Vor der Bühne auf dem Marktplatz stehen die Menschen schon in zig Reihen dicht gedrängt, Soests Freiluft-Wohnzimmer wird schon bald wieder gesellig aus allen Nähten platzen. Zwei Mann von einer Sicherheitsfirma stehen vorne mit am Rand, beschauen sich die Sache, aber ganz entspannt. Masken, sieht man Masken? Man muss schon suchen: Zwei, drei, vier im ganzen Gewühl, das war‘s.
Sabine aus Hewingsen ist mit sieben Freundinnen unterwegs – Mädelsabend, ohne Maske. Sorge vor einer Ansteckung? „Musst du immer haben, wenn du vor die Türe gehst. Man kann’s auch im Treppenhaus bekommen – also bitte: Ist doch eine Freiluftveranstaltung hier.“ Alle in der Runde sind gut drauf: „Endlich wieder was los in Soest!“
Ein paar Schritte weiter prosten sich Frank aus Ampen und seine Truppe munter zu: „Wir sind mit gut 20 Leuten unterwegs und feiern“, sagt er. Spaßfaktor? „Auf einer Skala von eins bis zehn eine glatte Zehn! Wir sind so glücklich, dass wir endlich wieder Spaß haben dürfen.“ Maske dabei? „Nein.“ Abstand? „Nein, nicht wirklich...“
Johanna (13) aus Soest steht mit Mund-Nasenschutz ein wenig abseits vom Gewühl und genießt die Musik auf der Bühne, Mutter Christine ohne Maske daneben. „Mir geht‘s gut“, sagt sie. „Ich bin vorsichtig“, sagt Johanna: „Bei so vielen Leuten um mich herum, da passe ich lieber noch auf und halte auch Abstand. Ist einfach besser vom Gefühl her.“
Die Soester „Kalli“ und „Biene“ haben sich untergehakt, stehen ganz verträumt mitten im Gewühl. Stimmung? „Ist schön hier, gut, super – auch, dass man mal wieder raus kann und feiern. Ein bisschen mulmig ist es auch. Aber man muss auch irgendwann mal aufhören damit, mit der ganzen Angst.“
Laura und ihre Mutter Gülderen sind aus Lüdenscheid nach Soest gefahren. Von der großen Party auf dem Marktplatz haben sie eher zufällig erfahren, und jetzt stehen sie in der ersten Reihe vor der Bühne. „Ist doch klar, dass alle wieder raus und gemeinsam Spaß haben wollen“, sagt Laura. „Ich bin ein bisschen zwiespältig beim Gefühl, aber es ist ja auch gut, dass wir draußen feiern. Das ist besser als drinnen.“
Cornelia aus Soest steht auch ganz vorne vor der Bühne, ein wenig abseits vom Trubel: „Für mich gibt’s noch Regeln“, sagt sie: „Wenigstens Abstand halten.“
Ein Sprung zur Schützenhalle in der Feldflur zwischen Enkesen und Paradiese: Nachmittags gegen 17 Uhr. Die Hofstaatdamen unterhalten sich gerade über den Kleider-Kauf. Die Antwort auf die Frage, ob denn alle auch Masken mithätten in den Handtaschen? „Nein.“ Angst bei so vielen Leuten, die ja nicht durchweg nüchtern bleiben? „Nicht wegen Corona. Da muss irgendwann mal Schluss sein.“ Soll heißen: Alle rücken wieder gesellig zusammen. Am Königstisch, auf der Tanzfläche und überhaupt. Die befragten Schützen sehen es genauso. „Maske? Liegt zuhause, und da liegt sie gut“, sagt einer.
Pressewart Henning Mohrs sagt zur Stimmung: „Alle sind gut drauf, auf Abstand achtet hier groß niemand – das ist auch normal bei einem Schützenfest. Die Verbote sind gefallen, das freut alle. Zwei Jahre durften wir nicht feiern, jetzt wollen alle wieder unbeschwert sein.“
Gefeiert haben sie am Freitagabend nach dem Vogelschießen bis tief in die Nacht: „Halb vier, da haben wir die Halle zugeschlossen“, berichtet Kommandeur Oliver Droste: „So lange ging‘s noch nie.“ Mehr junges Publikum habe mitgefeiert – und alle hätten sich wirklich gut benommen. Mit den strikten Regeln ist es vorbei, selbst beim Ordnungsamt habe man abgewunken bei der Frage nach besonderen Auflagen zum Schutz vor einer Ansteckung. Henning Mohrs: „Ob es sich wieder normal anfühlt? Ja, doch...“ Und das dürfe auch gerne so bleiben, fanden alle – in Soest auf dem Marktplatz und in Enkesen und Paradiese beim Schützenfest.