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Gastronomen bangen um ihre berufliche Zukunft

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Von: Ilka Platzek, Tobias Hinne-Schneider

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Zwischen 90 und 95 Prozent des Umsatzes erzielt die Gastronomin des Pilgrimhaus mit dem Abendgeschäft, das jetzt wegbricht. © Archiv

Beschränkte Öffnungszeiten auf Erlass der Landesregierung: Den Gastronomen im Kreis Soest bleiben aufgrund der Corona-Pandemie die Kunden aus. In Bad Sassendorf richten Restaurants einen Abhol- und Lieferservice ein. Andere schließen komplett.

Kreis Soest - Ins altehrwürdige Soester Pilgrimhaus verirren sich derzeit nur wenige Hotelgäste, und das, obwohl der älteste Gasthof Westfalens Arrangements mit diversen Firmen vor Ort hat, die ihre Geschäftskunden dorthin schicken. In Zeiten von Corona bleiben sie weg – genauso wie die Touristen. „Unser Hotel ist weiterhin von 9 bis 21 Uhr geöffnet und morgens gibt es Frühstück, aber wir bekommen jede Menge Stornierungen“, betont Geschäftsführerin Iris Santana Rodriguez. Im Restaurant sieht es ebenfalls düster aus: „Wir haben jetzt Montag und Dienstag Ruhetag und öffnen an den übrigen Tagen von 12 bis 15 Uhr – solange wir das noch dürfen“, sagt Rodriguez, „es gibt wie üblich Mittagstisch, aber die Straßen sind leer und wir wissen nicht, wie viele Gäste kommen.“ Auch ein anderes Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr: „Wir liefern Essen für Gruppen ab zehn Personen an, aber Gruppenzusammenkünfte sind ja jetzt auch verboten.“

Der Erlass der Landesregierung trifft die Gastronomen im Kreis Soest hart – ihr Geschäft bricht weg. Restaurants und Speisegaststätten dürfen nur noch bis 15 Uhr öffnen. In Imbissbuden ist nur noch der Thekenverkauf erlaubt.

90 bis 95 Prozent des Umsatzes erziele das Pilgrimhaus mit dem Abendrestaurant, das auf unbestimmt Zeit ausfällt. Wie sie damit umgeht, weiß Rodriguez noch nicht: Täglich berate man neu, aber eins stehe fest: „Wir haben eine super Mannschaft, und wir entlassen keinen. Seit 1304 gab es viele Krisen, wir werden auch diese überleben“, sagt die Geschäftsführerin. Und fügt hinzu: „Wir sind riesig besorgt und fragen uns, wie lange das gutgeht.“

Lieferservice in Bad Sassendorf

In Bad Sassendorf entschließen sich Restaurants, einen Abhol- und Lieferservice anzubieten – Ortsmarketingleiter Olaf Bredensteiner hatte das angeregt. Das Angebot soll einen Beitrag dazu leisten, die gravierenden Umsatzeinbußen abzufedern. „Die Betriebe reagieren im Rahmen ihrer Möglichkeiten flexibel auf die aktuelle Lage. Alle, die auf den Restaurantbesuch verzichten müssen und es sich leisten können, sollten bitte das Angebot wahrnehmen und somit unsere Betriebe unterstützen, damit wir auch nach der Corona-Krise Bürgern und Gästen ein vielfältiges Angebot in unserem Heilbad bieten können“, sagt Olaf Bredensteiner.

Das asiatische Restaurant Wok In am Soester Bahnhof hat geschlossen – auf unbestimmte Zeit, heißt es in einem Aushang an der Eingangstür. Krisenstimmung herrscht auch im Athen Grill in Ostönnen: „Die Chefin ist unterwegs. Die will unsere Arbeitsplätze retten“, sagt ein Mitarbeiter, der nicht genannt werden will. „Wenn sie Zeit hat, ruft sie zurück.“ Der Rückruf bleibt aus. Mehrfach fragt der Mann, ob sie denn jetzt noch öffnen dürfen. Solange es erlaubt ist, hat er Arbeit.

Das italienische Restaurant Amici in Soest hat sich entschlossen, auch nach 15 Uhr weiterzuarbeiten, das teilen die Betreiber auf Facebook mit. Von 17.30 bis 21 Uhr kann Essen bestellt und abgeholt werden. Von 12 bis 14.30 Uhr bleibe das Restaurant mit Einschränkung ganz normal geöffnet.

Auch der Kater in Soest betreibt seinen Lieferservice weiter. Seit der Corona-Krise gibt es keinen Anstieg in der Nachfrage, sagt Carola Richter, Frau des Inhabers. Allerdings sei das dazugehörige Restaurant so gut wie leer gefegt. „Ohne den Lieferservice hätten wir bereits schließen können. Die Stammgäste, die häufig hier essen, holen das Essen nur noch ab“, erklärt Richter. Das komplette Servicepersonal befindet sich bereits zu Hause, nur die Fahrerin des Lieferwagens ist noch beschäftigt. „Bis auf ein älteres Ehepaar hatten wir über den Tag keine Gäste mehr. Die finanziellen Einbußen sind enorm“, sagt Richter.

Anstieg bei Online-Bestellungen

Beim Lieferservice Pizza Way aus Soest musste sich ein Mitarbeiter schon auf den Coronavirus testen lassen. „Der Test war nagativ“, erklärt Vionb Hadiya. Deswegen kann weitergearbeitet werden. „Es bestellen mehr Menschen als vorher“, sagt er. Zwei Fahrer arbeiten für Pizza Way – mit hohen Hygienemaßnahmen. Ganz wichtig: Nach der Geldübergabe werden die Hände desinfiziert.

"Unsere Erlöse sind bei Null, aber ..."

Ein anderes Traditionshaus – der Gasthof Willenbrink in Lippetal – hat das Restaurant komplett geschlossen. Das Landhotel, das seit seiner Gründung 1787 in Familienbesitz ist, macht erst einmal Pause und beantragt Kurzarbeitergeld für die Festangestellten. Eigentümer Josef Willenbrink rät zur Besonnenheit angesichts der Krise und hofft auf die Vernunft der Mitmenschen, die erst einmal zu Hause bleiben sollen, damit Corona schnell überwunden wird. Das habe er auch seinen letzten Hotelgästen gesagt, Radtouristen, die ihre Tour unbeirrt fortsetzen wollten. „Ich habe denen gesagt: Fahrt nach Hause.“

Auch das Hotel ist jetzt geschlossen: „Unsere Erlöse sind bei Null, aber ich glaube nicht, dass uns das killt.“ Er will jetzt erst einmal abwarten, bevor er neue Angebote macht, etwa einen Lieferservice. „Ich könnte mittags öffnen, aber das haben wir nie gemacht, und die 100 bis 300 Euro Einnahmen würden uns auch nicht retten.“ Stattdessen überlegt er, den unteren Bereich der Fassade zu reinigen und andere Arbeiten am Haus zu erledigen. Auch Willenbrink will niemanden entlassen. „Vor zwei Jahren hat es bei uns gebrannt und wir wurden im letzten Moment gerettet. Jetzt muss sich jeder zurücknehmen“, appelliert er an die Vernunft der Mitmenschen. Andernfalls, befürchtet er, kommt das Ausgehverbot für alle.

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