Kriminalität im Kreis Soest: Zahlen explodieren - auch im Vergleich zu Vor-Corona

Die Kriminalitäts-Zahlen für den Kreis Soest explodieren. Ein Blick in die Statistik für 2022.
Kreis Soest – Die Kriminalitätsstatistik für 2022 macht schon auf den ersten Blick mehrere Dinge klar: Die Kriminellen haben ihre „Corona-Pause“ beendet. Die Zahlen sind nicht nur auf dem Vor-Pandemie-Niveau zurück. Nein, sie stellen alles bisher Dagewesene in den Schatten. Die Zahl der Kriminalfälle im Kreis Soest hat 2022 einen neuen Allzeit-Höchststand erreicht. 18.588 waren es im vergangenen Jahr.
Zum Vergleich: 2021 waren es 15.069. Im Jahr 2019, dem Jahr „vor der Pandemie“, gab es 15 986 Fälle. Gleichzeitig sank die Aufklärungsquote um drei Prozent, liegt aber mit 55 Prozent weiter über Landes-Niveau (52 Prozent). Mit Blick auf die 3519 Fälle, die es im Vergleich 2021 zu 2022 mehr gab, sagte Polizeidirektor Thomas Link unmissverständlich: „Das ärgert mich natürlich maßlos.“
Er unterstrich: „Wir wollen Sicherheit produzieren.“ Natürlich sei den Köpfen der Soester Kreispolizeibehörde bewusst gewesen, dass die Zahlen der Corona-Jahre kein Maßstab sind und sie mit Rückkehr ins „normale Leben“ wieder steigen würden. „Doch wir haben keine neue Normalität, nicht die von 2019 und vorher. Das Ausmaß überrascht uns“, sagte Link.
Die Taten
Im Bereich der Diebstahls-Delikte ist eine besonders negative Entwicklung wahrzunehmen. Ein Drittel aller Fälle, 6134 Taten, wird diesem Feld zugeordnet. Am stärksten angestiegen ist die absolute Fallzahl in Soest, hier gab es insgesamt 1124 Fälle mehr zu verzeichnen, die zu der Gesamtzahl von 4772 führten.
Dank detaillierter Analysen konnte Topp am Dienstag im Soester Kreishaus Anhaltspunkte zur Täterstruktur bei den Diebstählen geben: Die hohe Aufklärungsquote bei Ladendiebstähle von 88 Prozent mache Angaben zu den Tatverdächtigen möglich. 53 Prozent der Verdächtigen waren „Nicht-Deutsche“. In Soest spiele die Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) eine Rolle. Aber: „Wir wollen nicht stigmatisieren. Es muss betont werden, dass von den 1200 Bewohnern nur einige wenige straffällig werden. Diese aber oft mehrfach.“
So konnte am Wochenende ein Verdächtiger in der ZUE ausgemacht werden, dem sechs Delikte zugeordnet wurden. Festnahme und Untersuchungs-Haftbefehl folgten. Ein weiterer Anhaltspunkt auf der Suche nach Gründen für die steigenden Diebstahls-Zahlen: höhere Kosten im Alltag, die zu finanziellen Nöten führen. „Das ist durchaus ein Antreiber für die Begehung von Ladendiebstählen“, erklärte Oliver Topp.
Um dem Trend entgegenzuwirken, arbeite man eng mit der Justiz zusammen, um beschleunigte Verfahren und Sanktionen zu erwirken. Das solle potenzielle Nachahmer abschrecken. Präventiv sei Diebstählen nur wenig entgegenzusetzen. Gegen Taschendiebe helfe vor allem eines: Vorsicht. Topp präsentierte ein Überwachungsvideo, das einen Taschendiebstahl im Rewe an der Jakobistraße dokumentierte. Zu sehen: Zwei Frauen – eine lenkt eine Seniorin ab, die andere durchsucht dreist und abgebrüht den Einkaufswagen der Dame. Am Ende flüchtet sie mit einem Portemonnaie. Der Fall konnte bis heute nicht geklärt werden.
17 Prozent der kreisweiten Fälle waren Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit, 16 Prozent Vermögens- und Fälschungsdelikte, 8 Prozent Rauschgiftdelikte, 3 Prozent strafrechtliche Nebengesetze, 2 Prozent Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und 21 Prozent „sonstige Straftaten“.
Nachdem die Zahlen der Einbrüche während der Pandemie stets rückläufig waren, schossen sie 2022 wieder in die Höhe, liegen mit 248 aber noch unter den Zahlen von 2019 (288). „Wir müssen abwarten, wie sich dieser Trend entwickelt“, sagte Topp. Die Aufklärungsquote liegt bei 25,4 Prozent. Ein Verdächtiger, der unter anderem für mehrere Taten in der Soester Innenstadt verantwortlich gemacht wird, konnte in Zusammenarbeit mit der Polizei des Hochsauerlandkreises gestellt werden. Er soll im HSK Taten mit dem gleichen Vorgehens-Muster begangen haben.
„Besorgniserregend“ sei auch die Zunahme der Straßenkriminalität (4267 Fälle) mit Raubdelikten, Körperverletzung, sexuellen Übergriffen, Diebstählen und Sachbeschädigungen. Eine weitere Zunahme gab es bei Betrugsdelikten – „die Täter haben das Homeoffice für sich entdeckt“, sagte Oliver Topp. Oftmals gehe es um Internet-Betrug, Enkeltrick, „falsche Polizisten“. Für die Täter bedeute das: „Wenig Aufwand, viel Erfolg“. Die Schadenssumme bei den „Straftaten zum Nachteil älterer Menschen mit überregionaler Tatbegehung“ lag 2022 bei 361 752 Euro. Beispielhaft erzählte Topp von einem Fall, der sich im Dezember in Warstein zugetragen hatte: Eine Seniorin war auf die Lügengeschichte von Betrügern hereingefallen und übergab ihnen Schmuck und Bargeld im Wert von mehr als 100 000 Euro. „Es tut besonders weh, wenn ältere Bürger Opfer werden“, so Topp.
Das Fazit
Mit dem Wegfall der Corona-Maßnahmen „kam das Leben auf die Straße zurück“, sagte Polizeidirektor Thomas Link. Großveranstaltungen fanden vielerorts wieder statt, Schulen und Studios durften wieder öffnen. „Was in der Pandemie nicht stattfinden konnte, wurde nachgeholt. Aber exzessiver und wilder. Es gab eine Über-Kompensation. Wir stellen eine steigende Verrohung, ein gestiegenes Aggressions-Potenzial fest.“
Das habe sich auch bei den Widerstandshandlungen gegen und tätlichen Angriffen auf Polizeibeamte bemerkbar gemacht. Hier stieg die Zahl der Fälle um 43 Prozent. In Geseke hatte ein versuchter Messer-Angriff auf einen Polizeibeamten zur Folge, dass der Angreifer mit Schüssen niedergestreckt werden musste.