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Ernte extrem: Hier fressen sich 1.156 PS durch ein Maisfeld

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Von: Klaus Fischer

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Maishäcksler Soest
Das Arbeitstempo des Giganten ist atemberaubend. © Klaus Fischer

Mehr als 24 Liter Hubraum, zwölf Zylinder, 140 Liter Diesel pro Stunde aus einem 1.100-Liter-Tank. So sieht es aus, wenn sich der stärkste Maishäcksler der Welt mit weit mehr als 1.000 PS durch ein Feld frisst.

Soest – Friedlich steht auf einem Acker bei Hattropholsen der Mais und reckt sich an die 2,5 Meter in den Himmel. Im Gegensatz zu Feldern weiter nördlich auf den sandigen Böden der Lipperegion sieht er hier noch trotz der monatelangen Dürre grün und frisch aus. Seine Kolben sind prall und voller gelber Körner. Der gute Bördeboden hat ihn bis jetzt immer noch mit Nähstoffen und Wasser versorgt. 500 Meter weiter auf einem nicht so günstigen Standort sind die Pflanzen allerdings schon ziemlich trocken. Da hat die Dürre auch den Lößboden an seine Grenzen gebracht. Es ist kurz nach 19 Uhr.

Plötzlich wird es laut und unruhig. Ein gelber Koloss brummt heran, in seinem Schlepptau mehrere Treckergespanne mit riesigen Anhängern. Der Fahrer auf dem gut 17 Tonnen schweren Ungetüm fackelt nicht lange, klappt dessen neun Meter breites „Maul“ aus, ein Schleppergespann positioniert sich dahinter, und schon heult der Motor des Maishäckslers auf. Es ist 19.30 Uhr. Zwei, drei Fotografen sind schnell zur Stelle und fangen die Aktion mit ihren Objektiven ein. Weitere Schaulustige bleiben stehen. Sogar eine Drohne steigt auf, um aus der Luft die Mäharbeiten abzulichten.

Maishäcksler Soest
Das neun Meter breite Mähwerk des Krone Maishäckslers BigX 1180 schafft zwölf Maisreihen auf einmal. © Klaus Fischer

Überall in der Börde fressen sich derzeit die Maishäcksler durch die Bestände, zerhacken die stattlichen Pflanzen in winzige Schnipsel, die dann zu den Biogasanlagen gekarrt werden. Das Maishäckselgut wird anschließend im Laufe eines Jahres in der Anlage in Strom und Wärme umgewandelt. Biogasanlagen sind ein Baustein der so genannten Energiewende und produzieren im Gegensatz zu Sonnen- und Windenergie kontinuierlich Öko-Strom und Wärme.

Der größere Teil der Maisflächen im Kreis Soest wird derzeit so verarbeitet. Ein weiterer Teil wird dann in einigen Tagen abgeerntet und zu Cob-Corn-Mix (CCM, Kolben und Korn) verarbeitet. Dabei werden die Maiskolben abgepflückt und anschließend Körner und die Spindel, auf der sie sitzen, geschrotet. Dabei entsteht ein Kraftfutter, das vor allem für die Schweinemast eingesetzt wird. Rinder fressen CCM aber auch gerne.

Maishäcksler Soest
Unter der Motorhaube des BigX 1180 erzeugen zwölf Zylinder mit 24,24 Litern Hubraum 1156 PS. Die Energie dafür bekommen sie aus einem Dieseltank mit einem Volumen von 1100 Litern © Klaus Fischer

Am spätesten wird der Körnermais geerntet. Hierbei werden die Kolben gedroschen und nur die gelben Körner weiter verwendet. Sie werden zu Maisgrieß oder Maisstärke verarbeitet, sind ein wichtiger Grundstoff in der Kosmetikindustrie und Pharmazie, ein Teil wird zu Biokraftstoff umgewandelt, und sogar kompostierbare Biofolien werden daraus hergestellt. Das meiste Volumen an Biomasse fällt aber an bei der Häckselung für die Biogasanlegen.

Eigentlich wäre die Ernte eines Maisfeldes nichts Besonderes, derzeit kann man das überall in der Börde beobachten. Hier aber geht der Champion ans Werk, der jüngste Sproß des Maschinenbauers Krone, der Maishäcksler BigX 1180, und nach Aussagen des Herstellers derzeit die stärkste Landmaschine der Welt. Das kann man auch beziffern: Der BigX 1180 bietet satte 1156 PS, die sein Motor mit Hilfe von zwölf Zylindern aus einem Hubraum von 24.24 Litern erzeugt.

BigX 1180 im Einsatz: Zwölf Maisreihen im Maul

In seinem gefräßigen Maul verschwinden zwölf Maisreihen auf einmal, „normale“ Häcksler schaffen sechs oder acht. Das geht so schnell, dass man kaum erkennen kann, wie das Dutzend Maispflanzen in einem Schacht in der Mitte des Mähwerks verschwindet und kurz drauf als Häckselgut aus dem „Schnorchel“ in den riesigen Transportanhänger fällt. Dabei wurden die Pflanzen nicht nur klein geschnitten. Die gelben Körner, die reif sind und deshalb sehr hart, werden in einem „Cracker“ im Bauch der Maschine zermahlen, damit sie in der Biogasanlage von den Mikroorganismen verarbeitet werden können.

Autofahrer kennen die Transportgespanne derzeit zur Genüge. Denn diese Ungetüme, locker 2,5 Meter breit, bis zu vier Meter hoch und bis zu 13 Meter lang, verstopfen so manche Straße. Das Tröstliche daran: Dieser „Spuk“ dauert nur zwei, drei Wochen, dann sind die Felder abgeerntet und die Silos der Biogasanlagen gefüllt.

BigX 1180 im Einsatz: 140 Liter Diesel pro Stunde

Respekt sollte man auf jedem Fall vor den Fuhrwerken haben. In den zwei- oder dreiachsigen Hänger passen je nach Größe 20 bis 48 Kubikmeter Häckselgut hinein. Bei einem Gewicht zwischen 250 und 400 Kilogramm pro Kubikmeter je nach Feuchtigkeit und Dichte kommen etliche Tonnen zusammen. Ein solches voll beladenes Gespann kann bis zu 40 Tonnen auf die Waage bringen. Das ist die höchstzulässige Masse auf unseren Straßen. Größeres Gewicht bedarf einer Sondergenehmigung.

Diese Daten sind schon beachtlich. Aber noch imponierender ist die Ernteleistung des Krone Maishäckslers. Damit er ständig ernten kann - Stillstand ist ziemlich teuer -, sind zehn Treckergespanne pausenlos im Einsatz, um den Häckselmais zur Biogasanlage in Heppen zu schaffen.

Maishäcksler Soest
Das größte Gespann im Einsatz: Der dreiachsige Hänger ist acht Meter Lang und hat ein Transportvolumen von über 40 Kubikmetern. © Klaus Fischer

Während sich die Erntemaschine durch die Maisreihen frisst, fährt parallel dazu ein Gespann, das über den langen Rüssel des Ernters beladen wird, und zwar vollautomatisch. Die Maschine erkennt genau, wo noch Platz im Hänger ist und positioniert den Auswurfbogen entsprechend für eine gleichmäßige Beladung. Ist der Hänger voll, wird der Materialstrom kurz unterbrochen, der beladene Hänger fährt ab, und der nächste Schlepper nimmt von hinten seinen Platz ein. So geht es pausenlos weiter.

Im Maul des Häckslers befinden sich Sensoren, die den Feuchtigkeitsgehalt und weitere Bestandteile der Maispflanzen messen, abspeichern und danach die Größe des Häckselguts einstellen. Die Reihen hält die Maschine ebenfalls automatisch ein. So viel Kraft macht natürlich durstig. Deshalb hat der Häcksler einen serienmäßigen Tank von 1100 Litern Diesel. Davon rinnen pro Stunde 140 durch die Zylinder. Aber auch die Traktoren, die die schweren Lasten bewegen müssen, genehmigen sich einiges an Dieselkraftstoff, je nach PS-Klasse (die stärksten haben 400 PS und mehr) können das einige Dutzend sein.

BigX 1180 im Einsatz: Deutlich mehr als 500.000 Euro

Bleibt noch die Frage, was so etwas kostet. Der Krone BigX 1180 kostet im Grundpreis deutlich über 500000 Euro, dazu kommen dann das Mähwerk und weitere Extras. Ein Treckergespann kann zwischen 200000 und 300000 Euro veranschlagt werden (es geht auch teurer). Dazu kommen noch einige Arbeitsmaschinen in der Biogasanlage, die das Häckselgut im Silo stapeln und verdichten. Da zehn Gespanne im Einsatz waren nebst dem Häcksler, waren hier Maschinen im Wert von an die vier Millionen Euro bei der Arbeit, um gut fünf Hektar Mais in 90 Minuten klein zu machen.

Um 20 Uhr machen die Maschinenführer die ersten Lichter an, davon haben die Geräte sehr viele und sehr helle, vorne, hinten, seitlich, oben und unten. Um 20.45 Uhr wird der Strom der Transporter merklich dünner. Das Feld ist zum großen Teil schon abgeerntet, und alle zehn Fahrzeuge werden nicht mehr gebraucht. Um 21 Uhr bei Flutlicht fällt der letzte Maishalm, fünfzehn Minuten später kehrt wieder Ruhe ein, weil auch die stärkste Landmaschine der Welt nach einer Säuberung wieder abgezogen ist.

Nur ein einsamer Hase hoppelt über das leere Feld, sichtlich verwirrt, wo er sich doch zwei Stunden zuvor im schützenden Maisdickicht noch gut verstecken konnte - und jetzt ohne Deckung steht.

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