Die Belastungen haben sich gewandelt
„Das nimmt einen mit“: Krankenschwester berichtet vom Corona-Alltag auf der Intensivstation im Klinikum Soest
Stephanie Hoppe aus Körbecke ist Krankenschwester und Atmungstherapeutin. Seit 14 Jahren arbeitet sie auf der Intensivstation im Klinikum Stadt Soest. Eindrücklich schildert sie, wie sich die Belastungen für sie als Intensiv-Pflegekraft im täglichen Kontakt zu den Corona-Patienten, die am härtesten vom Virus getroffen wurden, gewandelt haben.
Soest – Durchschnittlich waren die Patienten auf der Intensivstation des Klinikums im März dieses Jahres 64,5 Jahre alt. Der jüngste Corona-Patient, um den sich Stephanie Hoppe bislang kümmern musste, sei Jahrgang 1991 gewesen, berichtet sie.
Vor knapp einem Jahr, als die Pandemie auch im Kreis Soest ankam, seien vor allem die Ungewissheit, was da auf die Intensivpflege zukommt, und die Umstellungen der Arbeitsabläufe – Stichwort Hygiene-Konzept – eine große Belastung gewesen, erinnert sie sich. Bei der Versorgung von Covid-Patienten sei im Vergleich zu „normalen Intensiv-Patienten“ ein noch größerer Personal-Aufwand nötig. Doch das habe sich über das Jahr hinweg gut eingespielt.
„Wir haben zum Glück Schleusen vor jedem Zimmer“, berichtet sie. In denen muss sich das Personal immer erst mit frischer Schutzkleidung ausrüsten, ehe es von einem Corona-Patienten zum nächsten geht. Erschwerend komme jetzt, durch die Ausbreitung von Virus-Mutationen, hinzu, dass Corona-Patienten, mit unterschiedlichen Virus-Typen voneinander isoliert werden müssen.
Bei dieser hohen Arbeitslast sei sie froh, dass es im Klinikum eine komfortable 1:2-Betreuung gebe, bei der eine Pflegekraft zwei Patienten betreut. Nachts kommen drei Patienten auf eine Pflegekraft.
Intensivstation im Klinikum Stadt Soest: Der längste Aufenthalt eines Corona-Patienten betrug 55 Tage
Acht der insgesamt elf Beatmungsbetten seien derzeit im Klinikum belegt, berichtet Sprecher Frank Beilenhoff. Bei ihnen handele es sich aber „größtenteils nicht um Covid-Patienten“. Die Verweildauer der Corona-Intensiv-Fälle sei unterschiedlich. „Der längste Aufenthalt eines Covid-19-Patienten auf der Intensivstation betrug 55 Tage“, so Beilenhoff.
Eine überschaubare Zahl an Patienten, die zum Teil jedoch sehr lange im Klinikum liegen – natürlich baue sich da oftmals eine enge Beziehung zu ihnen auf, sagt Stephanie Hoppe. Das oberste Ziel sei klar: „Wir versuchen, dass die Patienten nicht künstlich beatmet werden müssen.“
„Wenn ich den Schlauch bekomme, habe ich nur noch eine 50-prozentige Überlebenschance“
Sobald intubiert wird, erhöhe sich die Mortalität auf 50 Prozent. „Und die Patienten wissen: ‘Wenn ich den Schlauch bekomme, habe ich nur noch eine 50-prozentige-Überlebenschance.’“ Bei der Therapie gehe es oft darum, die Motivation der Patienten hochzuhalten. Doch das gelinge trotz aller Bemühungen nicht immer.
„Ärzte und Pfleger geraten mit den Patienten in ein Loch“
„Das Furchtbare“ am Krankheitsverlauf: „Man denkt, es wird besser. Und dann kommt nochmal ein richtiges Tief. Auch Ärzte und Pfleger geraten dann mit den Patienten in ein Loch“, so Hoppe. Sie berichtet: „Ich hatte schon Patienten, die gesagt haben, dass sie nicht mehr können, keine Kraft mehr haben und an den Beatmungsschlauch wollen. Und die waren noch nicht sonderlich alt. Das nimmt einen mit“, schildert Hoppe.
Abschiednahme nur durchs Fenster
Es sei „schrecklich“, dass die Patienten keinen Besuch empfangen können. Der Kontakt ist nur digital per Handy oder Tablet möglich. „Für die Patienten und die Angehörigen ist das kaum zu ertragen.“ Stephanie Hoppe erinnert sich an zwei Patienten, die ihre Lieben noch einmal sehen konnten, bevor die letzte Kraft sie verließ. Doch auch beim Abschiednehmen war ein Fenster zwischen ihnen. „Diese persönlichen Schicksale mitzubekommen, ist fast noch belastender als die gesamte Situation“, sagt Stephanie Hoppe.
Info: Die Beschwerden von Corona-Patienten
Das Klinikum Stadt Soest erklärt: „In erster Linie leiden die Patienten unter schwerer Atemnot. Hinzu kommt die Beteiligung weiterer Organe. Dazu gehören Gerinnungsstörungen und Nierenerkrankungen.“ Die Reserven von Patienten mit Vorerkrankungen können schnell eine kritische Grenze erreichen. „Eine spezifische Therapie wie bei bakteriellen Infektionen gibt es gegen Covid-19 (noch) nicht.“
Die Atemnot werde je nach Ausprägung mit Unterstützung der Atmung, Beatmung oder einem Lungenersatzverfahren behandelt. „Stellt die Niere ihren Dienst ein, erhält der Patient ein Nierenersatzverfahren.“ Einige Medikamente – unter anderem ein Cortison-Präparat – haben sich laut Sprecher Frank Beilenhoff bei der Unterstützung der Therapie bewährt. Stetig werde zudem in der Fachliteratur recherchiert. Ebenso stehen die Mediziner in engem Austausch mit Fachgesellschaften sowie Kollegen anderer Häuser, unter anderem der Uni-Klinik Münster.