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„Nicht mehr konzentrationsfähig“: Immer mehr Fahrschüler fallen durch

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Von: Patrizia Frank

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Immer mehr Fahrschüler fallen durch die Prüfungen – sowohl in der Theorie als auch in der Praxis. Die Fahrlehrer vermuten mehrere Ursachen dahinter.

Soest – Sind die Anwärter für den Führerschein einfach zu unkonzentriert oder liegt die hohe Durchfallquote bei Fahrprüfungen doch am immer komplexer werdenden Straßenverkehr und den höheren Anforderungen? Nach Angaben des TÜV-Verbandes fielen im vergangenen Jahr bundesweit etwa 39 Prozent aller Prüflinge im ersten Anlauf schriftlich durch, bei den praktischen Prüfungen bestanden 37 Prozent der Fahrschüler nicht. Auch Fahrschüler im Kreis Soest stehen im Vergleich nicht besser da – im Gegenteil.

Michael Bannat, Inhaber der Fahrschule Bannat und seit 27 Jahren selbst Fahrlehrer, bestätigt, dass auch bei ihm längst nicht mehr jede Prüfung bestanden wird. „In der Theorie bestehen bei uns etwa 60 Prozent der Anwärter auf Anhieb, die praktische Prüfung schaffen 77 Prozent aller Auszubildenden“, sagt er. „Das sind durchaus schlechte Quoten, wir lagen mal bei einer 90-prozentigen Bestehensquote“.

Fahrlehrer Michael Bannat diagnostiziert bei vielen Schülern Konzentrationsmängel und nachlassende motorische Fähigkeiten. Die Folge: Immer mehr junge Leute fallen durch die Prüfung.
Fahrlehrer Michael Bannat diagnostiziert bei vielen Schülern Konzentrationsmängel und nachlassende motorische Fähigkeiten. Die Folge: Immer mehr junge Leute fallen durch die Prüfung. © Peter Dahm

„Nicht mehr konzentrationsfähig“: Immer mehr Fahrschüler fallen durch

Gut 400 Fahrschüler bildet Bannat gemeinsam mit seinen acht Fahrlehrern derzeit aus – und alle beobachten ein beunruhigendes Phänomen: „Die jungen Leute sind nicht mehr wirklich konzentrationsfähig“, sagt er und vermutet, dieses Phänomen hänge unmittelbar mit dem intensiven Konsum von kurzen Clips auf Social Media zusammen. „Dazu gibt es Studien, die regelmäßig in unseren Fachzeitschriften veröffentlicht werden. Ich bin nicht verwundert über diesen Trend.“ Die fehlende Konzentration sei aber nur ein Teil des Problems: „Auch die motorischen Fähigkeiten nehmen deutlich ab“, sagt Bannat.

Hinzu komme, dass in den vergangenen Jahren nicht nur immer mehr Fahrzeuge zugelassen und die Straßen somit immer voller würden, sondern auch, dass die Anforderungen für die Prüflinge deutlich gestiegen seien. „Früher dauerte eine praktische Prüfung 45 Minuten“, sagt dazu Dennis Wolf, der ebenfalls in Soest eine Fahrschule betreibt. „Heute lassen die Prüfer die Anwärter 55 Minuten lang fahren – das ist um einiges anstrengender und bietet natürlich mehr Raum für Fehler.“

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Immer mehr Fahrschüler fallen durch – auch Anforderungen sind gestiegen

Er glaubt, dass die in der Hauptsache auf EU-Ebene neu festgelegten Anforderungen zum Teil so hoch sind, dass eben nicht mehr alle auf Anhieb leisten können, was da von ihnen verlangt wird. Und eine weitere Sache sei vielen Fahrschülern in den vergangenen drei Jahren arg an die Moral gegangen: „Ziemlich genau zu Beginn der Pandemie wurde es für uns immer schwerer, überhaupt Termine für die praktischen Prüfungen zu bekommen. Für unsere Schüler ergaben sich teilweise Wartezeiten von mehreren Wochen – es ist nur normal, dass unter solchen Bedingungen viele nicht mehr so gut abschneiden, wie sie es vielleicht unter normalen Umständen gekonnt hätten.“

So ganz traut Fahrlehrer Michael Bannat den vom TÜV veröffentlichten Zahlen übrigens nicht: „Es gab in den vergangenen Jahren auch unheimlich viele ,Umschreiber‘, also Menschen aus dem Ausland, die hier einen Führerschein erwerben können, indem sie nach wenigen Fahrstunden in die Prüfung gehen. Viele von ihnen fallen beim ersten Mal durch, denn wer jahrelang nur unter vollkommen anderen Bedingungen im Heimatland gefahren ist, kann oft nicht auf Anhieb in Deutschland eine Fahrprüfung bestehen. Auch diese Zahlen fließen in die offizielle TÜV-Quote mit ein“, erklärt er. Dass es dadurch zu Verfälschungen der offiziellen Statistik kommen könnte, sei nicht auszuschließen.

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