Insgesamt ist es eine schwierige Gemengelage, mit der es die Biohändler zu tun haben. Denn auch ihre Kosten steigen, alles, was mit Logistik und mit Energie zu tun hat, gehe in die Höhe. Osterhaus empfindet es als „totales Dilemma“, dass durch die Umstände der Trend zum nachhaltigen Konsum vor einer Umkehr stehen könnte. Denn gerade jetzt, angesichts des Klimawandels „halten wir Bio für eine gute Grundlage, Dinge zu verändern“. Sie sorgt sich um die kleinen Biobetriebe, Manufakturen und Höfe, mit denen der „Lebensgarten“ zusammenarbeitet. „Die Kleinen haben oft nicht den Puffer, um die höheren Kosten abzufedern. Sie haben ganz andere Kosten als größere Firmen, die in ganz Europa produzieren.“
Dass Bio als Luxusgut gesehen wird, an dem gespart wird, das kann Friederike Osterhaus nachvollziehen. „Dabei müssten die Leute eigentlich ihr Kaufverhalten infrage stellen. Wenn wir günstig einkaufen, zahlt immer irgendwo jemand den Preis. Und sei es der Bananenbauer in Ecuador.“ Bananen sind ein gutes Beispiel. Zurzeit bietet der Lebensgarten die Frucht für 2,99 Euro das Kilo an. Der Preis ist eigentlich längst nicht mehr zu halten. „Er müsste bei 3,49 Euro liegen“, sagt Osterhaus, das ergebe sich schon aus den happigen Lieferzuschlägen. Ein Zuschussgeschäft, weil es für den Händler keine Option sein kann, keine Bananen im Angebot zu haben.
Einen Nachfragerückgang erlebt auch der Gärtnerhof in Röllingsen, aber einen „von einem sehr hohen Niveau“ auf fast normale Verhältnisse, beschreiben Kai Himstedt und Burkhard Tillmanns, zwei der vier Betriebsleiter des Demeter-Hofs im kleinen Soester Ortsteil. Ihre Abo-Kisten waren in der Coronazeit ein echter Renner, die Kunden- und die Wartelisten voll. Der Preisanstieg fällt hier aus verschiedenen Gründen nicht so kräftig aus wie anderswo. Da ist die überwiegende Handarbeit, die von steigenden Energiekosten nicht berührt ist. Dann ist der höhere Preis für die nach strengen Bio-Vorgaben produzierten Lebensmittel „ehrlicher“ als der vieler konventioneller Güter, sagt Himstedt. Dann sei die Flächeneffizienz beim Gemüseanbau „unheimlich hoch“, erklärt er: „Auch auf kleiner Fläche kann ein kleiner Betrieb relativ viel ernten.“
Für den nun sichtbaren Rückgang – „wir können jetzt wieder einigen Kunden von der Warteliste eine Kiste anbieten“, sagt Tillmanns – machen die beiden aber neben einem Inflationseffekt noch etwas anderes aus. Denn so wie der Trend im Lockdown dahin ging, Lebensmittel von hoher Qualität einzukaufen und selbst zuzubereiten, so gab es auch einen Aufmöbelungs-Boom in den eigenen Gärten. Tillmanns: „Und viele bauen jetzt selbst an. Das merken wir auch an den Fragen, die uns die Kunden stellen.“ Zum Beispiel diese: „Was macht ihr gegen die Schnecken?“
Die Röllingser Gärtner schreckt der Anbau-Eifer ihrer Kundschaft nicht. Im Gegenteil: „Es mag ja sein“, sagt Kai Himstedt, „dass wir dadurch ein bisschen weniger verkaufen. Aber es ist doch toll, dass sich die Menschen selbst versorgen wollen. Das entspricht genau unserer Idee von Nachhaltigkeit.“ Die Röllingser setzen seit jeher, das meint einen Zeitraum von 30 Jahren seit der Gründung ihres Gärtnerhofes, auf Transparenz. Regelmäßig finden Hoftouren statt, die Kunden erfahren, wie oder auch wann was warum nicht angebaut werden kann. In diesem Jahr zum Beispiel verzichtet der Betrieb wegen der Trockenheit auf den Sommeranbau von Blumenkohl und Broccoli.
Viele, ganz sicher die meisten Stammkunden, verbinden mit dem Einkauf von Bio-Lebensmitteln eine Weltanschauung. „Es geht um die Frage, wie gehen wird mit dem Boden, mit unserer Erde um“, beschreibt es Friederike Osterhaus ganz schlicht. Für Burkhard Tillmanns ist es ein Narrativ, dass der ökologische Anbau stärker werden muss – die Zwänge sind überall sicht- und für konventionelle Landwirte sehr schmerzlich spürbar, das weiß er aus vielen Gesprächen mit Bauern. „Das ist gerade wirklich schwer.“ Und vielleicht eine Chance? Bio heiße auch, bewusster zu konsumieren und zu essen, erinnert Friederike Osterhaus. Der Wert, den Bio-Lebensmittel haben, sei bekannt, und für viele ist die Ausgangsfrage: „Was bin ich mir wert?“ Sie hofft, dass dieses Bewusstsein Bestand haben wird.