Welche Rolle spielten damals auch psychologische und politische Faktoren? Der Streit um die desolate finanzielle Lage des Klinikums wurde ja in der Politik mit harten Bandagen und öffentlich geführt, was auch in der Belegschaft Spuren hinterließ.
Der Ausgangspunkt für diese Entwicklungen war die finanzielle Lage des Hauses. Daraus resultierten dann die von Ihnen angesprochenen Folgen. Vor allem für viele Mitarbeiter war das wirklich schwierig, weil sie natürlich in der Gewissheit gearbeitet haben, mit vollem Einsatz gute Leistungen für die Patienten zu bewirken, das Bild in der Öffentlichkeit aber von negativen Schlagzeilen geprägt war, bei denen es immer ums fehlende Geld ging. Dazu muss man natürlich wissen, dass die Arbeit der Teams auf den Stationen die eine Sache ist, aber vor allem Faktoren wie die organisatorischen Strukturen im Haus oder gesundheitspolitische Rahmenbedingungen oder auch die Coronapandemie massive Auswirkungen auf die Finanzen eines Krankenhauses haben können.
Der Weg zum „Chief Restructuring Officer“ (CRO) des Soester Klinikums (Sanierungsgeschäftsführer) führte den heute 48-jährigen verheirateten Vater von zwei Kindern nach einer Ausbildung zum Rettungsassistenten und einem anschließenden Studium Krankenhaus-Management über Leitungsfunktionen in Häusern der Helios-Gruppe sowie den Sana Kliniken Berlin-Brandenburg und schließlich dem Vivantes Klinikum in Berlin.
Im Juni 2021 folgte er in Soest auf Sven Freytag, der zuvor „in gegenseitigem Einvernehmen“ ausgeschieden war, nachdem es starke Widerstände gegen ihn aus der Politik gegeben hatte. Christian Straub leitete das Klinikum Stadt Soest gemeinsam mit Christian Schug, der in erster Linie für das operative Geschäft zuständig war – und auch bleiben wird: Schugs Vertrag wurde gerade erst um fünf Jahre verlängert.
Was hatte am Anfang Priorität für Ihre Arbeit, was stand auf der To-do-Liste ganz oben?
Damals ging es zunächst vor allem darum, die Situation in ihrer ganzen Komplexität zu verstehen, einschließlich der Entwicklungen, die im Vorfeld dazu geführt hatten. Dann war es natürlich auch wichtig, die Folgen der Coronapandemie zu managen, gleichzeitig aber auch bereits Vorkehrungen für die Normalität danach zu treffen, also unsere Hausaufgaben zu machen. Und immer ganz weit oben war das Zuhören in unzähligen Gesprächen, das gerne zitierte Abholen aller Beteiligten bei der Rückbesinnung auf das Wesentliche: die medizinische Versorgung unserer Patienten.
Ihre Zeit in Soest war unter anderem geprägt von der Coronapandemie und ihren Folgen. Jetzt wird gerade über die Krankenhausplanungen für die kommenden Jahre verhandelt, sehr wahrscheinlich mit gravierenden Folgen für die Kliniken in NRW. Normalität sieht anders aus. Wie sehr hat das Ihre Arbeit beeinflusst?
Normalität im Sinne von Bedingungen, die sich über einen längeren Zeitraum nicht verändern, gibt es im Gesundheitssektor nie. Dazu gibt es zu viele externe Faktoren, die auf die Krankenhäuser einwirken. Da sind die Pandemie, die ja noch nicht vorbei ist, oder die von Ihnen angesprochene Landeskrankenhausplanung nur einige Beispiele von vielen. Damit muss man einfach arbeiten. Und es gleichzeitig schaffen, Mitarbeiter und Führungskräfte zu einem Team zu formen, das von den Turbulenzen da draußen einigermaßen unbeeindruckt die Kernaufgabe wahrnimmt, nämlich sich um die Patienten zu kümmern.
Als kommunales Krankenhaus ist das Klinikum immer auch Spielfeld für die Politik. Die stritt in Soest erbittert und auch öffentlich über den richtigen Weg aus der Existenzkrise. Seit Sie in der Stadt sind, gibt es kaum noch negativen Schlagzeilen aus Aufsichtsratssitzungen oder anderen Gremien. Oder aus der Belegschaft. Zufall oder Strategie?
Wir haben die Ruhe, die Sie da beschreiben, dringend gebraucht. Um die Sanierung voranzubringen, brauchten wir die Rückendeckung des Aufsichtsrats und der politischen Gremien. Die Einsicht, dass Unruhe in einer derart schwierigen Situation nicht förderlich ist, hat sich schnell durchgesetzt. Das haben wir in vielen Gesprächen gespürt, zum Beispiel auch bei den Parteien, in denen bestehende Fragen direkt beantwortet werden konnten, ohne dass erst lange öffentlich über Dinge spekuliert wurde, die tatsächlich gar nicht relevant waren oder nicht stimmten. Und mit der Zeit hat natürlich auch geholfen, dass wir Ergebnisse vorzuweisen hatten. Damit wurden unter anderem Befürchtungen entkräftet, dass wir den klar formulierten Auftrag an uns, das Klinikum als Generationenkrankenhaus mit den entsprechenden medizinischen Leistungen zu erhalten, nicht erfüllen würden. Wir haben das nie infrage gestellt, sondern alle hart dafür gearbeitet, dass wir das schaffen. Und das haben wir.
Die jetzt von der Geschäftsführung vorgelegten Wirtschaftspläne für die kommenden Jahre gehen von schwarzen Zahlen aus. Was macht Sie so optimistisch angesichts von Unwägbarkeiten wie der bereits erwähnten Krankenhausplanung?
Wir haben eine langfristige, auf fünf Jahre ausgerichtete Wirtschaftsplanung gemacht, die von der Politik auch bestätigt wurde. Das ist bei den derzeitigen Rahmenbedingungen allerdings extrem schwer. Daher werden diese Planungen sehr wahrscheinlich, abhängig von den Entwicklungen, in den kommenden Monaten auch noch einmal aktualisiert werden müssen. Ich habe da besonders die laufenden Gespräche zur Krankenhausplanung im Fokus, da wird es wohl erst zum Ende des zweiten Quartals 2023 belastbare Ergebnisse geben. Uns ist es wichtig, alle Entwicklungen transparent mit der Stadt als unserem Gesellschafter zu besprechen. Wir merken, dass es da ein großes Interesse seitens der Stadt gibt und auch viel Verständnis dafür, dass es eine große Dynamik bei den Rahmenbedingungen und damit viele Unwägbarkeiten bei unseren Planungen gibt.
Jetzt ziehen Sie weiter, der Vertrag ist erfüllt. Ist damit auch die Sanierung des Klinikums abgeschlossen?
Nein, das ist sie nicht. Eine Sanierung ist vor allem ein Veränderungsprozess, der auch im Klinikum weitergehen muss und wird. Was Krankenhäusern im ganzen Land in den vergangenen Jahren an Veränderungen abverlangt wurde, ist schon enorm. Das ist bei uns im Haus noch einmal durch die finanzielle Schieflage verstärkt worden. Andererseits ist genau das aber auch ein Vorteil, weil hier frühzeitiger als anderswo damit begonnen wurde, sich schon in der Coronapandemie mit Themen auseinanderzusetzen, die für eine nachhaltige Sicherung des Standortes wichtig sind. Das haben viele andere Krankenhäuser nicht gemacht, und die befinden sich jetzt eher in einer abwartenden Situation, hoffen zum Beispiel auf weitere staatliche Hilfen. Wir haben bereits unsere Hausaufgaben erledigt und wichtige Prozesse angestoßen, das verschafft uns einen Vorsprung gegenüber anderen Häusern.