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Lieber ein gläserner Würfel als ein gläserne Turm

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Von: Holger Strumann

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JenTower
Störenfried: Mitten in die Altstadt Jenas ist in den 70er-Jahren der 160-Meter-Lulatsch „Jentower“ gesetzt worden. © Pippke

Moderne Architektur in der Soester Altstadt ja, gerne auch mit viel Glas und spiegelnden Flächen und vielleicht in Form eines Würfels. Aber auf keinen Fall so einen 60-Meter-Turm, wie ihn der Soester Architekt Bernd Grüttner kürzlich in die Debatte gebracht hat

Soest – Auf diesen knappen Nenner lässt sich der Beitrag von Dr. Wolfgang Pippke bringen. Der 77-Jährige kennt die Stadt, ihre Bauten und Befindlichkeiten nur zu gut und hat selber vor 30 Jahren im Bauausschuss mitgewirkt.

Pippkes Statement hebt sich von den meisten Beiträgen in den vergangenen 14 Tagen ab, weil es nicht schwarz-weiß malt. Der langjährige Leiter und Dozent der Soester Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, der 1983 zudem zu den Mitbegründern der Grünen in der Stadt zählte, legt gleich zwei Beispiele aus Berlin und Jena vor, wie moderne Architektur seiner Meinung nach bereichern, aber eben auch verhunzen kann.

„Soester Freiheit“ auf 18 Etagen

Um überhaupt mal eine Diskussion über zeitgenössisches Bauen mitten in Soest angestoßen, hatte Grüttner die Konzeptstudie „Soester Freiheit – ein neuer Turm“ entworfen. Seine Idee: Ein Büro-Turm für die Stadtverwaltung mit 18 Etagen und gläserner Außenhaut zwischen Rathaus und Petrikirche.

Weitaus höher, nämlich 160 Meter ragt der zylinderförmige „JenTower“ mitten in der Altstadt von Jena in den Himmel. Er wurde zu DDR-Zeiten Anfang der 70er-Jahre errichtet, mehrfach umgebaut und unterschiedlich genutzt. Pippke hat sich ihn und das historische Ensemble um ihn herum angesehen und fotografiert. Sein Urteil: „Eine Augenweide ist er nicht, und er passt architektonisch auch nicht in das historische Umfeld.“

Mit dem Cube auf dem Washington-Platz in Berlin nahe des Hauptstadtbahnhofs verhält es sich dagegen ganz anders. Der erst vor einem Jahr bezogene Spiegel-Würfel mit jeweils 42,5 Metern Kantenlänge ist nach Ansicht Pippkes „ein wahrer Hingucker“. Der Bau besteche durch seine verspiegelten und mehrfach gefalteten Außenflächen und reflektiere somit wie in einem Kaleidoskop die Bewegungen rundum. Für den Betrachter ändere sich mit jedem Schritt das Bild.

„Lieber etwas bescheidener“

Die Architekten in Berlin haben auf die zehn Geschosse gleichermaßen Gastronomie, Büros und Kanzleien untergebracht. Und sie haben alles getan, damit Sorgen vor Erhitzung, wie sie auch in der Debatte um den Soester Turm aufkamen, schnell zerstreut wurden. Die bei der Sonneneinstrahlung entstehende Energie wird zur Kühlung der zugeführten Frischluft eingesetzt. Beschichtete Fensterscheiben verringern das Aufheizen des Inneren.

So einen Würfel, allerdings zwei Nummern kleiner, mit Café und Bistro auf dem Petrikirchhof in Soest? Warum nicht, sagt Pippke, der sich so einen spiegelnden Cube „durchaus vorstellen“ kann. In dem Punkt liegt er auf einer Linie mit dem Soester Turm-Architekten: „Ich stimme Bernd Grüttner zu, dass Städtearchitektur in der Historie ein lebendiger Prozess ist, der auch vor Tabubrüchen nicht zurückschrecken sollte.“ Pippkes Urteil zum Turm indes lautet: „Der Vorschlag gefällt mir aber ganz und gar nicht. Geht es nicht ein bisschen bescheidener und passender für die Soester Innenstadt?“    

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