Eine Familie mit drei Kindern, in der der Mann Alleinverdiener ist. Bislang genossen beide Haushalte relativ günstige Konditionen ihrer jeweiligen Anbieter. „Die Mutter dreier Kinder hat jetzt zum Beispiel von den Stadtwerken Werl ihre Rechnung erhalten“, sagt der Leiter der Soester Beratungsstelle, Holger Okken. Sie fühlt sich finanziell überfordert, die neuen Abschläge in Höhe von 350 Euro für Strom und Gas zu zahlen. „Bei Familien mit Kindern und Alleinverdienern ist das Geld eh schon knapp.“
Kalt erwischt hat es deshalb auch eine Kundin der Stadtwerke. Die Mutter bewohnt mit ihren zwei Kindern seit 2021 eine Wohnung in einem Hochhaus und war mit Betreuerin und Unterlagen gekommen. Die Frau weiß weder, wie sie die Nachzahlung von mehr als 1.160 Euro stemmen soll, noch wie der – für einen Drei-Personen-Haushalt mit nach eigenen Angaben eher wenigen Geräten – relativ hohe Verbrauch zustande gekommen ist. „Ich bin sehr schockiert. Meine Cousine lebt in einem Sechs-Personen-Haushalt und hat ein Guthaben in Höhe von 34 Euro bekommen“, so die betroffene Frau. Laut Stadtwerke sei der Zähler in Ordnung; die Vormieter hätten ebenso viel verbraucht, merkt die Begleiterin an. Dass der Zähler nicht richtig zählt, käme ohnehin nur in einem Prozent der Fälle vor.
„Das ist erstaunlich. Die 5.800 Kilowattstunden sind definitiv viel für drei Personen“, sagt Okken. Das zeigt auch der Blick auf die Tabelle mit den Durchschnitts-Verbräuchen für diese Haushaltsgröße. Selbst durch die Küche mit altem Kühlschrank und Herd, die die Mutter vom Vormieter übernommen hat, sei ein solch hoher Verbrauch nicht zu erklären. Sie hätten zwar einen höheren Verbrauch als ältere Geräte, aber so viel könne dies nicht ausmachen, so Okken.
Es gibt ganz viele kleine Stellschrauben, die man nutzen kann. Von Sparduschköpfen über Fenster bis zur Raumtemperatur.
„Es ist so ein bisschen die Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, erklärt Verbraucherberaterin Ann-Kathrin Quandt. „Um den Fehler zu finden, muss einiges geprüft werden. Deshalb ist die Beratung auch so komplex.“ Rund 30 Minuten dauerte alleine diese Beratung. Aber auch Tipps für das weitere Vorgehen gab das Beraterteam mit auf den Weg. Um der Sache auf den Grund zu gehen, sei es sinnvoll, den Stromverbrauch der Geräte von Experten überprüfen zu lassen.
Für die Frau, die mit ihrem Mini-Job an der Einkommensgrenze ist, käme der „Stromspar-Check“ der Caritas infrage. Deren Experten könnten Messen, wo der Strom im Haushalt bleibt und hätten zudem auch immer ein paar LED-Lampen im Gepäck. „Es gibt ganz viele kleine Stellschrauben, die man nutzen kann. Von Sparduschköpfen über Fenster bis zur Raumtemperatur“, sagte Okken. Im letzten Schritt mache aber durchaus eine erneute Überprüfung des Zählers Sinn, indem sich die Verbraucherin die Zählerstände regelmäßig notiert und vergleicht.
„So einen richtigen Ansturm hatten wir heute nicht“, lautete das Fazit am Ende der offenen Sprechstunde. Zehn Beratungen hatten stattgefunden. Die meisten telefonisch – zuzugeben, dass man eine Rechnung nicht zahlen kann, sei oft schambesetzt. „Es vergeht kein Tag ohne Fragen zu diesem Thema. Wir sind oft ausgebucht“, sagt Okken.
Die Gaspreisbremse sollte eigentlich bereits ab Januar gelten. Tatsächlich umgesetzt wird sie jedoch erst ab März 2023 – rückwirkend zum 1. Januar 2023. Private Verbraucher sollen dann einen niedrigeren Abschlag zahlen müssen. Das bedeutet, dass ein Kontingent von 80 Prozent des jährlichen Gasverbrauchs bei 12 Cent gedeckelt wird. Damit sind auch Steuern und alle sonstigen staatlich veranlassten Preisbestandteile abgedeckt. Bei Strom sind es 40 Cent. Viele Verbraucher seien aber bei den aktuellen Preisen bereits am Limit, sagt Okken. Die Bremse sei zwar wichtig für viele Haushalte, aber zeitlich befristet. Sie soll im April nächsten Jahres auslaufen. Die Bundesregierung werde nicht in jedem Jahr so ein Millionen-Paket auflegen können. Und: „Viele Verbraucher sind trotz Preisbremse am finanziellen Limit und vielleicht auch überfordert“, so Okken.
Viel Arbeit hatte das Berater-Team in letzter Zeit vor allem wegen zwei Discount-Anbietern: Kunden von „Voxenergie“ und „Primastrom“ sollten plötzlich den dreifachen Preis zahlen. „Die Anbieter haben mit Preisgarantien geworben, die sie dann auch einhalten müssen“, erklärt Okken. Das Angebot der offenen Sprechstunde soll wiederholt werden – vielleicht zu einer anderen Uhrzeit.