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Zeuge belastet sie schwer: Wollte eine Soesterin ihre Nachbarn töten?

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Von: Daniel Schröder

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Seit Donnerstag muss die Frau aus Soest sich vor Gericht verantworten. Weil sie laut Staatsanwaltschaft „für die Allgemeinheit gefährlich“ sei, wurde sie gefesselt in den Gerichtssaal geführt.
Seit Donnerstag muss die Frau aus Soest sich vor Gericht verantworten. Weil sie laut Staatsanwaltschaft „für die Allgemeinheit gefährlich“ sei, wurde sie gefesselt in den Gerichtssaal geführt. © Daniel Schröder

Brand in einem Hochhaus am Gotlandweg. Die Feuerwehr muss mehrere Meerschweinchen retten. Die mutmaßliche Brandstifterin steht seit Donnerstag vor Gericht. Ist Soest einer Katastrophe entgangen?


Soest/Lippstadt/Arnsberg – Wollte die 34-jährige Soesterin neben ihren Meerschweinchen auch die Mitbewohner des Hochhauses am Gotlandweg töten? Und wie schuldfähig war die Borderline-Erkrankte? Um diese und weitere Fragen dreht sich der Prozess vor dem Arnsberger Landgericht, der sich voraussichtlich bis zum 22. Juni ziehen wird. Beim Prozessauftakt am Donnerstag verlas Staatsanwalt Klaus Neulken die Anklagen gegen die Soesterin. Zudem sagten fünf Zeugen aus.

Mutmaßliche Brandstifterin aus Soest vor Gericht: Die Anklagen

Die Soesterin wird mehrerer Straftaten beschuldigt. Am 13. Januar dieses Jahres soll sie in ihrer Mietwohnung in einem der Hochhäuser am Gotlandweg an mehreren Stellen Brände gelegt und die Wohnung in der Annahme verlassen haben, „alles für die Brandlegung Erforderliche getan zu haben“.

Der Staatsanwalt: „Allein aufgrund des Einsatzes der Feuerwehr konnte ein Abbrennen der Wohnung und des Hauses verhindert werden.“

Der Fall erregte großes Aufsehen, weil die Frau auch in einem Meerschweinchen-Gehege Feuer gelegt haben soll. Die Feuerwehr konnte vier der insgesamt sechs Meerschweinchen retten.

Mutmaßliche Brandstifterin aus Soest vor Gericht: Sie soll auch in Klinik gezündelt haben

Außerdem soll die Frau am 18. März 2021 versucht haben, ein „Gebäude durch Brandlegung zu zerstören“. Bei diesem Gebäude handelte es sich um ein Haus der LWL-Klinik in Lippstadt-Benninghausen. Für den mutmaßlich geplanten Großbrand soll sie ihr Bett angezündet haben. Zum Zeitpunkt des Brandes hielten sich laut Anklage 20 Patienten und einige Mitarbeiter im Gebäude auf. Das Feuer konnte vom Klinik-Personal frühzeitig entdeckt und gelöscht werden.

Drei Richter und zwei Schöffen sollen an mehreren Prozesstagen darüber urteilen, wie es für die Soesterin weitergehen wird.
Drei Richter und zwei Schöffen sollen an mehreren Prozesstagen darüber urteilen, wie es für die Soesterin weitergehen wird. © Daniel Schröder

Die Frau wurde nach draußen gebracht. Dort soll sie um sich geschlagen und gesagt haben, dass sie sowohl sich als auch andere umbringen wollte.

Mutmaßliche Brandstifterin aus Soest vor Gericht: Rastete sie in der Sparkasse aus?

Am 22. März 2021 habe die Frau dann in der Lippstädter Sparkasse versucht, Geld abzuheben. Weil das jedoch nicht ging, habe sie die Angestellte beschimpft und bedroht. Zudem soll sie die hinzugerufenen Polizisten geschlagen und getreten haben.

Mutmaßliche Brandstifterin aus Soest vor Gericht: Mutmaßliche Morddrohung gegen Frau des Betreuers

Ende Juli 2021 soll sie ihrem damaligen Betreuer zudem per Whatsapp gedroht haben, ihn zu töten. Als der Betreuer zusammen mit einer Kollegin in die Wohnung der Beschuldigten kam, habe ein großes Küchenmesser mit einem Brief auf dem Bett gelegen. In dem Brief soll die Soesterin den Betreuer aufgefordert haben, ihr Geld zu auszuzahlen. Würde dies nicht bis 17 Uhr geschehen, sei er ab 18 Uhr Witwer. Zwei Männer seien bereits beauftragt und würden sich in der Nähe seiner Frau befinden, soll die Soesterin geschrieben haben.

Mutmaßliche Brandstifterin aus Soest vor Gericht: Die Angeklagte

Zu den Anschuldigungen werde die Frau sich „erst einmal nicht äußern“, erklärte ihr Verteidiger Philipp Allhoff aus Soest. Einzig zu ihrer persönlichen Situation machte die 34-Jährige Angaben: Demnach habe sie die Förderschule nach der neunten Klasse abgebrochen. Die Ausbildung zur Gärtnerin habe sie wegen Mobbings und Depressionen nicht beendet. Es folgte der Kontakt zu „falschen Leuten“, Alkohol, Drogen. Mit 18 habe sie das erste Mal Crystal Meth und Haschisch geraucht.

Nach einem Verkehrsunfall, bei dem sie 2007 angefahren und schwer verletzt wurde, folgten die ersten längeren Klinikaufenthalte, später Obdachlosigkeit. Die Wohnungssuche führte sie nach Soest – sie übernahm die Wohnung am Gotlandweg von einer Freundin. Rund eine Woche vor dem Brand am 13. Januar habe sie wieder begonnen, „hauptsächlich Kokain“ zu konsumieren. Nach dem Brand führte die Spur schnell zu ihr. Seit dem 20. Januar ist sie in der LWL-Klinik in Lippstadt-Eickelborn untergebracht.

Mutmaßliche Brandstifterin aus Soest vor Gericht: Die Zeugen

Fünf Zeugen – ihr aktueller Betreuer, ein LWL-Arzt, ein Krankenpfleger, ein Polizist und die Bankkauffrau vom Vorfall am 22. März – wurden befragt. Vor allem die Aussage des Betreuers, der sich „aus beruflichen und moralischen Gründen“ eigentlich sträubte, gegen seine Klientin auszusagen, aber von Richter Petja Pagel auf seine Aussage-Pflicht als Zeuge hingewiesen wurde, hatte großes Gewicht.

Mutmaßliche Brandstifterin aus Soest vor Gericht: Wunsch, „dass die Nachbarn dabei draufgehen“

Der 49-Jährige schilderte, wie er den Tag des Brandes am Gotlandweg erlebte. Über einen Anruf durch die Hausverwaltung sei er informiert worden, dass aus der Wohnung seiner Klientin Rauch dringe. „Ich habe die Hausverwaltung angewiesen, sofort die Feuerwehr zu rufen, damit keine wertvollen Minuten verloren gehen.“ Daraufhin sei er selber zum Hochhaus gefahren. Anschließend fuhr er zu der Soesterin, die nach ihrer mutmaßlichen Tat zu ihrem Freund nach Welver gefahren sei.

In diesem Hochhaus am Gotlandweg soll die Soesterin das Feuer gelegt haben.
In diesem Hochhaus am Gotlandweg soll die Soesterin das Feuer gelegt haben. © Daniel Schröder

Dort habe er die Frau als sehr emotionslos wahrgenommen. Auf Nachfrage erklärte er: „Ich habe ihr gesagt, dass vier Meerschweinchen gerettet werden konnten. Auf meine Schilderungen hin hat sie gesagt: Das fänd’ sie sehr schade.“ Zudem, so der Zeuge, habe die Frau gesagt, dass es „nicht schlimm gewesen wäre, wenn der ein oder andere Nachbar zu Schaden gekommen wäre“ und sie sich „ärgerte, dass das Feuer so schnell entdeckt worden“ sei. Gegenüber der Polizei hatte er noch präziser angegeben, dass die Soesterin ausgesagt habe: „Schade. Ich hätte mir gewünscht, dass die Nachbarn dabei draufgehen.“ Der Betreuer verständigte nach ihren Schilderungen die Polizei.

„Es kommt versuchter Mord in Betracht“, so die Einschätzung von Staatsanwalt Klaus Neulken nach der Zeugenaussage des Betreuers.
„Es kommt versuchter Mord in Betracht“, so die Einschätzung von Staatsanwalt Klaus Neulken nach der Zeugenaussage des Betreuers. © Daniel Schröder

Nach dieser Aussage, so Staatsanwalt Neulken, könne nicht mehr nur die Rede von schwerer Brandstiftung sein: „Es kommt versuchter Mord in Betracht.“ Der Prozess wird am 1. Juni mit weiteren Zeugen fortgesetzt.

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