Menges zeigte Verständnis. „Das ist sehr ärgerlich. Es tut mir leid um jeden, der sich impfen lassen will und an dem System scheitert.“ Angeblich seien am ersten Tag bis zu 700 Zugriffe pro Sekunde erfolgt. Von den 520 000 in Westfalen-Lippe zur Verfügung stehenden Terminen waren am Mittwochabend bereits 470000 vergeben. Dr. Menges ermutigte abgewiesene Anrufer aber, „dran zu bleiben“.
Zurzeit seien nur so viele Termine freigeschaltet, wie Impfstoff zugesagt worden sei. Man gehe aber davon aus, dass es bald weitere Termine gebe. Ab dem 8. Februar sei das Zentrum am Senator-Schwartz-Ring in Betrieb, ab dem 1. März werde ganztags geimpft, 12 Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche. Fest steht: „Wir könnten im Impfzentrum mehr machen, wenn wir mehr Impfstoff hätten.“
Für alle Fälle begleitete Mirko Hein vom Kreis Soest den Arzt. Er notierte sich Termin- Unklarheiten und -Verwirrungen, um sie später abzugleichen, wenn dem Impfzentrum eine Meldeliste der KV (Kassenärztlichen Vereinigung) vorliegt.. Die KV betreibt das Anmeldewesen.
Helfen konnte Dr. Menges den zahlreichen Allergikern unter den Anrufern: Ob sie Pollen, Haare, Hölzer, Penicillin oder auf welche Stoffe auch immer reagieren – der Arzt riet allen, sich gegen Corona impfen zu lassen.
Der jetzt zur Verfügung stehende Impfstoff von Biontech/Pfizer sei relativ robust und enthalte kein Fremdeiweiß, sondern Erbinformationen des Virus, die nicht allergen seien, sagte der Arzt.
Allergieauslösend könne lediglich ein Zusatzstoff wirken, der sich in zahlreichen probaten medizinischen Mitteln in deutlich höherer Konzentration befinde. In der Regel löse dieser Stoff keine allergische Reaktion aus.
Menschen, die bereits einen allergischen Schock mit Bewusstseinsverlust erlitten hatten, riet Dr. Menges von der Impfung ab. Sie sollten besser abwarten, bis neue Erkenntnisse vorlägen, sich beraten lassen und sich erst dann für die Impfung anmelden.
Bedenken hatte auch mancher Krebspatient. Auch ihnen riet Dr. Menges zur Impfung. Das Zentrum sei auch auf sie vorbereitet. Bei der Nachüberwachung, die 15 bis 30 Minuten dauere, werde auf sie ein besonderes Augenmerk gerichtet, Und für alle Fälle stehe ein Notfallteam im Impfzentrum bereit.
Das Gleiche gelte für Menschen über 80 mit Vorerkrankungen. Diese Krankheiten seien kein Grund, sich nicht impfen zu lassen. Im Gegenteil: Mit einer Impfung laufe eine Corona-Infektion wesentlich glimpflicher ab als ohne.
Wer allerdings glaubt, wegen seiner Vorerkrankungen oder chronischen Leiden früher geimpft werden zu können als andere, irrt.
In der Gruppe I, die jetzt „dran“ ist, werden nur über 80-Jährige und medizinisches Pflegepersonal versorgt. Ab nächste Woche würden auch ambulante Pflegekräfte geimpft, kündigte Menges an. Gut für bettlägerige oder nicht transportfähige alte Menschen. Sie können jetzt beruhigt zuhause bleiben. Meistens ist die ambulante Pflegerin ohnehin ihr einziger Außenkontakt. Das Infektionsrisiko ist also auf diese Weise relativ gering, und wenn die Hilfskraft geimpft ist, sinkt es noch mehr.
In den Gruppen I und II der über 70-Jährigen, die als nächste über die Impfmöglichkeit informiert werden, spielt im Wesentlichen das Lebensalter eine Rolle. Dann kommen die über 60-Jährigen dran - die Gruppe III. Und erst da spielen Vorerkrankungen wie Diabetes, Operationen und chronische Leiden wie Morbus Crohn eine Rolle. Selbst wer in der Gruppe IV, also der unter 60-Jährigen ist, kann mit solchen Hemmnissen schon früher, also mit Gruppe III, geimpft werden.
„Sie brauchen keine Angst vor einer Impfung zu haben“, betonte der Mediziner. Und zitierte eine vergleichsweise aktuelle Auswertung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI): In Deutschland müsse jede Nebenwirkung einer Impfung gemeldet werden. Bei mehr als einer Millionen Impfungen seien nur in 145 Fällen schwerwiegende Nebenwirkungen bekannt geworden.
Viele Anrufer fragten, ob sie ihre alten Angehörigen begleiten könnten und bekamen eine negative Antwort. Wer nicht unbedingt rein muss, sollte möglichst vor der Tür des Impfzentrums bleiben.
„Aus hygienischen und medizinischen Gründen darf sich nur eine bestimmte Anzahl von Menschen in dem Gebäude aufhalten“, erläuterte der Arzt. Am Eingang stehen ausreichend Rollstühle und Rollatoren bereit. „Und notfalls findet sich auch jemand, der den Rollstuhl schiebt“, versprach Menges augenzwinkernd.
Nur bei ausgeprägten Leiden wie Schwerhörigkeit oder Blindheit dürfe ein Begleiter mitkommen. Es lohne sich aber für diesen nicht, zuvor einen Corona-Test zu machen, weil am Eingang zum Zentrum ohnehin Fieber gemessen und andere Werte festgestellt würden.
Manch einer wollte es ganz genau wissen, fragte nach der Gruppenteilung, wann wer dran sei, ob und wann die Hausärzte das Impfen übernehmen und ob man im August endlich wieder in den Urlaub fahren könne – natürlich möglichst geimpft.
Bei allen Antworten von Dr. Menges wurde klar: Selbst die Mediziner sind jeden Tag neuen Informationen ausgesetzt und müssen darauf reagieren. Dies betrifft neue Erkenntnisse über die Impfstoffe, aber auch politische Entscheidungen über die Zuteilungen der Impfstoffe an das Zentrum. Die Lage kann sich manchmal binnen weniger Stunde ändern.
Einem Anrufer konnte der Doktor am Donnerstagmittag auf jeden Fall helfen: Der Mann schildert, dass er auf Bildern in den Medien gesehen habe, wie überwiegend am linken Arm gespritzt werde. Ja, bestätigte der Mediziner, die meisten Menschen seien Rechtshänder und man wolle darum am rechten Arm Schwellungen vermeiden, die manchmal nach einer Impfung aufträten. Aber eigentlich sei es egal, man müsse nicht links, sondern könne auch rechts impfen. Da war ein deutliches, erleichtertes Aufatmen am anderen Telefonende zu hören.