1. Soester Anzeiger
  2. Lokales
  3. Soest

Zwei Tonnen Bronze müssen raus: Sturmglocke zieht vom Dom in die Werkstatt

Erstellt:

Von: Kathrin Bastert

Kommentare

Die Vorbereitungen für das Herunterheben der Sturmglocke laufen, das Gerüst am Dom steht schon.
Die Vorbereitungen für das Herunterheben der Sturmglocke laufen, das Gerüst am Dom steht schon. © Peter Dahm

Die Sturmglocke im Dom läutet seit fünf Jahren nicht mehr. Damals wurde ein Haarriss entdeckt. Der soll jetzt repariert werden.

Soest – Die Protestanten von gegenüber haben’s zuerst gehört. Petri-Kollege Friedhelm Overbeck habe ihn angerufen und gesagt: „Da stimmt was nicht mit eurer Sturmglocke“, erinnert sich Domküster Georg zur Heiden. Und tatsächlich: Die Glocke klang plötzlich nicht mehr so, wie sie sollte. Schuld dran ist ein Haarriss, ganz klein war der zuerst. Das zu erkennen ist alles andere als einfach, erklärt Michael Plitzner. Der Ingenieur ist für das Europäische Kompetenzzentrum für Glocken, „ECC Probell“ mit Sitz an der Hochschule in Kempten/Allgäu, dieser Tage in Soest, um den Schaden am historischen Geläut zu untersuchen und das Herabholen der beschädigten Sturmglocke zu begleiten.

Hat eine Glocke einen Riss, dann wird sie dissonant, erklärt der Fachmann. Das heißt soviel wie, dass das bronzene Instrument ein bisschen schräg klingt. Wenn der Riss größer werde und die Glockenwand durchdringe, dann nehme auch die Dämpfung zu, die Glocke klinge also weniger lang nach. 90 Prozent der Schäden an historischen Glocken würden durch akustische Wahrnehmung erkannt, erklärt Plitzner. „Leider haben wir ein vergleichsweise unsensibles Gehör, deshalb sind die Schäden häufig schon so groß.“ Im Fall der Soester Domglocke allerdings kam die Erkenntnis früh, kaum hör- und nur mit einem guten Blick sichtbar. Und dass, obwohl die Sturmglocke fast nie allein geschlagen wird. Womöglich klang sie sogar nur für Sekunden im Solo. Inzwischen ist der Riss etwa 75 Zentimeter lang. Und bei jedem Anschlagen – das nur noch im absoluten Ausnahmefall und zu Diagnosezwecken erfolgt – reißt der Riss weiter auf.

Fast 75 Zentimeter lang ist der Haarriss inzwischen.
Fast 75 Zentimeter lang ist der Haarriss inzwischen. © Peter Dahm

Fünf Jahre hat es gedauert, ehe die Glocke jetzt ihren Weg in die Werkstatt antritt. Die Reise geht in die Niederlande, genauer zur Firma „Royal Eijsbouts“ in Asten. Eine gute Adresse, versichert Michael Plitzner, „eine der wenigen Firmen in Europa, die das können.“ Um dorthin zu gelangen, muss die Glocke erst einmal aus dem Glockenstuhl gehoben werden. Der größte Teil dieser Arbeit ist Handarbeit, beschreibt Georg zur Heiden. Erst muss sie, noch im Glockenstuhl, verschoben werden, Achse und Klöppel entfernt. Dann wird der zwei Tonnen schwere Glockenkörper etwa 15 Meter abgelassen, bis auf die Gewölbeebene. Dort wird das Dach geöffnet, ein Autokran hebt die Glocke herunter.

Zwei Wochen soll die Reparatur dauern, dann läuft das Prozedere rückwärts ab. Sicherlich unter großer Beachtung der Soester, vermutet Kirchenvorstand Thomas Nübel, so ein Spektakel ist ja nicht ganz alltäglich, „und das Wiederaufsetzen ist natürlich ein ungleich freudigerer Anlass als das Herausholen der Glocke.“ Gar nicht so lange her, dass die Patrokligemeinde Ähnliches erlebte: Die Allerheiligenglocke musste 2015 in die Reparatur. In den frühen 1950er Jahren war auch die Sturmglocke schonmal zum Schweißen gebracht worden; fast genau gegenüberliegend hatte die Bronze damals einen Riss.

Akribisch hat Michael Plitzner nach der Ursache für den neuerlichen Schaden geforscht. Und hat sie wohl auch gefunden. „Überbeanspruchung“ lautet die Diagnose, und die ist nicht etwa der Propstei anzulasten. Die geht nämlich sehr behutsam um mit ihren Glocken, schont sie, lässt sie nur selten mit läuten. Die Sturmglocke datiert immerhin aus dem 13. Jahrhundert, „da hören wir live das Mittelalter“, sagt Experte Plitzner. Er bemerkte allerdings auch, dass die Glocke leicht schief im Turm hängt, was offenbar dazu führte, dass der Klöppel auf der einen Seite viel heftiger anschlug als auf der anderen. Die Position wird natürlich korrigiert. Und das Kompetenzzentrum für Glocken kennt noch so einige Kniffe, wie sich die Gefahr künftiger Schäden minimieren lässt. Schließlich soll die Sturmglocke möglichst lange noch weiterläuten – und auch finanziell hat die Kirchengemeinde ein Interesse daran. Immerhin kostet die Reparatur, inklusive Aus- und Einbau und neuem Klöppel, 62 000 Euro, rund 25 000 muss die Patrokligemeinde übernehmen.

Georg zur Heidenan steht im Glockenstuhl an der Sturmglocke. Sie aus dem Turm zu heben ist ein erheblicher Kraftakt, der Großteil Handarbeit.
Georg zur Heiden steht im Glockenstuhl an der Sturmglocke. Sie aus dem Turm zu heben ist ein erheblicher Kraftakt, der Großteil Handarbeit. © dahm

Auch interessant

Kommentare