Smarte Technik für Senioren: Soester Start-up bringt Notrufarmband auf den Markt

Fesch wie eine Smartwatch, sicher wie ein Notrufknopf: Das Soester Start-up „Microsynetics“ hat ein Notrufarmband mit Sturzerkennung für Senioren entwickelt. Man sieht dem Armband dessen Nutzen an. Bis zum Produkt-Launch hat es länger gedauert als geplant.
Soest – Es hat etwas länger gedauert als geplant. Doch seit Anfang März ist das Notrufarmband mit Sturzerkennung erhältlich. Entwickelt wurde das „Caera“ vom Soester Start-up „Microsynetics“.
Nach Stürzen im Familienumfeld hatten die beiden Gründer Marlon Besuch und Michael Hummels nach Lösungen gesucht, aber keine passende gefunden. „Wir hatten beide Fälle in der Familie tatsächlich. Bei mir war es damals die Großtante“, sagt Hummels. Bei seinem Co-Founder war es die Oma: Die 93-Jährige stürzte daheim. Und zwar so heftig, dass sie sich die Hüfte brach. Keiner hat es mitbekommen. „Sie lag über 24 Stunden mit einem Hüftbruch im Bad“, erzählt Besuch. Sorgen um die betagte Dame seien seither stetige Begleiter gewesen – vor allem bei der Mutter des gebürtigen Hammers. Als die beiden mit der Umsetzung ihrer Produktidee starteten, merkten sie schnell: Sie sind nicht alleine mit der Angst, die einen verfolgt, sobald ein älterer Angehöriger im häuslichen Umfeld einmal zu Fall gekommen ist. „Das vereint uns eigentlich, wenn wir an Mama und Papa denken. Wir haben Angst, wenn wir nicht wissen, ob es ihnen gut geht“, sagt Besuch.
Chipmangel sorgte für Verzögerungen bei Produkt-Launch
Kennengelernt haben sich die beiden während des Studiums der Elektrotechnik an der FH Südwestfalen am Standort Soest. Währenddessen gründeten sie das Soester Start-up „Microsynetics“. Zuerst mit Sitz im Elternhaus von Besuch in Hamm, wo auch die ersten Prototypen des Lebensretter-Armbands entstanden. Dort haben die beiden eine 80 Kilogramm schwere Dummy-Puppe von der Treppe stürzen lassen – mit dem Armband am Handgelenk.
Von der herrschenden Materialknappheit und dem Chipmangel blieb auch das junge Start-up nicht verschont. „Lieferanten hatten für Chips eine Lieferzeit von 150 Wochen mitgeteilt“, erinnert sich Mitgründer Besuch. Seit Anfang 2020 ist der Sitz des Unternehmens in Soest. Eine fast zweijährige Forschungs- und Testphase liegt hinter den beiden. Das Feedback der Testpersonen musste eingearbeitet werden. „Es war ein langwieriger Prozess.“ Drei Jahre habe die Entwicklung gedauert.
Notrufarmband ähnelt optisch einer Smartwatch
Viele ältere Menschen würden bereits existierende Notrufarmbänder als hässlich und durch den roten Alarmknopf als zu auffällig empfinden, meinen die Entwickler. Sie fühlten sich stigmatisiert, schämten sich sogar, auf solch ein Notrufarmband angewiesen zu sein. Zum Kaffeekränzchen wird es dann abgenommen. „Wir wollten ein Produkt, das 24/7 von den Senioren getragen wird.“ Die meisten Stürze passieren nachts beim Gang zur Toilette.

Mit einer Akku-Laufzeit von bis zu drei Wochen dürfte dem Soester Start-up dies gelungen sein. „Caera“ ist schwarz und unauffällig, weil sie den hippen Smartwatches zum Verwechseln ähnlich sieht. Alternativ darauf zu setzen, kommt für diese Zielgruppe oft ebenso wenig infrage. Auch Smartwatches erkennen, wenn eine Personen stürzt. Der Akku hält jedoch oft nur einen Tag lang, die Bedienung ist kompliziert und der Betrieb abhängig von der Netzabdeckung. „Deshalb sind wir mit den Antennen ins Armband gegangen, um eine bestmögliche Performance zu erzielen“, sagt Hummels. Für diese Innovation sei auch bereits Patent beantragt worden.
„Seniorenmarkt ist nicht hipp“
Die beiden Unternehmer wollten ein Produkt entwickeln, das den Bedürfnissen von Senioren gerecht wird und es besser machen, als Hersteller vergleichbarer Geräte. Fitness-Daten und Nachrichten wollen und benötigen diese Menschen eher nicht. „Der Seniorenmarkt ist für viele eher unsexy. Das ist nicht hip“, sagt Besuch. Die vorhandene Technik im Detail für die eigenen Ansprüche zu konfigurieren kaum möglich. Die Bedienung sollte „saueinfach“ sein: Die gestürzte Person kann per Knopfdruck Hilfe holen, wenn sie dazu in der Lage ist. Schafft sie das nicht mehr, wird automatisch ein Hilferuf abgesetzt, eine Verbindung zu Notfallkontakten aufgebaut und der Standort übermittelt. Das Produkt selbst und das Design des Armbands entsteht in der Werkstatt in Soest. Seit „Caera“ gelauncht wurde, übernimmt die Produktion eine Firma in Witten. Das bisher gute Feedback der Käufer soll weiter eingearbeitet werden.
Die Kosten für das Notrufarmband liegen derzeit bei 199,95 Euro. Perspektivisch streben die beiden eine Finanzierung durch die Krankenkasse an. Langfristig wollen die Gründer Stürzen vorbeugen – durch bessere Erforschung in Sachen Sturzprediction (Vorhersage) in Zusammenarbeit mit der Charité.
Stürze bei älteren Menschen
Schätzungen zufolge stürzen etwa 30 von 100 Menschen über 65 Jahre, die zu Hause leben, einmal im Jahr. Bei Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben, sind es 50 von 100 pro Jahr. Jedoch laufen die meisten Stürze auch bei Menschen über 65 Jahre glimpflich ab und haben keine ernsten gesundheitlichen Folgen.