Deutlich weniger Zeit sich zu entscheiden, hatten Heinz-Georg und Marcel Feldkamp. „Wir hatten sechs Stunden Zeit“, erinnert sich Marcel Feldkamp. Den Entschluss, ein Pflegekind aufnehmen zu wollen, hatten die beiden schon vor gut sieben Jahren getroffen. „Mit dem Kinderwunsch ist es ja in einer homosexuellen Partnerschaft nicht ganz so einfach wie bei Mann und Frau.“
Die beiden informierten sich über die Voraussetzungen und besuchten Pflegeelternseminare. Der Anruf kam, noch bevor das Seminar abgeschlossen war. Auch ihnen wurde ein 15 Monate alter Junge vorgestellt – inklusive seiner ausgeprägten FAS-Problematik (Fetales Alkoholsyndrom).
Wer ein Pflegekind aufnehmen möchte, sollte mit beiden Beinen im Leben stehen, finanziell abgesichert sein und dem Kind ein Zimmer anbieten können. Man darf nicht vorbestraft sein. Pflegeeltern müssen regelmäßig ein Führungszeugnis vorlegen.
Jegliche Lebensgemeinschaften kommen dabei infrage, ob Paare (auch gleichgeschlechtliche), Familien, familienähnliche Lebensgemeinschaften und Singles. Pflegeeltern, die einen Säugling oder ein Kleinkind aufnehmen möchten, sollten nicht älter als 50 Jahre sein.
Die Pflegekinderhilfe des Kreisjugendamtes berät und begleitet Pflegefamilien und bietet Pflegeelternseminare an. Eine Entschädigung für materielle Aufwendungen und einen Betrag für die Leistung der Pflegeeltern gibt es durch das Pflegegeld. Die Summe ist abhängig vom Alter des Kindes und beträgt derzeit 900 bis 1.000 Euro.
„Wir haben keine Behinderungen oder Geschlecht ausgeschlossen und auch keinen Alterswunsch angegeben“, sagt Heinz-Georg Feldmann. Als das Kind dann da war, sei das Herz schnell offen gewesen. „Da entsteht sofort etwas.“ Schnell entwickeln sich Elterngefühle. „Das ist jetzt unser Würmchen und man will alles dafür tun, dass es ihm gut geht.“
Das Kind benötigte Logo-, Physio- und Ergotherapie; feste Nahrung konnte es anfangs nicht zu sich nehmen. Als gelernter Krankenpfleger machte Marcel Feldkamp auch daheim viel therapeutische Arbeit mit dem Jungen. „Ich bin dann ein Jahr lang zuhause geblieben“, erzählt er. Das inzwischen fast neun Jahre alte Kind habe sich super entwickelt; besuche eine Sprachförderschule. „Er ist ein sehr lieber und lebhafter Junge, der für jedermann offen ist“, sagt er stolz.
„Beide Seiten profitieren davon. Man bekommt so viel wieder“, ergänzt sein Mann Heinz-Georg. „Was kann man mehr tun für die Gesellschaft?“
Schwierige Zeiten gab es auch bei Nicole O. und ihrem Pflegekind – direkt zu Beginn. Fast täglich musste sie in die Kita kommen. „Er war sehr aggressiv, hat Türen durchgeboxt und war unruhig“, erinnert sich Nicole O. „Er konnte keine 30 Sekunden still sitzen.“ Heute ist der Sohn 14 Jahre alt. Inzwischen sei aus ihm ein „cooler Teenie“ geworden. Mit einer großen Leidenschaft für das Gitarre spielen. Damit seien auch die Aggressionen Geschichte geworden.
„Wir sagen den Pflegefamilien immer, dass die Kinder einen Rucksack mitbringen, mit all den Erfahrungen, die sie in der Vergangenheit gemacht haben“, sagt Michael Köthemann von der Pflegekinderhilfe. Dazu gehören oft auch Personen aus den leiblichen Herkunftsfamilien.
Gemeinsam mit Kollegin Lisa Ritter werden mit Interessierten unverbindliche Vorgespräche geführt und Schulungen oder Seminare vom Jugendamt angeboten, um die Pflegeeltern auf ihre Tätigkeit vorzubereiten und sie zu qualifizieren. Der Prozess kann bis zu einem dreiviertel Jahr dauern. Auch nach der Aufnahme eines Pflegekindes werden die Familien engmaschig betreut.
Wer Interesse hat, Pflegeperson zu werden, erhält weitere Infos bei Michael Köthemann oder Stephanie Günnewich. Kontakt unter Telefon 02921/103 23 26.
„Wir suchen immer nach Pflegefamilien, denn es gibt viele Kinder unter zehn Jahren, die eine neue Familie brauchen“, sagt Ritter. Um diese zu akquirieren, hat die Stadt Soest im vergangenen Jahr die Kampagne „Bei uns ist noch ein Platz frei“ gestartet. „Wir versuchen, dranzubleiben und das Thema weiter ins Gespräch zu bringen“, sagt Köthemann. Helfen sollen dabei auch Plakate, die ab Januar in den Bussen in Soest und im Kreis zu sehen sein werden.