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Sie entkam dem Unfall-Tod nur knapp: Ein qualvoller Weg zurück ins Leben

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Von: Daniel Schröder

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Manja Mathias hat sich zurück ins Leben gekämpft. Die Unfallfolgen schränken sie aber weiter immens ein.
Manja Mathias hat sich zurück ins Leben gekämpft. Die Unfallfolgen schränken sie aber weiter immens ein.  © Daniel Schröder

Manja Mathias hat nur knapp einen schlimmen Unfall überlebt. Sie teilt ihre Geschichte, um zu verhindern, dass es noch einmal aus einer einfachen Sorglosigkeit zu solch schwerwiegenden Unfallfolgen kommt.

Kreis Soest – Manja Mathias ist eine starke Frau. Eine Frau, deren Lebensträume schon im Alter von 14 Jahren platzten. Seitdem muss sie ihre Stärke immer wieder unter Beweis stellen – ihr Leben hing lange am seidenen Faden. Heute nimmt sie immer wieder alle Kraft zusammen, um jungen Menschen ihre Geschichte zu erzählen. Beim Präventions-Programm „Crash Kurs NRW“ berichtet sie Schülern von ihrem Schicksal und hofft dadurch, dass sie andere Menschen vor einer solchen Tragödie bewahren kann. In vier Teilen haben wir die Geschichte von Einsatzkräften erzählt. Zum Abschluss der Serie kommt mit Manja Mathias nun ein Mensch zu Wort, der selbst in einen Unfall verwickelt wurde. Seitdem ist nichts mehr, wie es einmal war. Teil 5.

Es ist Januar 1989, Weiberfastnacht. Manja Mathias, damals 14 Jahre alt, sitzt auf dem Gepäckträger der Mofa ihres damaligen Freundes. Das Zweirad ist eigentlich nur für eine Person zugelassen. Einen Helm trägt Manja nicht. Sie erzählt, dass ihr Freund mit hoher Geschwindigkeit auf eine Kreuzung zufährt. Er missachtet die Vorfahrt eines anderen Fahrers und kollidiert mit dessen VW Bulli. „Während meinem damaligen Freund nichts passierte, flog ich gegen die Windschutzscheibe und wurde 30 Meter durch die Luft geschleudert, bis ich mit dem Kopf auf den Asphalt schlug, wo ich regungslos liegen geblieben bin.“

Im Krankenhaus stellen die Ärzte multiple Verletzungen fest

Nach kurzer Zeit kommt der Rettungswagen, die wichtigsten Erstversorgungs-Maßnahmen werden erledigt, Manja kommt in die Notaufnahme eines Krankenhauses. Dort stellen die Ärzte multiple Verletzungen fest: Ein Blutgerinnsel im Kopf, das operativ entfernt werden muss, ein Schädelhirntrauma. Manja Mathias bekommt einen Luftröhrenschnitt, alleine atmen kann sie nicht mehr. Sie liegt im Koma. Die Ärzte können nicht sagen, wie lang dieser Zustand andauern wird. Ihnen sind die Hände gebunden, Manja befindet sich in einem sehr kritischen Zustand, es muss jederzeit mit dem Eintritt des Todes gerechnet werden.

Manja Mathias spricht offen über ihr Schicksal. Ihre Hoffnung ist, solch schreckliche Unfallfolgen in Zukunft zu verhindern.
Manja Mathias spricht offen über ihr Schicksal. Ihre Hoffnung ist, solch schreckliche Unfallfolgen in Zukunft zu verhindern. © Daniel Schröder

„Insbesondere für meine Familie war das eine schwere Zeit. Erst nach fünf Monaten bin ich aus dem Koma erwacht. Doch das Bewusstsein kam nur Schritt für Schritt zurück.“ Sie leidet unter schweren Spasmen in der linken Körperhälfte, kann nicht sprechen, nicht reagieren, nicht atmen, nicht schlucken. Über eine Magensonde wird sie ernährt, über einen Tubus beatmet. Sie ist auf einen Rollstuhl angewiesen, nur langsam kommen erste Reaktionen zurück. „Das war alles sehr mühselig. Nach weiteren drei Monaten Krankenhaus folgte ein Aufenthalt in einer Reha-Klinik.“

Es kommt zu einer neuen lebensgefährlichen Lage

Dort werden ihre Fingerfertigkeiten trainiert, sie lernt das Sprechen neu. Durch Krankengymnastik kann sie ihre Beine wieder bewegen. „Wegen der schweren Verletzungen kamen die Erfolge nur langsam. Ich bin in dieser Zeit auf 28 Kilogramm abgemagert, auch das war eine lebensbedrohliche Situation.“

Zweieinhalb Jahre nach dem Unfall kommt Manja wieder nach Hause. Sie ist weiter auf den Rollstuhl angewiesen, die schweren Spasmen schränken sie weiter ein. „Nur durch meine eigene Motivation, die Krankengymnastik und den Rückhalt meiner Familie konnte ich das Leben und den Alltag wieder lernen.“ Nach insgesamt dreieinhalb Jahren braucht sie den Rollstuhl nicht mehr.

„Mein Traum von einem Sportstudium war zerplatzt“

Doch die Realschule kann sie nicht wieder besuchen, fortan muss sie in eine Schule für körperbehinderte Menschen. Leichtathletik kann sie auch nicht mehr betreiben: „Mein Traum von einem Sportstudium war zerplatzt.“

Manja Mathias sagt heute, mehr als 30 Jahre nach dem Unfall: „Während das Leben meiner Freunde sowie meines Ex-Freundes nahtlos weiterlief, wurde meines völlig aus der Bahn geworfen. Noch heute beeinträchtigen mich die Spasmen, ich habe zudem erhebliche Gedächtnislücken. Es ist mir nicht gelungen, eine Stelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu finden, ich arbeite in einer Werkstatt für Behinderte.“

Ihr Appell ist einfach, aber manchmal doch so nötig. An jeden richtet sie die große Bitte: „Tragt jedes Mal einen Helm, auch beim Fahrradfahren.“

„Retter berichten“
Teil 1: Tödlicher Tritt aufs Gaspedal: Jessica und Thomas verloren durch einen Raser ihr Leben
Teil 2: Er flog an Menschengruppe vorbei: Junger Motorradfahrer überschreitet Grenze einmal zu oft
Teil 3: Unfallverursacher kämpft mit dem Tod: Ein Rennen, das nur Verlierer hatte
Teil 4: René und Matthias sterben bei Unfällen: Eine besondere Belastung für die Retter

Die Serie

„Crash Kurs NRW“ ist eine Zusammenarbeit zwischen Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, Notfallseelsorge, Verkehrsunfallopfern und deren Angehörigen. Ziel ist es, den jungen Teilnehmern zu verdeutlichen, welch hohe Gefahr im Straßenverkehr von Raserei, Alkohol und Drogen am Steuer, Leichtsinn, hoher Geschwindigkeit, fehlenden Gurten und Ablenkung durch das Handy am Steuer ausgeht. In fünf Serien-Teilen erzählen wir die Geschichten von Einsatzkräften und einer Unfall-Beteiligten.

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