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So kämpft die Feuerwehr gegen Krebs

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Von: Daniel Schröder

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Feuerwehrleute sind vielen Schadstoffen ausgesetzt.
Feuerwehrleute sind vielen Schadstoffen ausgesetzt. © Daniel Schröder

Mit speziellen Maßnahmen will die Feuerwehr verhindern, dass ihre Einsatzkräfte an Krebs erkranken.

Soest – Trainingsanzug statt Schutzkleidung: An mancher Einsatzstelle wundern sich Beobachter des Geschehens über die „Kleiderordnung“ von Feuerwehrleuten. Der Klamottenwechsel nach einem Brandeinsatz ist vor Ort mittlerweile gängige Praxis und Teil eines umfassenden Hygiene-Konzeptes. Er soll das Krebsrisiko für die Einsatzkräfte verringern.

Beispiel: Gebäudebrand an der Höggenstraße in Soest vor rund einer Woche. Zwei Feuerwehrmänner kommen nach erledigter Personensuche und Brandbekämpfung im dichten Rauch erschöpft aus dem Fachwerkhaus. Jacken, Hosen, Helme und Co. sind mit Ruß und vielen weiteren Giftstoffen überzogen.

Vor einigen Jahren war die Hygiene noch kein Thema: Viele Feuerwehrleute erkrankten an Krebs

Bis vor wenigen Jahren wären Feuerwehrleute in diesem Zustand, in ihrer vergifteten Kleidung, weiter im Einsatz geblieben und am Ende mit dem Einsatzfahrzeug zusammen mit den anderen Kameraden zurück zum Gerätehaus gefahren. Über die enorme Gefahr der sogenannten Kontaminationsverschleppung wurden sich damals wenig bis keine Gedanken gemacht. Das ist heute bei vielen Feuerwehren im Land zum Glück anders. Denn die Leichtfertigkeit von früher hatte schlimme Folgen: Viele Feuerwehrleute erkrankten an Krebs.

Eine kanadische Studie von 2018 hatte ergeben, dass in 86 Prozent der Todesfälle unter hauptamtlichen wie freiwilligen Feuerwehrleuten Krebs die Ursache war. Die kanadische Studie konnte nachweisen, dass krebserregende Gase und Partikel noch wochenlang in der Feuerwehrkleidung und in den Einsatzwagen verbleiben, wenn diese nach einem Brandeinsatz nicht sofort gewaschen wird.

An der Einsatzstelle steht für die Einsatzkräfte die erste Grob-Reinigung an.
An der Einsatzstelle steht für die Einsatzkräfte die erste Grob-Reinigung an. © Daniel Schröder

Deswegen gibt es bei der Freiwilligen Feuerwehr Soest und vielen weiteren Feuerwehren im Kreis mittlerweile ein Standard-Vorgehen: Auf den Löschfahrzeugen gibt es „Hygiene-Boards“, ausgestattet mit Wasserhähnen, Seife, Tüchern, Desinfektionsmittel und Bürsten. Kommt ein Trupp verschmutzt aus dem Brandeinsatz, steht zunächst eine Grob-Reinigung an.

Die Atemschutzgeräte werden bei diesem Prozess weiter getragen, damit die Einsatzkräfte keine Schadstoffe einatmen. Unter anderem mit Einweg-Handschuhen geschützt, wird im Anschluss die Schutzausrüstung ausgezogen und gegen Trainingsanzüge getauscht. „So haben die Kräfte saubere Kleidung und müssen gleichzeitig nicht halb entkleidet an der Einsatzstelle herumlaufen“, schildert Feuerwehrsprecher Kai Weets.

An der Einsatzstelle wird die verschmutzte  Kleidung luftdicht in Säcken verpackt.
An der Einsatzstelle wird die verschmutzte Kleidung luftdicht in Säcken verpackt. © Daniel Schröder

Die kontaminierte Einsatzkleidung – Jacke, Hose, Handschuhe, Flammschutzhaube, Helm, Atemschutzmaske, Atemluftflasche – wird luftdicht in Säcken verpackt, für die Einsatzkräfte steht am Hygiene-Board eine Reinigung der Hautflächen an. „Wenn ein Trupp im Innenangriff war und dort bei mehreren einhundert Grad Temperatur ins Schwitzen gerät, öffnen sich sämtliche Körperporen. Deshalb ist die Gefahr groß, dass durch diese Poren Schadstoffe in den Körper gelangen“, erklärt Weets.

Während die Feuerwehrleute nach dem Atemschutzeinsatz saubere Trainingsanzüge anziehen, werden die „Kleidersäcke“ im Logistik-Gerätewagen zum Feuerwehrgerätehaus gebracht.
Während die Feuerwehrleute nach dem Atemschutzeinsatz saubere Trainingsanzüge anziehen, werden die „Kleidersäcke“ im Logistik-Gerätewagen zum Feuerwehrgerätehaus gebracht. © Daniel Schröder

Die „Kleidersäcke“ werden mit dem Logistik-Gerätewagen zum Gerätehaus gebracht und dort in Eigenregie professionell gereinigt, die Atemschutzgeräte werden beim Kreis Soest wieder einsatzbereit gemacht. Bevor es für die betroffenen Einsatzkräfte in der Wache in die Umkleide geht, wird geduscht. Stichwort: „Schwarz-Weiß-Trennung“.

Einsatzkleidung geht sofort in die Reinigung: Für die Feuerwehrleute gibt es Reserve-Kleidung für den nächsten Einsatz

Anschließend werden sie mit Reserve-Kleidung ausgestattet, um für den nächsten Einsatz gewappnet zu sein, denn: Die intensive Reinigung der Kleidung kann laut Weets „ein bis zwei Tage“ dauern. Das Hygiene-Konzept werde stetig ausgebaut, so Weets.

Eine Rolle wird dabei in Zukunft auch das neue „interkommunale PSA-Konzept für Feuerwehren“ des Kreises Soest spielen. Unter anderem werden beim Kreis 80 Sätze Schutzkleidung bevorratet und liegen dort bereit, falls nach einem größeren Feuerwehreinsatz Ersatzkleidung benötigt wird. Die Kosten haben sich die 14 Kommunen des Kreises geteilt. Das Thema Einsatzstellen-Hygiene ist demnach mittlerweile bei allen Feuerwehren der Region angekommen.

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