Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz stehen Erwachsenen mit weniger als 200 Euro Vermögen monatlich 367 Euro zu, darüber hinaus, je nach Einzelfall, weitere Gelder. Der Status beinhaltet auch ein Arbeitsrecht. Die Köthschneiders haben für weitere Mitglieder aus Evelinas Familie Unterkünfte besorgt, Verwandtschaft, Freunde, Nachbarn helfen: Viele sind im Boot. Dass das auch eine große Herausforderung ist, will Andrea Köthschneider nicht unterschlagen. „Die Sprachbarriere ist nicht zu unterschätzen“, sagt sie, „der Google-Übersetzer ist eine große Hilfe, aber wer nicht, wie wir mit Evelina, jemanden hat, der Ukrainisch oder Russich spricht, wird es trotzdem schwer haben.“ Evelina Köthschneider hat inzwischen einige Erfahrung mit dem Papierkram, sie weiß, dass das Sozialamt auch für eine Krankenversicherung sorgt. Während sie erzählt, klingelt das Handy; das Bürgerbüro meldet sich mit der Information, dass die Köthschneiders noch Wohnungsgeberbestätigungen nachreichen müssen.
Tobias Gertig und seine Familie sind in ihrem Reihenhaus zusammengerückt. Den so geschaffenen Platz meldete der 37-Jährige auf einem Online-Portal, dort fanden ihn eine Ukrainerin und deren Tochter. Seit Freitag sind sie da, in Berlin hatte man den beiden Frauen den Tipp gegeben, sich nicht in der Hauptstadt registrieren zu lassen, sondern gleich weiter zu reisen und die Anmeldung erst am Zielort zu erledigen. Am Montag machte sich Gertig mit den beiden Frauen auf den Weg zum Stadtteilhaus. Auch er sagt: „Es muss jedem klar sein, der jemanden aufnimmt, dass es nur damit, einen Schlafplatz zur Verfügung zu stellen, nicht getan ist.“ Im Gegenteil, jetzt fängt die „Arbeit“ erst an. Es ist nicht leicht, sich in der Bürokratie zurechtzufinden. Dazu kommt die Verunsicherung auf Seiten der Frauen. Gertigs Gäste kommen aus dem Osten der Ukraine, dort haben sie vor allem russisches Fernsehen geschaut. „Sie hatten Angst, nach Deutschland zu kommen, sie dachten, man nehme ihnen hier den Pass ab und sperre sie ein.“
Geld, auch Dollar, lässt sich nicht oder nur bis zu einem Höchstbetrag tauschen, Bankkonten müssen eröffnet werden. Wer hilft bei der Ausstattung mit Kleidung, schließlich konnten viele nur das Allernötigste mitbringen? Und was ist mit den Kindern? Können sie zur Schule gehen? Volker Wilmes und Andreas Heihoff sprechen für die Soester Leitungen der Grund- und weiterführenden Schulen, wenn sie in dieser Hinsicht versichern können: „Dafür finden wir schnell Lösungen.“ Die Zahl der Anfragen sei noch sehr überschaubar, aber einige Kinder besuchten im Rahmen eines Gastschulverhältnisses inzwischen den Unterricht. Voraussetzung dafür sei lediglich eine Meldung beim Einwohnermeldeamt, erläutert Wilmes, selbst Leiter der Petri-Grundschule. Neu ist der Gastschüler-Status keineswegs, ergänzt Convos-Leiter Heihoff, „wir verfahren wie immer: Wenn jemand vor der Tür steht, kümmern wir uns.“ Eine Steuerung gebe es noch nicht, gleichwohl stünden die Schulen im engen Kontakt mit dem Schulträger. Wieviele Schüler kommen werden, wie lange sie bleiben? „Das ist alles in der Schwebe“, sagt Volker Wilmes, „wir sind gedanklich vorbereitet, aber es ist noch eine rein theoretische Übung.“
Mindestens so unkompliziert funktioniert bereits deutschlandweit die Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Was für die Bahn und große Städte gilt, ermöglicht auch die RLG: Die regionale Busgesellschaft lässt ukrainische Flüchtlinge kostenlos Bus fahren. Familie Köthschneider weiß noch von weiteren Soestern, die Ukrainern Unterkunft bieten wollen. Auch bei der Stadt haben sich Leute gemeldet, die Wohnraum zu Verfügung haben. Und gut 15 Bauernfamilien aus dem Kreis Soest haben sich beim Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband gemeldet und Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen erklärt.