Soester Michael Gantenberg Drehbuchautor bei „Unsere wunderbaren Jahre“

Wirkliche Erinnerungen an jene Zeiten hat Michael Gantenberg kaum. 1967 wurde er gerade eingeschult. Als i-Männchen war dem kleinen Michael Politik noch fremd in jenen Jahren, mit denen sich der Soester Autor nun aber berufsbedingt intensiv befassen musste. „Welche Autos wurden damals gefahren? Wie wurde zu jener Zeit geflucht?“ Alles Fragen, die Michael Gantenberg durch intensive Recherche selber beantworten musste.
Soest – Als Verfasser des Drehbuchs für den ARD-Mehrteiler „Unsere wunderbaren Jahre“ musste er sich ins Ende der 60er-Jahre zurückversetzen. In die Zeit, in der die zweite Staffel jener Produktion spielt, deren erste Staffel vor drei Jahren ein so großer Erfolg war. Die Geschichte eines metallverarbeitenden Unternehmens in Altena faszinierte das TV-Publikum schon 2021, als es um die Zeit der Währungsreform ging.
Jetzt wurde ein Zeitsprung vollzogen, hinein ins Jahr 1967. „Wir haben uns dabei die Rosinen herausgepickt“, macht Michael Gantenberg klar, dass das Buch von Autor Peter Prange, auf dem die Verfilmung beruht, die Zeit von 1948 bis 1989 umfassend darstellt. Fürs Fernsehen aber wurde eben jene Zeit im zweiten Teil in den Fokus gerückt, in der nach dem Wirtschaftswunder die Fassaden der jungen Bundesrepublik Risse bekamen, auch in der westfälischen Provinz.
Für Michael Gantenberg eine außerordentlich spannende Phase der jüngeren Geschichte, als Deutschland von einem CDU-Kanzler Kurt-Georg Kiesinger regiert wurde, der einst Mitglied in der Nazi-Partei war. „Das Thema treibt einen um, die politische Gemengelage war damals von einem Aufbegehren geprägt, wie auch heute. Damals lehnten viele junge Leute gegen die alten Nazis auf, heute ist es das Klima.“
Der Soester bringt Verständnis mit für dieses Aufbegehren. Ob er so radikal wie eine der Hauptfiguren des ARD-Mehrteilers vorgehen würde, weiß er nicht. „Moralisch auf jeden Fall. Doch kollidieren da Mut und Vernunft“, mag er sich nicht festlegen, ob er dabei gewesen wäre bei den Protesten der 68er-Bewegung.
Auf jeden Fall versteht er die Haltung des jungen Protagonisten. Winne Wolf ist als ihr Enkel von der Seniorchefin des Unternehmens eigentlich auserkoren, einmal die Leitung zu übernehmen. Doch stößt sich der junge Mann mehr und mehr an der Vergangenheit, hadert mit den Waffengeschäften seines aus Argentinien zurückgekehrten Vaters. Auch der Umgang zu jener Zeit mit den Gastarbeitern geht ihm gegen den Strich.
Für Gantenberg eine Parallele zur aktuellen Zeit. Die Diskussion um die Flüchtlinge heute ähnelt ihm zufolge dem Schicksal der Arbeiter aus Italien und anderen Ländern, die hierzulande die Industrie am Laufen hielten. „Die Produktion zeichnet ein Sittengemälde Deutschlands aus den 60er-Jahren“, fasst Gantenberg seine Arbeit zusammen.
Gut ein Jahr hat er in einem Team von vier Autoren daran geschrieben, ehe das Drehbuch Ende Februar 2022 fertig war. Zwei der sechs Teile stammen aus seiner Feder: „Notstandsgesetze“ und „Pudding“. Am Ende hat Regisseurin Mira Thiel die sechs Stücke zusammengefügt, ehe im Laufe des Sommers 2022 die Dreharbeiten mit so prominenten Schauspielern wie Katja Riemann, Anna-Maria Mühe und Hans-Jochen Wagner über die Bühne gingen.
Michael Gantenberg ist schon ganz gespannt auf die Resonanz. „Es wäre sicherlich falsch, wenn ich sagen würde, dass ich ganz gelassen bin“, fiebert er dem Freitagabend entgegen, wenn die beiden ersten Teile über die Mattscheibe flimmern. Gewiss hat der 61-Jährige die insgesamt viereinhalb Stunden Film schon gesehen. Doch die Reaktion des Publikums ist schon wichtig. Eine gewisse Eitelkeit kann er nicht verhehlen; und außerdem: „Positive Kritiken sind ja nicht geschäftsschädigend!“
Die ARD zeigt den Sechsteiler an drei Abenden: die ersten beiden Teile liefen am Freitag, 11. März, ab 20.15 Uhr, jeweils zwei weitere Teile folgen am Mittwoch, 15. März, und Mittwoch, 22. März, ebenfalls jeweils an 20.15 Uhr.