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Zahlen für den Kreis Soest: 132 Fälle von Clan-Kriminalität

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Von: Holger Strumann

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Bei Razzien gehen Polizeibeamte gegen die organisierte Kriminalität vor. Jetzt haben sie ganz besonders die Clankriminellen im Visier. © Boris Roessler/dpa

Soest – Auf den ersten Blick könnte der Bericht des Landeskriminalamts zur Clan-Kriminalität größere Besorgnis in Soest auslösen. Die Fallzahlen hier im Kreis liegen zum Teil deutlich über denen der Nachbarkreise.

Doch inzwischen hat sich die örtliche Polizei das Datenmaterial angesehen, mit ihren Akten abgeglichen und die zuständigen Ermittler befragt. Das Fazit: Die Situation ist nicht annähernd so brenzlig, wie die nackten Zahlen vermuten lassen. In der Masse steckt viel Kleinkriminalität dahinter – und zum Glück nicht, was gemein mit Clan-Kriminalität als Erstes in Verbindung gebracht wird: Verbrechen wie Tötungsdelikte, schwerer Raub, Brandstiftung, Drogenhandel.

Auch wenn der Begriff Clan-Kriminalität nicht restlos scharf ist, so haben Bund und Länder doch Übereinkunft erzielt, auf was sich ihr Augenmerk richtet: Zum Beispiel auf „das geschlossene Auftreten von Mitgliedern türkisch-arabischstämmiger Großfamilien in der Öffentlichkeit“, auf die Ablehnung der Rechtsordnung, Respektlosigkeit und Gewalteskalation – das alles mit dem Ziel, behördliche Arbeit zu beeinflussen oder zu verhindern. Und: Die Einbeziehung von Familien in die Begehung von Straftaten schafft zudem die Voraussetzung für eine effektive Abschottung, die durch sprachliche und kulturelle Abgrenzung geprägt ist.“

Zahlen für den Kreis Soest stechen hervor

Die meiste Arbeit ist in den vergangenen drei Jahren auf die Polizeipräsidien in Essen, Recklinghausen, Gelsenkirchen und Duisburg zugekommen. Doch für den überschaubaren ländlichen Raum stechen die Soester Zahlen hervor: Vor allem die 132 Straftaten, die 2017 verübt worden sind. Zum Vergleich: Hochsauerland 24, Paderborn 44, Hamm 39, Warendorf 33.

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Bei der Polizei in Soest verweist man aber auch darauf, dass die Zahl der Straftaten in 2018 auf 71 zurückgegangen ist und dass man im gesamten Berichtszeitraum von 2016 bis 2018 elf Mehrfachtäter im Blick gehabt habe, die mindestens fünf Straftaten verübt haben. Vor allem aber: „Es handelt sich dabei in der Regel nicht um jene Kriminalität, die Clans in Großstädten begehen.“ Gerade bei den Mehrfachverdächtigen gehe es meistens um einfache und mittlere Kriminalität, also einfache Körperverletzung, Bedrohung, häuslicher Streit, Hausfriedensbruch, Warenbetrug, erläutert Polizeisprecher Holger Rehbock.

"Können entspannt mit der Situation umgehen"

All diese Delikte und Täter hat die Soester Polizei auch schon vor der vom Innenminister ausgerufenen Clan-Offensive auf dem Schirm gehabt. Erst in diesem Monat sei zum ersten Mal ein gesondertes Lagebild zur Clan-Kriminalität erstellt worden. Neu sei also nur der Blickwinkel der Betrachtung. Und dabei zeige sich: „Wir können sehr entspannt mit der Situation umgehen“, sagt Rehbock. Denn gerade die bekannten Mehrfach-Täter habe die Soester Polizei schon im Rahmen ihres Intensivtäter-Konzepts gezielt auf dem Schirm gehabt.

Künftig gehe es also darum, die bereits gewonnenen Erkenntnisse mit anderen Polizeidienststellen und Behörden gezielt unter dem Stichwort Clankriminalität auszutauschen. Denn im Kreis Soest – vorwiegend in Werl, Soest und Lippstadt – leben Kleinkriminelle, die exakt in das Raster passen und verwandtschaftliche Beziehungen zu Clans haben. Rehbock: „Im Verhältnis von Tatverdächtigen dieser Personengruppe zur Einwohnerzahl gehen wir zurzeit nicht von einer Konzentration der Clankriminalität aus.“ Zumal es sich eben nicht um jene Kriminalität (schwere Straftaten) handelt, mit der die Clans in den Großstädten des Landes in die Schlagzeilen gekommen sind.

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