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Verteilerstelle für gerettetes Obst und Gemüse: Erfolgreicher Auftakt in Soest

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Von: Sarah Hanke

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Der erste Tag in der Verteilstelle: Sandra Dietrich (links) organisiert für ihr Unternehmen den Verkauf von Lebensmitteln, die anderswo erst gar nicht in den Handel kämen.
Der erste Tag in der Verteilstelle: Sandra Dietrich (links) organisiert für ihr Unternehmen den Verkauf von Lebensmitteln, die anderswo erst gar nicht in den Handel kämen. © Peter Dahm

Ein brauner Fleck auf der Schale der Orange, eine krumme Gurke oder eine Möhre mit drei Beinen – optische Makel, wegen denen sie aussortiert werden, obwohl sie eigentlich genießbar wären. Sandra Dietrich hat sich auf die Fahne geschrieben, der Lebensmittelverschwendung ein Ende zu setzen.

Soest –Ab sofort geht die erste Verteilerstelle der „FoodHeroes21“ für gerettetes Obst und Gemüse im Raum Soest an den Start. „Das ist dann die fünfte Verteilerstelle“, freut sich Dietrich. „Die Verteilerstelle für gerettetes Obst und Gemüse habe ich bei mir zuhause auf einem Hof in Leopoldshöhe eröffnet“, erzählt Dietrich. 430 fertig gepackte Kisten habe sie in relativ kurzer Zeit verkauft – ein Erfolg, mit dem sie so nicht gerechnet hatte. „Ich war überrascht, dass sie so gut angenommen wurden“, erinnert sich Dietrich. „Es war gleichzeitig die Motivation, weiterzumachen und weitere Verteilerstellen zu eröffnen.“

Im Vorfeld habe sie von Freunden und Nachbarn von ähnlichen Projekten gehört und sich dann zum Thema Lebensmittelverschwendung schlau gemacht. „Die Richtlinien in Deutschland sind da ja richtig streng“, so Dietrich. „Wenn die Temperatur im Lkw nur um zwei bis drei Grad von der eigentlich erforderlichen abweicht, ist die komplette Ladung für den Müll.“ Ebenso die Banane, die ein bisschen zu gerade, die Gurke, die zu krumm ist und die Schokolade, die das Mindesthaltbarkeitsdatum bereits überschritten hat. Weltweit werden somit pro Jahr 1,3 Milliarden Tonnen essbare Lebensmittel weggeworfen, so die FAO, die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen. Dies entspreche fast einem Drittel des Nahrungsmittelverbrauchs.

Lebensmittel retten: Viele kommen vor dem Wocheneinkauf

Insgesamt 15 Verteilerstellen hat Dietrich seit dem Beginn ihrer „Mission“, gerettete Lebensmittel unter die Leute zu bringen, vor rund zwei Jahren eröffnet. Einige sind inzwischen wieder geschlossen. Andere betreibt Dietrich nicht mehr selbst. „In Salzkotten läuft der Laden aktuell am besten“, sagt die 37-Jährige. „Viele Leute kommen sogar erst bei uns vorbei, bevor sie ihren Wocheneinkauf erledigen.“

Die Organisation der neuen Verteilerstelle läuft über eine private Facebook-Gruppe.
Die Organisation der neuen Verteilerstelle läuft über eine private Facebook-Gruppe. © Screenshot

Was die Kunden besonders schätzen? In den gemixten Obst- und Gemüseboxen, die in verschiedenen Größen erhältlich sind, befinden sich auch mal Lebensmittel, die eher selten auf dem Speiseplan stehen. „Die Leute freuen sich, mal was Neues ausprobieren zu können. Zum Beispiel kennen viele Artischocken nicht“, so Dietrich. Von einer Kundin sei sie zudem auf die doch schon recht braune Orange angesprochen worden. „Nein schlecht, war die Frucht nicht. Es war schlicht eine Schokoorange“, erzählt die 37-Jährige. Kartoffeln und Spargel seien ebenfalls der absolute Renner gewesen: „Die Leute müssen ja aktuell sparen und können sich den für Spargel zwölf Euro vom Bauern nicht unbedingt leisten.“

Ware, die den „Beauty Test“ nicht bestanden hat

Geliefert wird alles von der Yauno GmbH. Das Unternehmen von Jonathan Yimaz aus Rietberg betreibt einen Obst- und Gemüse-Großhandel in Bielefeld. Die Firma kauft Ware, die den „Beauty Test“ nicht bestanden hat, oder aus Überproduktion von Lebensmitteleinzelhändlern wie Edeka oder von Bauern auf und stellt daraus Kisten in verschiedenen Größen zusammen. Aber es gebe auch Einzelware. Neben Obst und Gemüse gibt es außerdem Süßigkeiten, die das Mindesthaltbarkeitsdatum bereits überschritten haben, und Wurstwaren. „Aktuell haben wir zum Beispiel wieder Bacon“, sagt Dietrich.

Der erste Tag in der Verteilstelle lief erfolgreich. Das Projekt sei in Soest gut angenommen worden.
Der erste Tag in der Verteilstelle lief erfolgreich. Das Projekt sei in Soest gut angenommen worden. © Screenshot

chtfertigen, ob sie den Tafeln mit ihren Verteilerstellen die Lebensmittel nicht abgreifen würde. „Hierbei handelt es sich um Ware, die die Tafeln gar nicht wollen“, sagt Dietrich. Obst und Gemüse sei ohnehin nicht sehr gefragt und würde oft „im Graben landen“, hätten Tafeln und Kunden ihr gesagt. Als sie einer Tafel eine ihrer Kisten anbieten wollte, hätten diese dankend abgelehnt.

Kampf um die Reste mit den Tafeln?

Die Tafel in Paderborn verzeichne wie andere Tafeln auch einen Rückgang an Lebensmittelspenden. „Das liegt aber nicht an Foodheroes21, sondern an anderen Umständen“ heiß es dazu von einem Tafel-Mitarbeiter auf Anfrage. Michael König von der Soester Tafel ergänzt: „Von Januar bis etwa April bekommen die Tafeln jahreszeitenbedingt eh weniger. Das liegt unter anderem auch an der Erntezeit, die ja erst wieder beginnt.“ Ob die Tafeln wegen der Verteilerstelle im Raum Soest nun weniger Lebensmittel erhalten wird, bleibe abzuwarten. Dass die Händler die Ware aber bevorzugt gegen einen kleinen Obolus abgeben werden, kann sich König durchaus vorstellen.

Ab Februar startet die Verteilerstelle im Raum Soest an den Traumgärten am Katroper Weg 88. „Wir haben auf der Karte nach einer weiteren Stadt gesucht, in der so eine Verteilerstelle gut laufen könnte“, sagt Dietriech. In Paderborn gibt es bereits ein solches Angebot, in Soest allerdings noch nicht. Auch die Einwohnerzahl habe bei der Standortsuche eine Rolle gespielt.

„Wenn die Temperatur im Lkw nur um zwei bis drei Grad von der eigentlich erforderlichen abweicht, ist die komplette Ladung für den Müll.“

Sandra Dietrich von FoodHeroes21

Künftig plant Dietrich, auch im Ruhrgebiet die ein oder andere Verteilerstellen zu eröffnen. Die ersten Tage wird sie dann wieder selbst am Verkaufstresen stehen, bevor sie das Zepter weitergibt. Mit drei Kindern im Alter zwischen vier und 13 Jahren würde das irgendwann ihr Pensum übersteigen.

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