Ida Berentzen engagiert sich für Fridays for Future und fordert: „Soest muss den Klimanotstand ausrufen!“

Soest – Für Freitag, 23. September, ist ein Klimastreik geplant. Ida Berentzen von Fridays for Future Soest erklärt, was beim Streik geplant ist, wo noch Handlungsbedarf im Bezug auf Klimaschutz in Soest besteht und wo in Soest die Klimaerwärmung bereits spürbar ist. Die Fragen stellte Marlene Dietscheidt.
Wo in Soest kann man erkennen, dass die Erderwärmung voran schreitet?
Genauso wie überall auf der ganzen Welt und in Deutschland, erkennt man die Folgen der Klimakrise in Soest an vielen verschiedenen Stellen und Ereignissen. Natürlich müssen erstmal die Hitzesommer erwähnt werden, 2018 ist ein gutes Beispiel und auch der Sommer 2022 war überdurchschnittlich warm. Bäume verdorren, Parks und Gärten vertrocknen, das ist in Soest auch sichtbar. Die Hitze und Trockenheit haben Folgen für den Soestbach. Der Pegel sinkt nach einem heißen Sommer. Wenn es viele heiße Sommer gibt mit vielen Trockenperioden, dann sinkt der Grundwasserspiegel insgesamt ab. Deshalb vertrocknen die oberflächlichen Quellen des Soestbachs, es wird immer schwerer, das ursprüngliche Niveau zu erreichen. Wir haben außerdem eine unheimlich ausgeprägte Hitzeinsel in der Innenstadt.
Welche Hitzeinsel meinen Sie genau?
Eine Hitzeinsel, die sich hauptsächlich auf dem Marktplatz ausprägt, der sehr hohe Temperaturen im Vergleich zu außerstädtischen Bereichen hat, einfach, weil wir da wenig Begrünung haben und sehr viel Versiegelung. Natürlich ist auch der Kreis Soest anfälliger für Extremwetterereignisse. Wir haben vor ein paar Tagen einen Waldbrand im Arnsberger Wald gehabt. Wir haben die Dürreperioden und Überschwemmungen wie nach dem Starkregen 2018, als besonders der Grandweg betroffen war. Das heißt, die Folgen der Klimakrise sind nicht nur ganz weit weg zu sehen, sondern auch in Soest akut.
Was hat die Stadt Soest schon getan, um klimaneutraler zu werden bzw. was könnte die Stadt noch mehr tun?
Leider muss man auf Ihre erste Frage mit „zu wenig“ und Ihre zweite Frage mit „ganz viel“ antworten. Die Stadt strebt Klimaneutralität bis 2030 an. Das ist deutlich früher als der Bund, ein sehr ambitioniertes Ziel und erst mal sehr gut. Dafür gibt es den Masterplan Klimapakt. Es gibt zudem auch das Klimaanpassungskonzept von 2016 und Soest nimmt am Projekt „European Climate Award“ teil. Leider muss man sagen, dass das sehr viele Absichtsbekundungen sind. Es sind viele Ziele, die da formuliert werden, aber wenn es um konkrete Maßnahmen geht, dann erleben wir die Stadt doch eher als träge und wenig handlungsbereit.
Was meinen Sie genau mit der Aussage, „träge und wenig handlungsbereit“?
Natürlich haben wir dieses unglaubliche Ziel mit der Klimaneutralität bis 2030, aber mit dem, was aktuell passiert, sehen wir nicht, wie das tatsächlich auch erreicht werden soll. Es fehlt einfach an konkreten Maßnahmen und an Aktionen, die dem Ausmaß des Problems Klimakrise wirklich angemessen sind.
Welche konkrete Maßnahmen wären in Ihren Augen besser?
Erst mal wäre es sehr wichtig, den Klimanotstand auszurufen in Soest. 2019 wurde dies abgelehnt. Würde dieser ausgerufen, dann müssten die Themen Klimaschutz und Klimaanpassung priorisiert und bei jeder Ratsentscheidung berücksichtigt werden. Dann würde dem Thema einfach deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet und dann wäre deutlich mehr möglich, weil eine Berücksichtigung immer erforderlich wäre.
Was steht dem entgegen?
Es gibt in Soest ein Hemmnis namens „Kirmes“. Damit möchte ich nicht sagen, dass die Kirmes grundsätzlich abgeschafft werden soll, aber man muss sich natürlich die Frage stellen, ob es zeitgemäß ist, einem Ereignis, das fünf Tage im Jahr stattfindet, alles unterzuordnen. Ob es angemessen ist, Klimaschutzmaßnahmen 365 Tage im Jahr aufzugeben, damit die Kirmes jährlich für fünf Tage stattfinden kann. Und gerade in Zeiten der Energiekrise sollte die Kirmes hinterfragt werden.
Welche Maßnahmen schlagen Sie vor?
Eine konkrete Maßnahme, die man ergreifen könnte, wäre zum Beispiel die Öffnung des Soestbachs an weiteren Stellen. Der verläuft ja teilweise unterirdisch. Würde man ihn öffnen, könnte eine deutliche Abkühlung des Stadtklimas erreicht und mit passender Uferbegrünung ein kleines Biotop geschaffen werden. Zudem hat die Stadt in Bezug auf grüne Energiegewinnung noch einen großen Handlungsspielraum. Auch im Bereich Infrastruktur kann noch ganz viel passieren. Es gibt gute Vorschläge von Soestern, zum Beispiel vom Team „So Lebenswert“ in Bezug auf eine fahrradfreundliche, grüne Stadt. Es wäre schön, wenn die Stadt diesen Vorschlägen offener gegenüberstehen würde.
Wie lange gibt es Fridays for Future schon und was hat sie bisher erreicht?
Fridays for Future Global gibt es seit Anfang 2019, das gleiche gilt auch für Soest. Fridays for Future hat viel erreicht im Bewusstsein der Bevölkerung. Fridays for Future und auch andere Klimaorganisationen haben die Klimakrise sichtbarer gemacht. Ein Beispiel ist die Klage gegen das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung von 2021, die Fridays for Future gewonnen hat beim Bundesverfassungsgericht. Daraufhin musste die Bundesregierung das Klimaschutzgesetz ja anpassen – und die Pläne und Maßnahmen bis 2030 konkretisieren. Gäbe es Fridays for Future und die anderen Organisationen nicht, die das auch unterstützt haben, dann hätten wir immer noch einen sehr diffusen und unklaren Maßnahmenplan.
Und was ist jetzt genau am 23. September in Soest geplant?
Wir starten um 11.30 Uhr am Marktplatz. Dort gibt es dann eine kleine Kundgebung, dann starten wir mit dem Demozug und danach enden wir wieder am Marktplatz. Es wird ein paar Reden geben und ein bisschen Musik. Mit diesem Streik wollen wir besonders auf die Energiekrise aufmerksam machen, die aus der fossilen Abhängigkeit von autokratischen Staaten wie Russland resultiert. Diese wäre so gar nicht notwendig gewesen, wenn wir früher eine Energiewende eingeleitet hätten. Die Energiekrise ist ein sehr gutes Beispiel, das zeigt, dass wir schnellstmöglich Energieautarkie erreichen müssen. Die Lösung ist nicht, wieder auf Atomkraft umzusatteln, weiterhin Braunkohle abzubaggern. Schon gar nicht der Bezug von Gas aus undemokratischen Staaten wie Katar. Zudem wollen wir auf die Klimakrise im globalen Süden aufmerksam machen. Unser Leben auf dem Rücken der Menschen im globalen Süden und die Ignoranz, mit der Staaten und Großkonzerne ihn weiter ausbeuten, sind inakzeptabel. Das muss unbedingt aufhören! Die aktuelle Situation ist zwar eigentlich schlimm genug, trotzdem wäre es fatal, die Klimakrise gerade in diesen Zeiten aus den Augen zu verlieren. Die Klimakrise ist eine multiple Krise, sie hängt stark mit der Energiekrise zusammen und löst auch eine Vielfalt sozialer Probleme aus. Deswegen fordern wir eine ambitioniertere und dem Problem angemessene Klimapolitik!