Gänse-Abschuss am Großen Teich in Soest: Gips-Eier sorgen für Verwirrung

Die Stadt Soest lässt Gänse am Großen Teich erschießen. Das sorgt für Zuspruch und Empörung. Gewissen Vorwürfen widerspricht die Stadt jedoch.
Soest – Dass die Stadt am Großen Teich im Kampf gegen die Gänse-Problematik zur Ultima Ratio greift und Nil- sowie Kanadagänse erschießen lässt, sorgte in der Stadt für Zustimmung und Empörung gleichermaßen. Mancher Soester sah ganz genau hin und vermutete, dass die Stadt verbotenerweise eine brütende Gans hatte erlegen lassen. Das legten blank daliegende Eier in einem verwaisten Nest nahe. Auch die Anzahl der Schüsse sorgte für Unverständnis. Unsere Redaktion konfrontierte die Stadt mit den Vorwürfen.
Brütete die erlegte Gans?
Laut Angaben der Stadt habe die am frühen Donnerstagmorgen erlegte Gans zum Zeitpunkt des Abschusses nicht gebrütet. Es seien keine echten Eier gewesen, die da verwaist im Nest auf der Insel im Teich entdeckt wurden. Stadtsprecher Thorsten Bottin erklärt: „Es handelt sich um ein Gips-Ei“. Der Kommunalbetrieb habe die echten Eier der Gänse bereits lange vor dem ersten Abschuss „im Rahmen der Vergrämungsmaßnahmen“ entfernt und gegen Gips-Eier ausgetauscht. „Dieser Austausch ist durch den Genehmigungsbescheid ebenfalls gedeckt, da die generelle ‘Entnahme’ von Nil- und Kanadagänsen genehmigt wurde, was auch deren Eier umfasst.“
Bei Sinaida Bayer-Schliwka von der Unteren Jagdbehörde des Kreises Soest hatten sich nach dem Abschuss der Kanadagans „besorgte Bürger“ gemeldet und den Hinweis auf die angebliche Brut gegeben.
Hätte der Jäger tatsächlich eine brütende Gans erlegt, wäre die Abschuss-Genehmigung durch den Kreis hinfällig und die Tötung dadurch strafbar gewesen. „Der Elterntierschutz hat Vorrang und ist zu berücksichtigen“, erklärt Bayer-Schliwka. Über brütende Gänse oder Gips-Eier hatte der Kreis Soest keine Kenntnis – eine Absprache mit der Stadt Soest habe es in dieser Hinsicht auch nicht gegeben. Durch die Erklärung der Stadt gegenüber unserer Redaktion, dass es sich um Gips-Eier handeln solle, würden die Vorwürfe sich in Luft auflösen. In dieser Sache lief am späten Montagnachmittag noch „ein behördlicher Austausch“.
Sinaida Bayer-Schliwka berichtete am Nachmittag über den Stand der Dinge: „Mir liegen noch nicht alle Fakten vor, um beurteilen zu können, ob tatsächlich der Elterntierschutz missachtet wurde.“ Nach der Gips-Ei-Auskunft der Stadt, „scheint dies nicht der Fall zu sein“. Bayer-Schliwka: „Ich würde gern das Wort ‘scheint’ durch ‘ist’ ersetzen.“ Sie versichert, „dass die Einhaltung der Nebenbestimmungen des Genehmigungsbescheids geprüft werden und bei Nichteinhaltung entsprechend vorgegangen wird“.
Warum fiel mehr als ein Schuss?
Zeugenangaben zufolge soll der Jäger „fünf bis sechs Schüsse“ gebraucht haben, um die Kanadagans zu erlegen. Dass es mehr als einen Schuss brauchte, um die Gans zu töten, wollten Stadt und Kreis nicht ausschließen.
Thorsten Bottin sagt dazu: „Die Genehmigung des Kreises Soest erwähnt ausdrücklich, dass ein Fangschuss zeitnah zu erfolgen habe, und schließt somit mehrere Schüsse zum Erlegen des Tieres mit ein, was im Übrigen bei der Jagdausübung auch der Realität entspricht. Der beauftragte Jäger muss ein Berufsjäger sein und hat neben den Bestimmungen der Genehmigung auch die jagdrechtlichen Vorschriften zu beachten.“ Sinaida Bayer-Schliwka bestätigt: „Fakt ist: Alles muss waid- und tierschutzgerecht stattfinden. Erfolgt ein Schuss nicht gleich so, wie er sitzen sollte, muss der Jäger zügig nachlegen.“
Wer kontrolliert die Arbeit des Jägers?
Die Stadt Soest ist dafür verantwortlich, dass die Vorgaben des Kreises, die in der Abschuss-Genehmigung aufgeführt sind, eingehalten werden. Die Stadt hat einen Berufsjäger mit der Tötung der Gänse beauftragt. Thorsten Bottin erläutert: „Er wird am Großen Teich durch Mitarbeitende des Kommunalbetriebs begleitet.“
Gänse werden erschossen – gespaltene Lesermeinungen
Elvira Wahab: „Es geht auch anders. Eine schöne künstliche Insel wo sie Nahrung finden, zwei schöne Entenhäuser, dafür ist der Teich groß genug. Es sieht erst mal besser aus, und Menschen und Tiere können in Ruhe leben. Schade, dass es so gegen die Natur geht in Soest!“ / „Freido“: Endlich! Eine gute und richtige Entscheidung! Die Gänse machen nur Lärm und Dreck! Die Verwaltung wird da sicher von einigen Besserwissern Gegenwind kriegen, aber das darf man getrost ignorieren!“ / Andreas Rumpf: „Wird Zeit und es betrifft nicht nur die Gastronomie im Park, es ist im Ganzen zu sehen.“ / Jens Paul: „Die Stadt Soest hat seit Jahren Probleme mit Krähen, die auch viel Dreck machen, der hygienisch sicherlich nicht besser ist, im Vergleich zu dem Dreck, den die Gänse hinterlassen. Die Gänse werden zum Abschuss freigegeben und die Krähen nicht. Muss man das verstehen?“ / Albert Herbst: „Gänse gegen Saatkrähen, Ich habe lange überlegt, meine Meinung zu den Saatkrähen in der Stadt zu äußern. Als ich jetzt von der Erschießung der Gänse lese, denke ich mir, wie sehr sich doch die Probleme mit den beiden Tierarten ähneln. Beide vermehren sich und führen zu massiven hygienischen Belastungen, gesundheitlichen Problemen, zur Verkotung von Wegen, Spielplätzen und Gegenständen aller Art. Der Unterschied ist jedoch, dass die Gänse nicht geschützt sind, die Krähen jedoch schon. Da drängt sich mir die Frage auf, warum das Wohl einer Saatkrähe über das Wohl, die Gesundheit und den Schutz des Eigentums der Menschen gestellt werden. Warum wird nicht auf politischer Ebene der besondere Schutz von bestimmten Tierarten eingeschränkt, wenn die Gesundheit von Menschen in nicht vertretbarer Art gefährdet ist. Von diesem Zustand kann man in vielen Teilen der Stadt Soest sprechen. Dort wird die Gesundheit der Anwohner ignoriert, wenn hunderte Saatkrähen ihrer Beschäftigung nachgehen. Unter Naturschutz verstehe ich, dass auch wir Menschen zur Natur gehören und besonderem Schutz bedürfen.“
Wie geht es am Großen Teich weiter?
Der Kreis Soest prüft, ob die Stadt Soest einwandfrei im Rahmen der Abschuss-Genehmigung gehandelt hat. Die Stadt selbst sieht auf eigener Seite keine Fehler. Der städtische Auftrag an den Jäger laute weiterhin, die Nil- und Kanadagänse am Großen Teich bis zum 30. April – bis dahin gilt die vom Kreis erteilte Schonzeitaufhebung – zu erlegen.
Wie machen es andere Städte?
Die Stadt Dortmund setzt in ihren Parks, Gärten und am Phoenixsee auf einen Mix aus Maßnahmen, um den Bestand an Gänsen „im Rahmen“ zu halten. „Das Hauptaugenmerk liegt darauf, den Tieren den Lebensraum so unattraktiv wie möglich zu machen“, sagt eine Sprecherin der Stadt. Eine entsprechende Landschaftsgestaltung, beispielsweise durch Uferbepflanzung, trage dazu bei, den Tieren den Aufenthalt weniger bequem zu machen. Zudem mache man an Orten wie dem Phoenixsee die Eier der Vögel „unbrauchbar“ und verhindere so ein Wachstum der Population. Von einer Bejagung wie vor Jahren schon einmal im Westfalenpark geschehen habe man inzwischen Abstand genommen. Zum Schutz der Besucher habe man den Park dann immer schließen müssen. Das sei nicht gut angekommen. An einem „runden Tisch“ zum Thema hätten sich Stadt und alle relevanten Stellen seinerzeit auf die jetzige Vorgehensweise festgelegt.
Warum werden Krähen nicht erschossen?
Im Zuge der Berichterstattung forderten mehrere Leser, dass auch die Soester Krähen per Schusswaffe erlegt werden sollten. Doch das wird vom Naturschutzgesetz untersagt. Thorsten Bottin: „Im Gegensatz zu den invasiven Vogelarten Nil- und Kanadagans handelt es sich bei der Saatkrähe um eine geschützte Tierart. Sie darf nicht bejagt werden.“