Wenn der Löwenzahn blüht, müssen die Kartoffeln in die Erde

Traditionell werden bei uns rund um den 20. April die Kartoffeln in den Boden gesetzt. Dieses Datum hat sich aus den Erfahrungen vieler Jahrzehnte als das günstigste für den Anbau der nahrhaften Knollen erwiesen. In den vergangenen Jahren hat sich allerdings dieser Termin etwas nach vorne verschoben, Stichwort Klimawandel.
Soest – Seit Jahren erleben wir, dass die Winter kürzer werden, die beiden Übergangsjahreszeiten Herbst und Frühling hingegen länger. So werden inzwischen immer öfter in den ersten beiden Aprilwochen die Kartoffeln gelegt.
In diesem Jahr allerdings ist es anders. Bislang ist es zu kalt und zu nass im Vergleich mit dem langjährigen Durchschnitt. Man kann es auch in der Landwirtschaft sehen. Feldfrüchte wie beispielsweise Zuckerrüben haben die Bauern noch nicht ausgesät, weil der Boden zu kalt und für die schweren Maschinen viel zu nass ist.
Kartoffeln, Löwenzahn und Gänseblümchen: Anbau im Hochbeet
Der Boden sollte für das Kartoffellegen um die acht Grad warm sein. Das ist nicht zu verwechseln mit der Lufttemperatur. Der Boden erwärmt sich sehr viel langsamer als die Luft. Und er sollte in dem Bereich, in dem die Knollen gelegt werden, also bis zu 20 Zentimeter Tiefe, abgetrocknet sein. Sonst besteht die Gefahr, dass die Kartoffeln nur schlecht wachsen oder die Knollen gar im Boden faulen. Man sollte also erst genau prüfen, ob der Boden schon für den Kartoffelanbau bereit ist.
Ich habe meine Kartoffeln am 19. April gelegt, allerdings in ein Hochbeet. Dessen Erde ist schon wärmer als der gewachsene Boden und auch besser abgetrocknet. Nachteil: Dafür muss man bei Hitze und Trockenheit mehr gießen. Die Erde habe ich nur mit der großen Gabel gelockert, dann kräftig Kompost dazugegeben und eingearbeitet, schließlich die Kartoffeln in Reihen, die etwa 45 Zentimeter Abstand haben, gelegt alle 30 Zentimeter. Anschließend habe ich die Reihen sofort angehäufelt.

Nicht nur im Garten und in der Landwirtschaft sind wir in diesem Jahr mindestens zwei Wochen gegenüber dem „normalen“ Zeitablauf zurück. Insgesamt sprießt alles später als üblich. Gut erkennen können wir das am Löwenzahn. Diese robuste Wildpflanze steht derzeit in voller Blüte. Pusteblumen, also die markanten Samenstände, finden wir nur vereinzelt an besonders geschützten Stellen. In früheren Jahren waren in der dritten Aprilwoche die Samenfallschirme schon längst verflogen.
Der Löwenzahn (Taraxacum) ist eine besondere Pflanze. An ihm scheiden sich die Geister. Schon seit Jahrhunderten hat er die Phantasie der Menschen beflügelt, die ihm zahlreiche Wirkungen und Symbolhaftigkeit angedichtet haben. Der Löwenzahn steht für das Leben und Sterben, für die Vergänglichkeit, aber auch für Widerstand und als Glücksbringer.
Kartoffeln, Löwenzahn und Gänseblümchen: Pusteblume und Christentum
Eine besondere Ausdeutung hat der Löwenzahn im Christentum erfahren. Da er immer um Ostern herum blüht, wurde seine Entwicklung mit dem Leben Jesu verglichen. Zuerst wächst er als strahlende Blüte, der Sonne gleich, auf der Wiese. Dann aber vergeht er in kurzer Zeit und steht dort kahl und tot (Karfreitag). Aber drei Tage später (Ostern) hat er plötzlich eine gleißende Krone (Pusteblume) bekommen (Auferstehung), lebt wieder, und der Samen wird in die weite Welt getragen (Verbreitung des Christentums in der Welt). So verwundert es nicht, dass man immer wieder auf mittelalterlichen Altarbildern Abbildungen des Löwenzahns findet neben Jesus und Maria, auch in Soest.
Es gibt Gärtner, die jedes Jahr versuchen, den Löwenzahn aus ihrem kleinen grünen Reich mit Stumpf und Stiel auszurotten. Dieser Kampf ist aber ein unendlicher. Denn gegen den Ausbreitungswillen der Pflanze mit ihrer besonders raffinierten Methode, den Samen in aller Welt zu verteilen, kommt man schlicht nicht an. Hat man mit viel Mühe jeden Löwenzahn aus dem Garten entfernt, was gar nicht so einfach ist, weil seine Pfahlwurzel sehr tief in den Boden reicht, dann wachsen garantiert einige Tage später versteckt irgendwo neue kleine Löwenzähnchen heran.
Kartoffeln, Löwenzahn und Gänseblümchen: Gegen das Insektensterben ist ein Kraut gewachsen
Vielleicht erinnert sich mancher an seine Kindheit. Man konnte gar nicht genug Pusteblumen finden, um mit dick geblähten Backen die kleinen Fallschirme auf die Reise zu schicken. Oftmals wurden damit Wünsche verbunden und gehofft, dass sie auch in Erfüllung gehen.
In Zeiten des Insektensterbens hat der Löwenzahn längst einen ganz anderen Stellenwert bekommen. Gerade für die vielen Wildbienen – allein in Deutschland gibt es über 500 Arten – ist der Löwenzahn im Frühjahr eine der wichtigsten Nahrungsquellen. Er bietet viel Nektar und Pollen und wird deshalb von Bienen und Hummeln fleißig angeflogen. Wer also etwas für die Wildbienen tun möchte, der sollte den Löwenzahn in seinem Garten nicht ausrotten. Nebenbei kann man aus den Blättern vor der Blüte einen beliebten Frühlingssalat zaubern, und in der Volksheilkunde wird der Löwenzahn bei zahlreichen Beschwerden eingesetzt.

Das gilt auch für den treuen Begleiter in der Wiese, das Gänseblümchen (Bellis perennis). Es ist essbar (Blätter, Knospen, Blüten), wird ebenfalls zu Heilzwecken verwendet und ist auch eine Bienenweide, allerdings nicht so ergiebig wie der Löwenzahn. Eine Eigenschaft aber hebt das Gänseblümchen aus dem Reich der Pflanzen heraus: Es blüht inzwischen bei den immer milder werdenden Wintern fast ganzjährig, daher auch der lateinische Name: die ausdauernde Schöne.