Männertausch beim Wippen: Malefikant wird Richter - und umgekehrt

Soest - Ganz Soest lag am Dienstagabend unter einer Hitzeglocke, alle Soester schwitzten sich die Seelen aus den heißen Leibern. Ganz Soest? Alle Soester? Nein! Mitten in der Altstadt bibberten drei arme Sünder – erst vor Angst, dann vor Kälte.
Wenn die Bürgerschützen zum Auftakt ihres Jahresfestes am folgenden Wochenende zum Wippen laden, dann können viele Soester einfach nicht Nein sagen. Das geht jetzt schon seit über 25 Jahren so – und war gestern Abend nicht anders: Je mehr der Tag ging, desto mehr Neugierige kamen, um beim diesjährigen Strafgericht dabei zu sein. Und als es dann 19 Uhr war, traditionell der Beginn des Wippens, war der Große Teich einmal mehr dicht umlagert.
Wer gekommen war, wurde Zeuge einer Neuerung: Männertausch auf offener Bühne – das hatte es beim Wippen noch nicht gegeben. Hauptprotagonisten dieser verhängnisvollen Premiere waren Burkhard Schnettler und Thomas Nübel. Wobei das Verhängnis einzig den Scharfrichter a.D. Schnettler traf: Hatte Er noch vor Jahresfrist keine Gnade gekannt und unter anderem Nübel wegen fortgesetzter Ämterhäufung zur Besinnung in die Entenkacke geschickt, wurde der Spieß gestern Abend umgedreht.
Die Ruhe seines Standes erwies sich für Schnettler als trügerisch – an Häme ließ es sein Nachfolger bei der Urteilsverkündung nicht mangeln. Dabei setzte der Neue unverkennbar seine eigenen Duftmarken: Statt westfälischer Rustikalität salbaderte er sich mit pseudofranzösischer Finesse als Richter Dingsbums du Schafotte in die Herzen des Publikums – angeblich durch europaweite Ausschreibung auf den Job in der Provinz gestoßen und auf einjähriger Bewährung. Der Mann, da war die tausendköpfige Jury um die Entengrube am Ende einig, darf auch danach gerne wiederkommen.
Mit Fassung trugen Musikant Tobias Schlenke, Tambourmajor des Schoneberger Spielmannszuges, und Fabrikant Andreas Rother, als IHK-Präsident und Multi-Ehrenamtler einfach prädestiniert fürs Malefikantentum, ihre Bestrafungen. Beiden, so der Vorwurf, mangele es an Treue zu Soest und seinen Bürgerschützen – nach dem Bad in der Entenkacke und der Menge werden sie dennoch in der Stadt gern gesehene Gäste sein und bleiben.
Und ehrlich: Das Zittern nach dem Entsteigen der auffällig ungeklärten kühlen Brühe hielt sich bei dem Trio in Grenzen – da tat wohl die mächtig wärmende Abendsonne ihr wohliges Werk. Die selbe Sonne, die das Volk drumherum innerhalb von Minuten hinfort in Biergärten oder sonstwohin vertrieb.