Kindertagespflege sieht sich in der Krise

Ohne Kindertagespflegeeinrichtungen würde die Betreuung des Nachwuchses im Kreis Soest wohl nicht funktionieren. Angesichts einer dünnen Finanzausstattung und enorm gestiegener Kosten, vor allem im Bereich der Strom- und Gaspreise, sieht die Zukunft aber eher düster aus. „Die Kindertagespflege im Kreis Soest ist bedroht“, lautet die Warnung der Einrichtungen, verbunden mit der Frage, wer anstelle der „Tagesmütter“ die Kinder betreuen soll.
Kreis Soest – Allein im Bereich des Kreisjugendamtes geht es um mehr als 1 200 Kinder. Die Kindertagespflegeeinrichtungen hoffen nun auf die Beratung und Entscheidung im Jugendhilfeausschuss des Kreistags im März. Im Gespräch ist eine Anhebung der Vergütung um zwei Euro, dieser Vorschlag aus dem Vorjahr steht nun zur Beratung an. Entsprechende Vorberatungen in den Fachausschüssen des Kreistags sind aufgrund eines gemeinsamen Antrags der Fraktionen von BG und Grünen 2022 bereits angelaufen.
Die Bedeutung der Kindertagespflegepersonen wurde in den bisherigen Beratungen auch durchaus betont. Als Ergebnis soll die Kreisverwaltung nun für die Sitzung des Jugendhilfeausschusses im März einen Vorschlag für ein angemessenes Entgelt in der Kindertagespflege erarbeiten.
Im Zuständigkeitsbereich des Kreisjugendamtes gibt es in den zugehörigen elf Kommunen etwa 107 Kindertagespflegepersonen, die mehr als 1 200 Kinder betreuen, berichtet Nina Schweitzer aus Schallern als Sprecherin der Einrichtungen. Hinzu kommen im Kreis Soest die Einrichtungen in den Städten Lippstadt (ungefähr 50), Soest (42) und Warstein (16), die eigene Jugendämter haben.
Die Finanzierung gestalte sich in diesen drei Städten und im Grunde genommen landesweit aber ebenso schwierig, sagt Nina Schweitzer. Das Problem bestehe darin, dass die Finanzierung der Kindertagespflegeeinrichtungen per Gesetz nicht konkret geregelt ist. Laut Sozialgesetzbuch (SGB VII) und Kinderbildungsgesetz NRW (KiBiz) heiße es lediglich schwammig, die Bezahlung solle „auskömmlich“ sein.
Die konkreten Sätze bestimmen jedoch die Träger der Jugendämter. Dabei setzt sich die Bezahlung aus den Elternbeiträgen, einer Pauschale des Landes und dem Anteil des Kreisjugendamtes zusammen.

Mit den explodierenden Preisen der letzten Jahre sei die Finanzierung der Betreuung aber schon lange nicht mehr auskömmlich, kritisieren die Kindertagespflegeeinrichtungen in einem Statement. In mehr als 13 Jahren habe sich die laufende Geldleistung im Kreis Soest von 5,50 Euro je Kind und Stunde auf 5,61 Euro je Kind und Stunde erhöht. Dies sei nicht annähernd ausreichend, um kostendeckend zu arbeiten.
Hinzu kommt, dass den „Tagesmüttern“ insgesamt 15 Krankentage pro Jahr zugestanden werden, ab Tag 16 kann der Kreis die Geldzahlungen zurückfordern. Nicht finanziert werden zudem 30 Urlaubstage. Quasi unbezahlter Urlaub, sagt Schweitzer. Diese Tage eingerechnet falle der Satz noch niedriger aus als die besagten 5,61 Euro.
Dazu machen die Einrichtungen folgende Rechnung auf: „Bei einer durchschnittlichen Belegung (ein Kind 25 Wochenstunden, drei Kinder 35 Wochenstunden, ein Kind 45 Wochenstunden) verdient eine selbständige Tagesmutter zirka 1 400 Euro brutto bei einer 45-Stunden-Arbeitswoche.“ Hinzu komme, dass es sich um Bruttoleistungen handle. Selbstständige Kindertagespflegepersonen seien für Rücklagen für die Rente selbst verantwortlich.
Gleiches gelte für Versicherungen, Reinigungskosten, Instandsetzung, Fortbildungen und vieles mehr. Mit diesen Aufgaben unterscheide sich eine Kindertagespflegeperson erheblich von einer Erzieherin. Während diese jedoch Lohnerhöhungen erhalten haben, sei die Finanzierung für Tagespflegepersonen seit 13 Jahren nicht wesentlich erhöht worden. Weil es bei diesen Rahmenbedingungen nicht mehr möglich sei, existenzsichernd zu arbeiten, seien viele Plätze in der Kindertagespflege bedroht, warnen die Einrichtungen.
Die Folgen könnten angesichts des Rechtsanspruchs auf Betreuung ab einem Alter von einem Jahr gravierend sein. Wie Nina Schweitzer berichtet, werden im Kreis Soest derzeit 30 Prozent der Kinder im Alter von ein bis drei Jahren in Kindertagespflegeeinrichtungen betreut. Dies müsse auch der Kreis anerkennen. Schweitzer: „Es ist für den Kreis sehr viel teurer, diese Plätze in den Kitas aufzubauen. Das ist finanziell und personell gar nicht zu schaffen.“
Weitere Infos
Die Beratungsunterlagen können über das Bürgerinformationssystem des Kreises eingesehen werden. Die Kindertagespflegeeinrichtungen machen mit einem Youtube-Film und einem dazu gehörenden Statement hier auf ihre Lage aufmerksam. Die nächste Sitzung des Jugendhilfeausschusses ist am Dienstag, 14. März, ab 17 Uhr im Kreishaus, Sitzungszimmer 1.
Voraussetzungen für die Kindertagespflegeeinrichtungen
Wie Nina Schweitzer berichtet, werden in den Kindertagespflegeeinrichtungen Kinder von einem bis drei Jahren betreut. Ab dem Alter von drei Jahren greift der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Jeweils mit dem neuen Kindergartenjahr wechseln die Dreijährigen daher in eine Kita. Laut Selbsteinschätzung der Kindertagespflegeeinrichtungen im Kreis Soest bieten sie eine professionelle, liebevolle und bindungsstabile Betreuung ohne Schichtdienste oder Personalmangel. Schaut man sich die Selbstbeschreibungen im Internet an, erreichen Kindertagespflegeeinrichtungen oft durchaus das Ausstattungsniveau von Kitas. Laut Wikipedia werden die individuelle Förderung, die familiäre Betreuung und die hohe zeitliche Flexibilität als Vorteil der Tagespflege angesehen. Nina Schweitzer zufolge haben 20 Prozent der Kindertagespflegepersonen im Kreis eine pädagogische Ausbildung. Entsprechend der Vorgaben hätten aber alle die auf U3-Kinder ausgerichtete Qualifizierung.