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Ein Hoch auf die Ukraine - Soester legen zum Unabhängigkeitstag den Finger in die Wunde

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Von: Kathrin Bastert

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Sie verbinden den Krieg mit Gesichtern: Fabian Steinbrink, Ingrid und Wolfgang Ehlers.
Sie verbinden den Krieg mit Gesichtern: Fabian Steinbrink, Ingrid und Wolfgang Ehlers. © Peter Dahm

Der 24. August ist der Tag der Unabhängikeit der Ukraine. In Soest ist er in diesem Jahr Anlass, an die Situation zu erinnern.

Soest – Die Freunde in der Ukraine sind ein bisschen bang mit Blick auf ihren Feiertag. Eigentlich soll der 24. August ein Tag der Freude sein. Es ist der Jahrestag der Unabhängigkeit des „Grenzlands“, erklärt 1991 nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Er dokumentiert damit den Willen einer Nation, sich vom kommunistischen System zu lösen. Der Unabhängigkeitstag ist auch der Tag, an dem der russische Angriffskrieg seit einem halben Jahr anhält. Die Frage, die sich die Ukrainer stellen: Wie wird Putin reagieren? Wird er die Brutalität seiner Attacken verstärken? Großveranstaltungen soll es in der Ukraine an diesem Mittwoch nicht geben; die Sorge ist, dass sie zum Ziel werden könnten.

Eine Gruppe Soester will dafür sorgen, dass der Unabhängigkeitstag trotzdem nicht in Vergessenheit gerät. Ingrid und Wolfgang Ehlers sowie Fabian Steinbrink sind drei aus einer Gruppe von Menschen, die sich rege um die Städtepartnerschaften der Bördestadt und darum bemühen, dass die Hanse weiter mit Leben gefüllt ist. Der Kontakt in die Ukraine besteht mit der Gemeinde Tysmenyzja im Westen des Landes.

Seit 20 Jahren Freunde in der Ukraine

Seit 20 Jahren haben die Ehlers hier Freunde, gefunden haben sie sich über die gemeinsame polnische Partnerstadt Strzelce Opolskie. Steinbrink hält seit 2017 engen Kontakt. Noch im Vorjahr hat er in Tysmenyzja den 30. Unabhängigkeitstag der Ukraine mit gefeiert, 2018 war unter den Soester Besuchern auch Wolfgang Ehlers. Fast unvorstellbar, was seither geschehen ist. „Wir verbinden diesen Krieg mit Gesichtern“, sagt Ingrid Ehlers. „Jetzt wollen wir den Tag zumindest nutzen, um an die Situation zu erinnern – und daran, dass hier in Soest sich viele engagieren, um zu helfen“, ergänzt Ehemann Wolfgang.

Sie haben Bürgermeister Eckhard Ruthemeyer und die Landrätin Eva Irrgang gebeten, ein Grußwort zu schreiben. Beide kamen der Bitte gern nach – und senden nun die besten Wünsche nach Tysmenyzja, verbunden mit der Versicherung, dass Ukrainer auf der Flucht in Soest und im Kreis eine sichere Bleibe finden. Das gelte zurzeit für 3 000 Menschen in den 14 Kreis-Kommunen, schreibt Irrgang, und Ruthemeyer berichtet, dass mehr als 800 Menschen im letzten halben Jahr nach Soest gekommen sind. Allein 111 Kinder und Jugendliche besuchen zurzeit die städtischen Soester Schulen (davon 41 an Grundschulen), 17 Kinder konnten in Kindertageseinrichtungen untergebracht werden.

„Wir möchten erzählen, wie groß die Hilfsbereitschaft immer noch ist“, sagt Wolfgang Ehlers, „denn immer noch stellen Soester Zimmer zur Verfügung oder vermieten Wohnungen günstiger“. Die Post aus Soest geht an die Bürgermeisterin von Tysmenyzja, Tetiana Hradiuk. Sie war vor drei Jahren selbst hier zu Gast, besichtigte damals auch das Rettungszentrum und die Kreispolizeibehörde.

In einer E-Mail an Fabian Steinbrink beschreibt sie die Situation in ihrer Stadt: Auch wenn es im Westen des Landes ruhig ist, müssen die Menschen mit täglichen Fliegeralarmen leben. Der 10 000-Einwohner-Ort selbst ist voll von Flüchtlingen aus dem Osten des Landes, fast 2 700 Menschen suchen in Tysmenyzja Zuflucht. Die Stadt hat 120 Tonnen Hilfslieferungen aus Soest, Strzelce Opolskie und Racibórz erhalten und in die Regionen Saporischschja und Donezk gebracht. Auch Bürger von Tysmenyzja leisteten dort ihren Wehrdienst, schreibt Hradiuk. „Der Krieg zeigt uns, dass Freiheit das Kostbarste im Leben eines jeden Menschen ist. Niemand hat das Recht, sie uns wegzunehmen, und wir müssen alles tun, um unsere Welt vor Grausamkeit und Gewalt zu schützen“, schreibt sie.

Einen offiziellen Akt zum Unabhängigkeitstag wird es auch in Soest nicht geben. Ehlers und Steinbrink wollen abwarten, wie sich die Situation entwickelt. „Und dann werden wir sicher spätestens am Freitag einen Wodka auf die Gesundheit unserer Freunde trinken“, verrät Wolfgang Ehlers. Hoffentlich bleibt es ruhig und sie können den Freunden via Skype zuprosten: Auf die Unabhängigkeit der Ukraine.

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