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Er flog an Menschengruppe vorbei: Junger Motorradfahrer überschreitet Grenze einmal zu oft

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Von: Daniel Schröder

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Frederik Rasch von der Polizei Soest musste die Spuren des Unfalls damals aufnehmen. Seit diesem Tag ist der Unfallfahrer gelähmt.
Frederik Rasch von der Polizei Soest musste die Spuren des Unfalls damals aufnehmen. Seit diesem Tag ist der Unfallfahrer gelähmt.  © Daniel Schröder

Verkehrsunfälle gehören zum Arbeitsalltag von Polizist Frederik Rasch. Er erzählt von einem Unfall, bei dem ein junger Motorradfahrer immer wieder an die Grenze des Möglichen ging. Ein einziges Mal überschritt er diese Grenze. Er wird nie wieder Motorradfahren.

Kreis Soest – Für Frederik Rasch gehören Verkehrsunfälle zum Arbeitsalltag. Der 33-jährige Polizeioberkommissar arbeitet seit 2012 bei der Soester Polizei, hat seitdem diverse Unfälle auf den Straßen im Kreisgebiet aufgenommen. Beim Präventions-Programm „Crash Kurs NRW“ erzählt er Schülern, welche Unfälle ihm besonders im Gedächtnis geblieben sind. Er will sie damit für die Gefahren sensibilisieren, die zu hohe Geschwindigkeit, Unaufmerksamkeit und Co. im Straßenverkehr verursachen. In einer fünfteiligen Serie erzählen wir die Geschichten der Einsatzkräfte. Ihre Erlebnisse sollen ungeschönt zeigen, welch schwerwiegende Folgen eine kleine Fehlentscheidung auf der Straße nach sich ziehen kann. Teil 2.

Es ist das Himmelfahrts-Wochenende 2017. Frederik Rasch ist an diesem Tag mit einem Kollegen am Möhnesee auf Streife. Viele Motorradfahrer sind an diesem langen Wochenende bei bestem Wetter rund um den See unterwegs, einige von ihnen hat Rasch an diesem 26. Mai schon kontrolliert, Verstöße geahndet.

Motorradfahrer fliegt 20 Meter bis an das Ufer des Möhnesees

Plötzlich, gegen 15.30 Uhr, ruft die Leitstelle die Streifenbesatzung über Funk, schickt sie zum Südufer. Nahe der Körbecker Brücke soll sich ein schwerer Motorradunfall ereignet haben. „Als wir ankommen, sind bereits Rettungskräfte vor Ort und kümmern sich um den Verletzten“, erinnert sich Rasch. Die Polizisten machen sich ein erstes Bild von dem, was kurz zuvor hier geschehen ist: „Wir entdecken Driftspuren und Schlagmarken in einer Linkskurve. Und ein Loch in einer Hecke.“ Der schwer verletzte Motorradfahrer liegt nicht auf der Straße, nicht auf dem Geh- und Radweg hinter der Hecke, sondern am Ufer des Sees. Er ist rund 20 Meter geflogen.

Durch diese Hecke flog der Motorradfahrer an einer Personengruppe vorbei und kam am Ufer des Möhnesees zu liegen.
Durch diese Hecke flog der Motorradfahrer an einer Personengruppe vorbei und kam am Ufer des Möhnesees zu liegen. © Daniel Schröder

Außerdem stoßen die Beamten auf eine Gruppe von Menschen, die auf dem Gehweg unterwegs waren, als der Motorradfahrer die Kontrolle über seine hochmotorisierte Maschine verlor. „Sie berichten uns, wie der Motorradfahrer immer wieder mit hoher Geschwindigkeit die Straße auf und ab fuhr. Dort herrscht eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Der Motorradfahrer war deutlich schneller unterwegs. Er hat versucht, in jeder Kurve sein Knie auf den Boden zu bekommen, das zeigen Abnutzungsspuren an gewissen Pads, die genau dafür hergestellt werden.“

„Was wäre passiert, wenn die Personengruppe nur wenige Meter weiter gestanden hätte?

Jeder aus der Gruppe steht in diesem Moment unter Schock. Denn ihnen wird bewusst, dass sie selbst nur knapp einem Unglück entkommen sind. Rasch erzählt: „Der Motorradfahrer ist ins Driften gekommen, durch die Hecke geflogen, direkt an der Personengruppe vorbei, durch die Büsche bis zum Ufer. Was wäre passiert, wenn die Personengruppe nur wenige Meter weiter gestanden hätte?“

Die Untersuchungen ergeben, dass der Hinterreifen der Aprilia zu 100 Prozent abgefahren ist – „von Flanke zu Flanke“, sagt Rasch. „Das zeigt, dass der Reifen immer wieder im oberen Grenzbereich gefahren wurde. Leider Gottes nicht auf der Rennstrecke, sondern im öffentlichen Straßenverkehr. Das gehört da nicht hin.“

Familie wird ihren Sohn wohl nie wieder laufen sehen

Der Ausgang des Unfalls ist zwar nicht tödlich, hat aber trotzdem schlimme Folgen für den erst 19-jährigen Fahrer. Frederik Rasch berichtet: „Er hat sein Leben mit der Bewegung eingebüßt. Er ist ab dem dritten Halswirbel gelähmt, wird nie wieder Motorrad fahren. Nur, weil er jedes Mal vorhatte, am Möhnesee sein Knie auf den Boden zu bekommen. Das Loch ist noch heute in der Hecke.“ Diese Grenzüberschreitung im Straßenverkehr hatte einen schwer verletzten, jungen Mann, zehn unter Schock stehende Menschen und eine Familie, die ihren Sohn wohl nie wieder laufen sehen wird, zur Folge.

Teil 1 der Serie „Retter berichten“: Tödlicher Tritt aufs Gaspedal: Jessica und Thomas verloren durch einen Raser ihr Leben

Die Serie

„Crash Kurs NRW“ ist eine Zusammenarbeit zwischen Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst, Notfallseelsorge, Verkehrsunfallopfern und deren Angehörigen. Ziel ist es, den jungen Teilnehmern zu verdeutlichen, welch hohe e Gefahr im Straßenverkehr von Raserei, Alkohol und Drogen am Steuer, Leichtsinn, überhöhter Geschwindigkeit, fehlenden Gurten und Ablenkung durch das Handy am Steuer ausgeht. In fünf Serien-Teilen erzählen wir die Geschichten von Einsatzkräften und einer Unfall-Beteiligten.

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