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Abwassergebühren: So geht es nach dem Urteil am OVG weiter

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Von: Achim Kienbaum

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Ein Arbeiter demonstriert, wie ein Kanalschacht im so genannten TIP-Verfahren saniert wird. Dabei werden Kurzrohre oder verschweißte Rohrstränge aus Kunststoff eng am Altrohr anliegend („Tight In Pipe“) in den alten Kanal eingebaut.
Bau und Unterhaltung von Abwassersystemen kosten Geld, das letztlich die Verbraucher bezahlen. Die entsprechenden Gebührenbescheide seien aber in vielen Fällen viel zu hoch ausgefallen, urteilte jetzt das Oberverwaltungsgericht. © Daniel Naupold

Es ist ein Urteil, das in den Rathäusern im Land mit Spannung erwartet worden war, dessen konkrete Folgen aber bislang nicht abzusehen sind. Das war jetzt der Tenor in den heimischen Rathäusern, nachdem das Oberverwaltungsgericht in Münster am Dienstag die bisherige Berechnung der Abwassergebühren in NRW für rechtswidrig erklärt hat.

Kreis Soest – Geklagt hatte ein Grundstückseigentümer in Oer-Erkenschwick – er hatte sich 2017 gegen einen Abwasserbescheid der Stadt gewehrt, Das OVG entschied jetzt – im Gegensatz zu früheren Instanzen – dass der Bescheid tatsächlich zu hoch ausgefallen sei, da er mehr als die tatsächlich anfallenden Kosten berechnet habe.

Eine Praxis, die nach der gültigen Rechtsprechung aus dem Jahr 1994 von den allermeisten Kommunen im Land angewendet worden war.

Im Soester Rathaus erklärte Sprecher Thorsten Bottin unter Verweis auf diese bisher zugrunde gelegte Rechtsauffassung: „Wir werden natürlich, wie bisher auch, die Kalkulation immer im Einklang mit der jeweils gültigen Rechtsprechung anstellen.“

Näheres könne er dazu aber derzeit noch nicht sagen, weil das OVG seine Entscheidung zwar in Form einer Pressemitteilung bereits bekannt gemacht habe, eine detaillierte schriftliche Begründung aber noch nicht vorliege.

Und: Das spektakuläre OVG-Urteil ist noch nicht rechtskräftig – die Stadt Oer-Erkenschwick kann dagegen in die nächst höhere Instanz gehen und Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen.

Was für die Kollegen in der Kreisstadt gilt, das gilt auch für die Verwaltungen in Lippetal, Bad Sassendorf, Welver und Möhnesee. Überall wurde das Urteil am Dienstag zur Kenntnis genommen, überall gilt aber auch: „Wie genau es weiter geht, wissen wir noch nicht“.

Immerhin: Klarer als die Handlungsoptionen bei der zukünftigen Berechnung der Abwasserbescheide für die Grundstückseigentümer in den Kommunen ist die Erkenntnislage bei der Beantwortung der Frage, ob sich Betroffene möglicherweise Geld aus früheren Jahren zurückholen können.

Das ist nämlich, zumindest theoretisch, überhaupt nur dann möglich, wenn in der Vergangenheit Widerspruch gegen einen Bescheid eingelegt und dann auch aufrechterhalten wurde.

In Lippetal, so erklärte Hauptamtsleiterin Stephanie Grabenschröer, gibt es so einen Fall gar nicht: „Wir gehen davon aus, dass alle bisherigen Bescheide rechtskräftig sind“. Ähnlich überschaubar ist die Zahl der Widerspruchsführer offenbar auch in den anderen Kommunen. Bürgermeister Malte Dahlhoff rechnet für Bad Sassendorf allerhöchstens mit „einigen wenigen Fällen“, Kämmerer Sebastian Porsche in Welver ebenfalls.

Er weist auch darauf hin, dass die Kalkulation der Bescheide in seiner Gemeinde zuletzt bereits von „nur noch“ 4 Prozent Zinsen ausgegangen sei (siehe Infokasten).

„Dennoch müssen wir, wie es derzeit aussieht, im Haushalt wohl zukünftig mit Einnahmeausfällen rechnen“, sind sich Sebastian Porsche und Malte Dahlhoff aber einig.

Aus dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts

In seiner Entscheidung verweist das Gericht auf die NRW-Gemeindeordnung und stellt fest: „Die Gebühren dürfen nur erhoben werden, soweit sie zur stetigen Erfüllung der Aufgaben der Abwasserbeseitigung erforderlich sind“. Mit anderen Worten: Anwohner sollen also nur bezahlen müssen, was sie auch wirklich verbrauchen. Klingt einfacher als es tatsächlich ist. Denn zur Kostenkalkulation der Kommunen gehören unter anderem Abschreibungen und Zinsen. Nahmen die Kommunen, im Einklang mit der bislang geltenden Rechtsprechung, den Durchschnitt des Zinsniveaus der vergangenen 50 Jahre, hält das OVG lediglich einen Zeitraum von zehn Jahren für angemessen. Mit der Folge, dass der Zinssatz deutlich sinken würde. In Oer-Erkenschwick von 6,52 Prozent (im Jahr 2017) auf nur noch 2,42 Prozent. Entsprechend niedriger würden auch die Abwassergebühren ausfallen.

In Möhnesee erwartet Kämmerer Günter Wagner ähnliche Folgen für die kommenden Gemeindehaushalte – in welcher Größenordnung, das sei aber jetzt noch nicht abzuschätzen. Relativ entspannt blickt er allerdings zurück auf mögliche Rückforderungen von Gebührenzahlern: Nur etwas mehr als ein Dutzend Bürger haben überhaupt noch einen Einspruch offen.

Immerhin: Was für die Kämmerer in den Rathäusern aller Voraussicht nach mehr oder weniger schmerzhaft sein wird, dürfte viele Grundstückseigentümer freuen. Ihre Abwasserbescheide werden, wenn die OVG-Entscheidung Bestand haben sollte, in Zukunft wohl niedriger ausfallen als bisher.

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