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Spezialkräfte zur Unfallaufnahme: Sie kommen, wenn der Tod mit von der Partie ist

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Von: Daniel Schröder

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Mit moderner Technik nehmen die „VU-Teams“ des Landes schwerste Unfälle penibel auf: An Bord haben sie 3D-Scanner, Drohnen, Auslesetechnik für digitale Fahrzeugspuren, Beleuchtung,
Mit moderner Technik nehmen die „VU-Teams“ des Landes schwerste Unfälle penibel auf: An Bord haben sie 3D-Scanner, Drohnen, Auslesetechnik für digitale Fahrzeugspuren, Beleuchtung, © - und Videotechnik. Foto: schröder

Zu den schwersten Verkehrsunfällen kommen landesweit Spezialteams zur Unfallaufnahme. Was machen diese Teams anders?

Kreis Soest – Wenn sie kommen, ist auf der Straße jemand ums Leben gekommen oder kämpft nach einem Verkehrsunfall um eben jenes: die „VU-Teams“ der Polizei. Die Teams gelten als Spezialeinheit zur Aufnahme schwerster Unfälle. Mehrfach rückten sie bereits in den Kreis Soest aus. Sie sollen die Beamten vor Ort entlasten, das findet Zuspruch, in einem konkreten Punkt aber auch Kritik.

Gegründet wurden die ersten Teams im September 2021 unter anderem in Dortmund, ein Jahr später auch in Arnsberg. Stirbt jemand bei einem Unfall im Kreis Soest, sind die Beamten vor Ort verpflichtet, das nächstgelegene „VU-Team“ anzufordern. Sie kommen außerdem, wenn jemand in Lebensgefahr schwebt oder der Verdacht auf ein illegales Rennen besteht. Landesweit gibt es aktuell 14 Teams, im September sollen drei weitere im Oberbergischen, Aachen und Wuppertal dazukommen.

VU-Teams: „Klassisches Spurenbild ist am Unfallort nur noch schwer vorzufinden“

Sie alle arbeiten „nach gleichen Standards und mit gleicher technischer Ausstattung und Fortbildung“, schildert ein Sprecher des NRW-Innenministeriums gegenüber unserer Redaktion. Die Spurenauswertung verlagere sich immer weiter von der Straße ins Digitale: „In modernen Kraftfahrzeugen sind heute eine Vielzahl von Assistenzsystemen verbaut. Sie führen dazu, dass das klassische Spurenbild – beispielsweise Bremsspuren – am Unfallort nur noch schwer vorzufinden ist. An dessen Stelle treten vermehrt digitale Unfallspuren, die in den Steuergeräten gespeichert werden und präzise unfallrelevante Daten liefern. Um diese digitalen Spuren gerichtsverwertbar sichern und auswerten zu können, bedarf es spezieller Technik und spezialisierten Personals“, erklärt der Ministeriums-Sprecher.

Bei der Unfallaufnahme schauen die Kräfte der „VU-Teams“ ganz genau hin.
Bei der Unfallaufnahme schauen die Kräfte der „VU-Teams“ ganz genau hin. © Daniel Schröder

Die Qualität der polizeilichen Verkehrsunfallaufnahme sei „elementar für die straf- und zivilrechtliche Einordnung des Unfallgeschehens, verhilft Opfern und Angehörigen nach Verkehrsunfällen zu ihrem Recht und dient der Weiterentwicklung präventiver Ansätze zur Verhinderung zukünftiger Verkehrsunfälle“.

VU-Teams: Sie sichern Spuren am Fahrzeug, an der Fahrbahn oder einer Person

Aus der Direktion Verkehr der Soester Kreispolizeibehörde heißt es, dass die Beamten vor Ort durch die überörtlich anrückenden Teams entlastet würden. Aber: „Die Beamten der Kreispolizeibehörde Soest haben bei diesen Unfällen noch weitreichende, andere Aufgaben zu erledigen.“ Ein Beamter der Behörde bestätigt: „Es ist generell nicht schlecht, wenn Leute sich spezialisieren. Auch ein Unfallort ist ein Tatort, an dem die Spuren – ob am Fahrzeug, an der Fahrbahn oder einer Person – gesichert werden müssen. Die Teams machen eine sehr professionelle Arbeit, und wir sind im Zweifel frei für andere Einsätze.“

VU-Teams: Wenn sie kommen, sind die Straßen stundenlang gesperrt

Da die Unfallaufnahmen der „VU-Teams“ auf dem wohl höchstmöglichen Level durchgeführt werden, dauern sie mehrere Stunden. Jüngstes Beispiel im Kreis Soest: Ein Fußgänger wurde am Freitagabend (14. April) auf der A44 bei Geseke von einem Auto erfasst und getötet. Er war von einem Rastplatz aus vor den Augen seiner Begleiter auf die Autobahn gelaufen. Die Autobahn wurde für die Unfallaufnahme rund neun Stunden lang gesperrt.

Auch beim „Unfall-Chaos“ auf der A44 zwischen Werl und Soest Ende März war beim ersten Unfall ein „VU-Team“ mit der Unfallaufnahme beschäftigt. Nach mehr als drei Stunden kam es im durch die Vollsperrung entstandenen Stau zu einem tödlichen Auffahrunfall. Anfang April verunglückte eine Motorradfahrerin zwischen Warstein und Rüthen ohne Fremdeinwirkung – ein „VU-Team“ rückte an, die Sperrung der Verkehrsader wurde nach rund acht Stunden aufgehoben.

VU-Teams: Bei tödlichen Unfällen müssen sie gerufen werden

Wie lange die Unfallaufnahmen durch „VU-Teams“ bislang im Durchschnitt dauerten, konnte das Innenministerium nicht beantworten. Die „heimischen“ Polizisten haben keinen Einfluss darauf. Von der Soester Kreispolizei heißt es: „Das VU-Team ist bei der Aufnahme von Verkehrsunfällen mit tödlichen Folgen verpflichtend zur Unterstützung zu alarmieren. Durch die entsprechende Erlass- und Verfügungslage ergibt sich für die Kreispolizeibehörden kein Ermessensspielraum.“ Hier setzt auch der einzige Kritikpunkt an, den Polizeibeamte in der „VU-Team“-Frage gegenüber unserer Redaktion äußern: „In manchen Fällen muss die Frage nach der Verhältnismäßigkeit gestellt werden“, sagt einer.

Aus dem Ministerium heißt es dazu: „Durch den Einsatz der speziellen Technik und der Expertise des Personals, wird der Verkehrsunfall noch umfassender aufgenommen. Die zweifelsfreie Klärung der Verursacherfrage sowie der Unfallursache wird insbesondere durch den Einsatz spezieller Technik eines VU-Teams ermöglicht und liefert beispielsweise Aussagen über konkret gefahrene Geschwindigkeiten. Dabei handelt es sich um wesentliche Beweismittel, die Hinterbliebenen oder anderen Unfallbeteiligten Klarheit geben können. Vermeintlich ‘eindeutige’ Unfallverursachungen ließen sich in der Vergangenheit – beispielsweise durch digitale Fahrzeugspuren – sogar widerlegen.“

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