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Krähen zum Abschuss freigeben? Was eine bayerische Initiative für Soest bedeuten würde

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Von: Kathrin Bastert

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Krähen und Nest im Baum
Rund 10 Prozent der nordrhein-westfälischen Krähenpopulation fühlt sich in Soest am wohlsten. © Peter Dahm

Krähen in der Nachbarschaft wünscht sich niemand. In Soest wurden schon viele Versuche unternommen, das Problem in den Griff zu kriegen. Bayern will nun eine Bundesratsinitiative starten - und die Vögel de facto zum Abschuss freigeben.

Soest – In Fürstenfeldbruck sind sie es leid. Die seit Jahren wachsende Saatkrähen-Population in dem Städtchen nahe München soll jetzt Folgen haben: Der bayerische Landtag hat auf Betreiben von Freien Wählern und CSU beschlossen, eine Bundesratsinitiative auf die Herabsetzung des Schutzstatus für die Rabenvögel erwirken zu wollen. Letztlich geht es darum, die Vögel zum Abschuss freizugeben. Saatkrähen bejagen – wo man im Oberbayerischen schon die Flinte bereitlegt, ist die Skepsis im westfälischen Soest groß. Denn die Unterschiede sind erheblich. Fürstenfeldbruck hadert mit seinen rund 800 Brutpaaren (2021) vor allem deshalb, weil die Tiere die Saat von den Feldern picken. Berichtet wird auch von Attacken auf junge Lämmer.

Und ja, auch Lärm spielt eine Rolle – da sind sie einig mit den Anwohnern bevorzugter Soester Brutplätze, die mit der lauten und dreckigen Nachbarschaft leben müssen. „Auch unsere Landwirte kennen das Problem mit den Saatkrähen natürlich“, sagt Heiner Frieling, CDU-Landtagsabgeordneter für den Kreis Soest, „und auch ihnen fehlt die Möglichkeit, sich gegen die Tiere zu wehren.“ Nun hat die Bördestadt bereits einige Erfahrung mit Vergrämungs- und Dezimierungsversuchen. Der Erfolg – so er überhaupt darauf zurückzuführen ist: Die Zahl der Brutpaare stagniert zuletzt auf hohem Niveau; etwa 1700 Brutpaare erfasste die Stadt bei ihrer jüngsten Jahreszählung.

Bundesratsinitiative für Krähen-Abschuss? EU-Recht müsste geändert werden

Würde der Bundesrat nun tatsächlich eine Initiative starten, die den Schutzstatus der streng geschützten Krähen auf den Prüfstand stellen würde, dann hieße das trotzdem noch längst nicht, dass bald am Bahnhof oder am Clarenbachpark auf die schwarzen Vögel angelegt werden dürfte, glaubt Heiner Frieling. Einerseits nämlich, so der CDU-Politiker, der lange im NRW-Umweltausschuss mitarbeitete und der die Soester Krähen-Problematik aus der Nähe kennt, bräuchte es eine Änderung von EU-Recht. Die ist nicht mal eben so zu bekommen. Andererseits leben die meisten Brutpaare in Soest eben nicht auf dem Land, sondern mitten in der Stadt, „im Jagdrecht würde man sagen: Im befriedeten Bezirk.“ Da wird so schnell nicht geschossen, Schutzstatus hin oder her. „Möglicherweise wird sich herausstellen, dass die Art nicht mehr gefährdet ist“, sagt Frieling. „Aber selbst dann: Abschüsse in der Stadt? Das sehe ich nicht.“

Dirk Franke ist bei der Stadt Soest der zuständige Abteilungsleiter für Stadtentwicklungskonzepte, darunter fallen auch die jährlichen Maßnahmen zur Krähen-Vergrämung. Gerade erst hat er Post aus dem Kreishaus bekommen. Genehmigt ist in der kommenden Saison, vor Beginn der Brutzeit, die Entnahme von Nestern und Nestfragmenten an „besonders konfliktträchtigen Örtlichkeiten“. Das wird am Eiscafé am Markt, am Hiddingser Weg/Kolpingweg, am Bahnhofsvorplatz, an der Walburger Unterführung, im Clarenbachpark und auf dem Schulhof der Hannah-Arendt-Gesamtschule passieren. Nicht allerdings entlang der neu gestalteten Radwege an den Ringstraßen. „Der Kreis hat die drei neuen Vergrämungs-Standorte nicht genehmigt“, sagt Dirk Franke. Man halte die Nester in den Baumwipfeln für „populationsrelevant“. Bis zu 500 Brutpaare könnten dort nach Auffassung der Unteren Naturschutzbehörde gestört werden. „Man sieht beim Kreis eine Alternative zur Nestentfernung. Eine Empfehlung ist, die Radwege häufiger zu reinigen.“

Krähen-Vergrämung in Soest: Keine Genehmigung neuer Standorte

Die Stadt werde die Entscheidung des Kreises hinnehmen, kündigt Franke an, „eine Klage ziehen wir nicht in Erwägung, weil wir keine Aussicht auf Erfolg vermuten“. Die Entscheidung des Kreises ist hinsichtlich der rechtlichen Einordnung des Artenschutzes ziemlich eindeutig. Immer wieder habe die Stadt auch eng mit politischen Vertretern auf EU-, Bundes- und Landesebene diskutiert, „und die Einschätzung war immer, dass der Versuch, eine Gesetzesänderung zu erreichen, keine große Aussicht auf Erfolg hätte“.

Vielleicht belehren die Bayern die Soester aber auch eines Besseren. Immerhin könnte ein geringerer Schutzstatus in Soest auch andere Möglichkeiten als den Abschuss eröffnen, überlegt Heiner Frieling. Dann könnte womöglich eine Entnahme von Eiern möglich werden. „Man muss einfach ganz klar sagen: Wer neben einer Saatkrähen-Kolonie wohnt, dem ist der Artenschutz schwer vermittelbar.“

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