seine Kollegen ähnlich. „Mir fehlt die Fantasie, wie der Unterrichtsstoff in der Stundentabelle abgebildet werden kann, ohne den Tag für die Kinder weiter zu verlängern“, sagt der Leiter der Soester Sekundarschule Jörg Fitzian. „Wir sind eine Ganztagsschule, die Kinder aus dem Umland sind ohnehin erst circa 16.15 Uhr zuhause.“ Einen Ausgleich zum langen Lernen und etwas Freizeit müsse es aber geben. Während der zwei Corona-Jahre seien immer wieder Appelle gekommen, den Unterrichtsbeginn zu verschieben, damit nicht alle Schüler gleichzeitig mit dem Bus kommen. „Auch das war eine Reißbrettidee. In der Praxis gibt es nicht plötzlich mehr Busse und mehr Fahrer.“
Mir fehlt die Fantasie, wie der Unterrichtsstoff in der Stundentabelle abgebildet werden kann, ohne den Tag für die Kinder weiter zu verlängern.
Den Grundgedanken hinter der Idee der Schulministerin teilt Fitzian jedoch: „Es gibt Studien und wissenschaftliche Untersuchungen zum Biorhythmus von Schülern.“ Die besagen, dass Jugendliche später einschlafen und sich daher später am Morgen besser konzentrieren können.
Fest steht die Meinung von Archi-Leiter Marcus Roß: „Wir haben uns in der Schulleiterkonferenz bereits zu dem Thema besprochen. Die drei Soester Gymnasien und die Gesamtschule kooperieren im Oberstufenbereich sehr eng, um den Schülern ein breiteres Fächerportfolio zu ermöglichen.“ Andernfalls kämen manche Kurse wegen einer zu geringen Schülerzahl nicht zustande. Den Sport-Leistungskursus, Physik, Informatik und manche Sprachen könne man aber über die Vernetzung der vier Schulen anbieten.
Auch eine teilweise Umsetzung des verspäteten Schulbeginns für die Kinder der unteren Klassen verneint Roß: „Wir arbeiten aus Überzeugung im Doppelstunden-Modell und haben ein Fachlehrersystem.“ Anders als in der Grundschule, wo der Klassenlehrer den Großteil der Fächer abdeckt. Schraubt man also in der Mittelstufe am Zeitplan, funktioniert der Einsatz der Lehrkräfte in der Oberstufe nicht mehr. „Für eine kleine autarke Schule, die nicht auf den Öffentlichen Nahverkehr angewiesen ist, mag das funktionieren“, lautet Roß’ Fazit.
Aber auch für Karen Schad, Leiterin der Hellweg-Grundschule in Ampen ist das Angebot aus dem Ministerium keine wirkliche Option: „Grundsätzlich betrifft es eher die pubertierenden Kinder. Die Jüngeren sind morgens sehr früh wach. Zum Ende der vierten Klasse beginnt es bei einigen Kindern schon mal, dass sie müde im Unterricht sitzen.“ Zudem müsse der Schulbusverkehr angepasst und die Fahrpläne müssten dann kreisweit geändert werden. „Wir kommen mit einer solchen Regelung ganz weit in den Mittagsbereich, wenn die Kinder etwas zu essen brauchen und schon wieder müde werden.“ Ausschlaggebendes Argument sind für Schad jedoch die Arbeitszeiten der Eltern. Eine Verschiebung sei für Familien problematisch, die schon früh eine Betreuung für die Kinder bräuchten.
„Die Eltern müssen ein Interesse daran haben“, bestätigt der Leiter der Petri-Grundschule Volker Wilmes. „Viele müssen die Stadt schon sehr früh Richtung Arbeitsplatz verlassen. Wir beginnen morgens um acht, haben aber schon um sieben Uhr dreißig Kinder in der Betreuung. Die müssten bei einem Beginn um neun Uhr schon zwei Stunden lang vor dem eigentlichen Unterricht betreut werden.“
Einigen Kindern täte es aber bestimmt gut, wenn man sich ihrem Biorhythmus anpasste. Manche kämen morgens sehr gehetzt. „Wir werden das Thema natürlich in der Schulkonferenz besprechen. Man muss auch die Lehrkräfte fragen, ob sie das wollen.“
Von Karin Hillebrand und Marlene Dietscheidt