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Historischer Schatz in unscheinbarem Koffer: Historiker in Soest begeistert

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Von: Karin Hillebrand

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Dokumente Urkunden Stadtarchiv
Die historischen Dokumente wie diese Urkunde eines Notars ermöglichen eine quellengestützte Forschung. © Karin Hillebrand

Jahrelang hat ein Soester Tierarzt mit Leidenschaft für die Geschichte seiner Heimat alte Akten und Urkunden gesammelt. Jetzt, Jahre nach seinem Tod, stellt sich für Historiker heraus, dass es sich bei dieser Sammlung um einen wahren Schatz handelt, der ganz neue Einblicke in die Historie ermöglicht.

Soest – Als Ernst Fritz Trillmann 2016 einen Anruf aus Bad Nenndorf bekam, ahnte er nicht, um welch bedeutsames Anliegen es sich handelte. Am anderen Ende der Telefonleitung berichtete jemand von Familienunterlagen des verstorbenen Schwiegervaters, dem bis Anfang der 90er Jahre in Soest tätigen und 1995 verstorbenen Tierarzt Professor Dr. Helmut Overbeck.

Kurz darauf erreichte den Ortsvorsteher von Thöningsen ein unscheinbarer Dokumentenkoffer mit einer Hängeregistratur voller historischer Schriftstücke aus der Zeit um 1800 bis 1830, den er – fünfeinhalb Jahre später – in dieser Woche im neuen Lesesaal des Stadtarchivs an Archivar Doktor Norbert Wex übergab.

Historischer Schatz in unscheinbarem Koffer: Gerichtsurteile und Schuldscheine

„Beim Querlesen stieß ich auf allerlei Besonderheiten, sah originale Urkunden von 1790, und dachte an Horst Braukmann vom Arbeitskreis Börde des Soester Geschichtsvereins“, erzählt Trillmann. „Das ist ja ein Schatz“, staunte Braukmann dann auch, als er das Konvolut aus Briefen, Verkaufs- und Kaufunterlagen, Gerichtsurteilen, Schuldscheinen und anderen Urkunden begutachten konnte. In den folgenden Jahren wertete er das Material aus – unterstützt von Elfriede Schulte-Derne, die seine handschriftlichen Texte digitalisierte, Fotos von dem Material machte und die Urkunden von Sütterlin in die heutige Schrift übertrug. Mithilfe des historischen Materials war es Braukmann möglich, die Zustände in den Soester Bauernschaften Kutmecke, Lühringsen und Ellingsen vornehmlich von 1810 bis 1830 zu durchdringen.

Dokumente Urkunden Stadtarchiv
Horst Braukmann (links) erforschte, unterstützt von Elfriede Schulte-Derne (rechts), für den Arbeitskreis Börde des Soester Geschichtsvereins die historischen Unterlagen. In Anwesenheit des Kreisheimatpflegers Norbert Dodt (hinten) überreichte Ortsvorsteher Ernst Fritz Trillmann (Mitte) die Sammlung an Stadtarchivar Norbert Wex. © Karin Hillebrand

„Der Tierarzt ist über die Höfe seiner Ahnen gezogen und hat alte Schriftstücke gesammelt – manche davon mit Mäusefraß. Allein über seine Vorfahren könnte man einen Roman schreiben“, sagt Braukmann. Die stammten von dem Hof Overbeck (heute Volmerich) in Kutmecke, der in einer Karte von 1839 als Einzelhof eingezeichnet ist, den Höfen Korfmann (heute Plange) und Schenkel in Ellingsen sowie dem Hof Wulf (heute Oevel) in Lühringsen. Die Ergebnisse seiner Forschung veröffentlichte Horst Braukmann im Heft 132 der Soester Zeitschrift von 2020.

Sie geben einen Einblick in das Schicksal der Bauernfamilien im Soester Raum. „Und das quellengestützt“, unterstreicht Archivar Wex, der nach der Lektüre des Artikels das Material unbedingt sehen wollte. „Man kann hier zum einen sehr gut die Möglichkeiten der Erforschung solcher Unterlagen ersehen. Man erhält aber auch einen Einblick in die Zeit der Bauernbefreiung – Horst Braukmann hat im Detail nachgewiesen, was mit den beschriebenen Familien passierte. Anders als man es erwarten würde, ging es den Bauern nach der Befreiung nicht besser, sondern schlechter.“

Historischer Schatz in unscheinbarem Koffer: Bauern werden ausgebeutet

Die betreffenden Höfe gehörten, wie viele andere auch, bis zur Säkularisierung 1803, dem Patrokli-Kloster, an das die Familien Abgaben zu entrichten hatten. „Danach wurde der preußische Staat Eigentümer und beutete die Bauern aus“, fasst Braukmann die Schicksale kurz zusammen.

„Overbeck-Korfmanns versuchten eine Zwangsenteignung abzuwenden und übernahmen den kleineren Hof Wulf – dessen Besitzer ebenfalls verschuldet waren. 1850 verdingte sich Bauer Overbeck als Tagelöhner. Sein Sohn hat bei der Eisenbahn in Soest angefangen, dessen Sohn wurde Lehrer und dessen Sohn schlussendlich Tierarzt.“

Historischer Schatz in unscheinbarem Koffer: Familienforschung

Elfriede Schulte-Derne, die selbst von einem Hof in Ampen stammt und familiäre Beziehungen nach Lühringsen hat, fand in den Unterlagen auch Namen der eigenen Familie. Sie wurde im Rahmen der Übergabe von Kreisheimatpfleger Norbert Dodt zur ersten Ortsheimatpflegerin für Thöningsen ernannt. Die 67-jährige Bürokauffrau hat den eigenen Stammbaum bis ins 17. Jahrhundert erforscht und ist fortan für Thöningsen, Lühringsen, Ellingsen, Willingheppen sowie Kutmecke zuständig. Sie wird sich insbesondere alten Fotos und Balkeninschriften an den Häusern widmen.

Kontakt: Elfriede Schulte-Derne ist unter Telefon 02921 / 80685 erreichbar.

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